Schlagfertigkeit ist eine Frage der Lebenseinstellung

Frauenpolitischer Themenvormittag mit neuem Besucherrekord
Kreis Paderborn (krpb/od). Der Vortrag ist gehalten, und dann raunt es am Ende aus dem Publikum: „Na ja, das Rad hast Du ja nicht grad neu erfunden“. Jetzt ist Schlagfertigkeit angesagt. Doch besonders Frauen leiden in solchen Situationen unter ungewollter Sprachlosigkeit, die passende Antwort kommt, aber erst Stunden später. Hinzu kommt der Ärger auf sich selbst, nicht sofort reagiert zu haben. „Schlagfertigkeit ist keine Frage der Technik sondern der Lebenseinstellung“, sagt dazu die Bestsellerautorin, Trainerin und „Schlagfertigkeitsqueen“ Nicole Staudinger, Gastrednerin des diesjährigen frauenpolitischen Themenvormittages. Landrat Christoph Rüther und Gleichstellungsbeauftragte Simone Böhmer wollten es zum 10. Geburtstag dieser jährlichen Veranstaltung in Zusammenarbeit mit den Gleichstellungsstellen der Städte und Gemeinden eigentlich „richtig krachen lassen“ und hätten die Gäste gern persönlich im Kreishaus begrüßt. Doch auch das digitale Format überzeugte mit neuem Besucherrekord: 360 Gäste waren angemeldet und schalteten sich beim Live-Stream zu, als Nicole Staudinger zu Beginn versprach: „Am Ende dieses Vormittages sind sie schlagfertig, resilient und glücklich“.

Die Zuschauenden erlebten einen humorvollen und berührenden Vortrag einer Frau, die mit 32 Jahren als zweifache Mutter die Diagnose Brustkrebs erhielt und sich ins Leben zurück kämpfen musste. Ihre Erfahrungen verarbeitete sie in ihren Büchern, die alle zu Beststellern wurde, und sie gründete eine Akademie für Frauen. Authentisch, gut gelaunt, ja nahezu fröhlich und in sich ruhend vermittelte Staudinger, dass es manchmal nur eines anderen Blickwinkels bedarf, um aus der Schleife herauszukommen. „Überlegen Sie es sich gut, wem Sie künftig das Recht zugestehen wollen, Ihnen durch Ärger ihre wertvolle Lebenszeit zu stehlen“, lautete ihr Rat. Schlagfertigkeit rette vielleicht den Augenblick aber löse nicht den Konflikt. Frauen müssten sich klarmachen, was sie blockiere und sie ihre eigenen Kompetenzen in solchen Momenten vergessen lasse. Und den Mut finden, das zu ändern.

Von den 27 Ämtern in der Paderborner Kreisverwaltung würden elf von Frauen geführt: Landrat Christoph Rüther sprach ebenfalls von Mut, den die Frauen brauchten, um sich auf eine solche Reise zu begeben. Seit 2009 sei die Paderborner Kreisverwaltung mit dem Audit „Beruf und Familie“ ausgezeichnet. Es werde viel Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, auf eine ausgewogene Work-Life-Balance gelegt, auch bei Führungskräften. Und auch wenn nicht immer alles glatt liefe: Scheitern müsse immer auch als Chance betrachtet werden, etwas Positives für sich daraus zu ziehen, um dann weiterzumachen. „Frauen, die ihr volles Potential ausschöpfen und sich nicht von ihren eigenen Zweifeln oder von anderen zurückhalten lassen, sind ein Gewinn für unsere Gesellschaft und für jeden Arbeitgeber“, so der Landrat. Dem frauenpolitischen Thementag gelinge es seit 10 Jahren, den Frauen wertvolle Impulse mit auf diesen Weg zu geben. Die Gütersloher Sängerin Kathrin Horstkötter, die kurzfristig für die angekündigte Betty Atlassi eingesprungen war, überzeugte nicht nur stimmlich sondern auch durch ihre Liedauswahl, zum Beispiel „I`m walking on sunshine“ oder das „Wie schön Du bist“, und bot das, wovon sie selbst überzeugt ist: Sie singe nicht, um Töne zu treffen, sie singe, um Herzen zu treffen. Und das gelang, auch dank ihrer Performance. Die Gleichstellungsbeauftragte Simone Böhmer hatte ihre beiden Vorgängerinnen, Christiane Sander-Hiegemann und Elisabeth Voigtländer, aufs „rote Sofa“ gebeten, um angesichts des Jubiläums für einen Moment innnezuhalten und Bilanz zu ziehen. Da saßen dann drei Generationen vereint, und deutlich wurde, dass jede Zeit ihre Themen hat. Während es zu Beginn vor 10 Jahren noch um Frauenrechte und später dann um Rahmenbedingungen ging, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sichern, zum Beispiel durch das Angebot der Großtagespflege, dem „Kreishäuschen“, konzentriert sich Simone Böhmer derzeit auf Themen der Persönlichkeitsentwicklung. Eines sei aber zeitlos gut und vonnöten: „Die Solidarität und Vernetzung der Frauen untereinander, das ist unsere wahre Stärke“, betonte Böhmer.

Nicole Staudinger bot einen hinreißenden Vortrag, trotz der schmerzenden Schulter, die sie sich erst vor ein paar Tagen gebrochen hatte. Den Auftritt absagen, verschieben, „nö, ist doch Mega hier“, sagt sie. Und „mega“ waren dann auch ihre mit viel Klugheit und Erfahrung gewürzten Einladungen zu einem Perspektivwechsel zum ganz persönlichen Glück. Das Schicksal frage nicht, ob man den gewohnten und geübten Weg verlassen wolle, aber „an jedem Lebensweg wachsen Blumen“. „Sie sitzen hier im Warmen, ihnen geht es gut, sie haben Internet und wenn Sie es gut gemacht haben, sitzen Sie an diesem Samstagvormittag noch im Bademantel vor ihrem Computer mit einem heißen Kaffee“, sagte sie. Auch das sei ein Stück vom Glück, wieder dankbar zu sein für das, was man habe. Und diese Sichtweise lassen selbst den Supermarkteinkauf zu einem Happening werden. Und was sagt man der Kollegin, die süffisant nach einem Vortrag anmerkt, dass man das Rad nicht neu erfunden habe? „Nutzen Sie die Kraft der Blicke“, sagt sie augenzwinkernd. Auch das hätten Frauen drauf: „Schieben Sie betont lässig die Brille hoch, oder putzen sie diese“. Ein „Ach was“ oder „Du Fuchs“ erfülle auch seinen Zweck. Und eine Antwort könnte auch sein: „Ja, vielleicht nicht neu erfunden, aber ich habe es heute so richtig zum Laufen gebracht“.

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