Bilanz nach einem Jahr fällt positiv aus
Waldeck-Frankenberg/Kassel(nh). „Für mich bedeutet die Reaktivierung ein Gewinn an Lebensqualität. Die Reaktivierung ist das Beste, was mir passieren konnte!“ So oder ähnlich begeistert äußern sich Fahrgäste in einer repräsentativen Erhebung, die der NVV gemeinsam mit dem Marktforschungsunternehmen Eidmann & Killian aus Kassel Anfang Juli durchgeführt hat und deren Ergebnisse jetzt vorliegen. In einem offenen Befragungsteil konnten die Interviewten eine eigene Einschätzung zur Reaktivierung geben, die mit mehr als 260 positiven Äußerungen besonders eindeutig ausfiel. Nur 12 hatten einen negativen Grundtenor. In der Befragung wollte der NVV wissen, wie Angebot und Service auf der neuen Strecke und der R 4 zwischen Korbach und Kassel beurteilt werden. Mehr als 400 Fahrgäste wurden dazu interviewt. Die Fahrgäste gaben unter anderem Auskunft über die Nutzung der Kurhessenbahn, die Qualität von Haltestellen, den Fahrbetrieb, die Anschluss-/Umsteigemöglichkeiten im Fahrbetrieb und sie beurteilten die Fahrzeuge sowie den Service des beauftragten Verkehrsunternehmens. Und das Resultat des Kundenbarometers kann sich sehen lassen, denn die Zufriedenheit ist hoch und die Freundlichkeit des Personals auf der Strecke wird besonders gelobt. Dabei liegt die Gesamtzufriedenheit klar im positiven Bereich mit 4,03 von 5 Bewertungspunkten (Skala von 1 sehr unzufrieden bis 5 sehr zufrieden) und auf einem hohen Niveau. Denn 84,6 Prozent der Fahrgäste beurteilten die Leistungen entlang der neuen Strecke mit sehr zufrieden und zufrieden. Besonders zufrieden waren sie mit der Hilfsbereitschaft des Personals und der Erreichbarkeit der Haltestellen. Der Landrat des Landkreises Waldeck-Frankenberg Dr. Reinhard Kubat freut sich über die positiven Rückmeldungen: „Das bestätigt uns, dass wir mit der Reaktivierung der Strecke den richtigen Weg eingeschlagen haben. Trotzdem gebe es noch Luft nach oben bei den Fahrgastzahlen. „Wir wollen, dass unter anderem noch mehr Studierende, Touristen oder Berufspendler die Bahnverbindung zwischen Korbach und Frankenberg nutzen“, so der Landrat weiter. Daran werde man in den nächsten Jahren gemeinsam mit dem NVV und der Kurhessenbahn arbeiten. Insbesondere vom Hessentag 2018 in der Kreis- und Hansestadt Korbach erwarte er einen wichtigen Impuls für die Nutzung der Strecke. „Die deutlich positiven Signale der Kundenbefragung geben uns Recht und zeigen, dass der Lückenschluss eine wichtige Investition für die Zukunft ist.“
Als Hauptgründe für die Nutzung der Kurhessenbahn zwischen Korbach und Frankenberg gaben 37 Prozent der Befragten an, sich damit in der Freizeit zu bewegen. Beruf, Ausbildung und Studium nannten 46 Prozent als Zweck und 2,5 Prozent nutzten die Bahn für ihre Versorgung oder Einkauf. Über 18 Prozent der Interviewten gaben an, als Urlauber unterwegs zu sein. Zu den kritischen Punkten gehörten nach Ansicht der Befragten die Störungen durch Verspätungen oder Zugausfälle, die Qualität der Fahrzeuge und die Information im Falle von Störungen. Eine zeitgleich stattfindende Fahrgastzählung hat die ersten Ergebnisse nach 100 Tagen bestätigt. Auch nach einem Jahr Betrieb fällt die Bewertung der reaktivierten Strecke zwischen Korbach und Frankenberg auf der Regionalbahnlinie 42 durchweg positiv aus. Nach den letzten Zählungen sind auf der Linie pro Tag durchschnittlich 440 Fahrgäste unterwegs und zu Spitzenzeiten wie an den Wochenenden nutzen zwischen 600 und 700 Fahrgäste die reaktivierte Strecke. Im Vergleich zu der Fahrgastzahl der bis zur Reaktivierung verkehrenden Buslinie 555 Korbach – Frankenberg, die im Schnitt bei 200 Fahrgästen pro Tag lag, sind jetzt deutlich mehr Fahrgäste in den Zügen der KHB unterwegs, denn die Anzahl hat sich verdoppelt. Darüber hinaus profitieren auch die anderen Bahnstrecken von der positiven Entwicklung. Sowohl zwischen Brilon und Korbach als auch zwischen Frankenberg und Marburg sind deutlich mehr Menschen unterwegs. Somit stärkt die reaktivierte Linie auch die Verbindungen Richtung Nord- und Mittelhessen bzw. Nordrhein-Westfalen. „ Wir sind als NVV sehr zufrieden mit dieser Bilanz nach einem Jahr. Wichtig ist, dass sich die Nachfrage weiter verfestigt und verstetigt. Wir wissen, dass belastbare Zahlen erst nach ca. zwei, drei Jahren wirklich aussagekräftig sind und jetzt ein guter Anfang gemacht wurde. Wir sehen mittelfristig aber weiteres Potential und die Möglichkeit, die Fahrgastzahlen in ein paar Jahren verdoppeln zu können. Dafür müssen und wollen wir eine aktive Rolle spielen, den Verkehr verbessern und aktiv auf unser Klientel zugehen“, so die Einschätzung des NVV- Geschäftsführers Wolfgang Rausch.
Der Chef der Kurhessenbahn Joachim Kuhn zieht ebenfalls ein positives Resümee: „Wir sind davon überzeugt, dass wir mit der Qualität auf der Strecke künftig die Kundenwünsche voll erfüllen und sich damit die Reisendenzahlen weiter stetig steigern werden. Dazu gehören moderne und komfortable Fahrzeuge ab Dezember 2017, ein neuer Kreuzungsbahnhof in Viermünden und unsere neue Werkstatt in Korbach, die dabei helfen werden diese Ziele zu erreichen.“ Insgesamt gehen NVV und KHB davon aus, dass seit der Eröffnung rund 150.000 Fahrgäste die Strecke genutzt haben. Besonders attraktiv für die Fahrgäste waren bisher die Wochenenden mit knapp 700 Nutzerinnen und Nutzern pro Tag zwischen Korbach und Frankenberg, so dass damit auch deutlich wird, dass die Beliebtheit der Strecke besonders im touristischen Verkehr liegt. NVV und KHB wollen insbesondere das Freizeitsegment als wichtigen Pfeiler der touristischen Entwicklung des Landkreises Waldeck-Frankenberg weiter ausbauen. Die Kooperationen mit den Partnern vor Ort werden weiter verstärkt und eine spezielle Marketingplanung aufgelegt. Aber auch die Nutzung der Bahn für den Alltagsverkehr soll stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung gebracht werden. Dazu passt, dass es ab Fahrplanwechsel im Dezember diesen Jahres von montags bis freitags eine zusätzliche Fahrt am Abend um 20:00 Uhr ab Korbach Richtung Frankenberg und Marburg gibt, um die Strecke für den Freizeitverkehr attraktiver zu machen und das Angebot kontinuierlich zu verbessern. In Marburg bestehen dann noch weitere Anschlüsse. Bisher gab es die Abendverbindung nur am Wochenende. Weitere wichtige Punkte für die Zukunft sind die Verbesserung der Pünktlichkeit, die Erhöhung der Streckengeschwindigkeit und die Barrierefreiheit für mobilitätseingeschränkte Personen. Konkrete Maßnahmen dafür sind der Bau eines Kreuzungsbahnhofes in Viermünden, der Umbau des Bahnhofs Korbach, eine durchgängig niederflurgerechte Fahrzeugflotte für den bequemen Ein- und Ausstieg, die Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit durch Beseitigung und technische Sicherung von Bahnübergängen. Weiterhin strebt der NVV verbesserte Tarifkooperationen mit den Verkehrsverbünden in der Nachbarschaft an, um attraktivere Fahrpreise in das Verbundgebiet des RMV und nach Westfalen anbieten zu können. Der Übergangstarif zum RMV ist bis einschließlich Korbach ausgedehnt. Ein neuer Westfalentarif ist im Werden; erste Gespräche dazu laufen.
Hintergrundinformation zur reaktivierten Strecke:
Auf Basis einer Infrastruktur- und Betriebskonzeption ertüchtigte die Kurhessenbahn als Infrastrukturbetreiber die Strecke so, dass seit September 2015 von Marburg über Frankenberg und Korbach durchgehend Züge nach Brilon Stadt verkehren können. Damit wurde die Lücke im Schienennetz zwischen Korbach und Frankenberg dauerhaft geschlossen. Der Landkreis Waldeck-Frankenberg erhält so eine Anbindung nach Mittel-und Südhessen sowie an den Hochsauerlandkreis und ins Ruhrgebiet. Darüber hinaus erschließt die neue Verbindung den nördlichen Kreisteil inklusive der Stadt Korbach.
Weitere Details zur Strecke:
– 30 km lange Strecke
– Seit 1987 stillgelegt
– Rückbau von Weichen in Schreufa, Ederbringhausen und Herzhausen, die nicht mehr benötigt werden
– Erneuerung je einer Brücke zwischen Korbach-Süd und Vöhl-Dorfitter sowie in Vöhl-Thalitter
– Instandsetzung weiterer Brücken entlang der Strecke
– Sanierung des mehr als 100 Jahre alten kleinen Itter-Tunnels (93 Meter) und großen Itter-Tunnels (200 Meter)
– Instandsetzung verschiedener Stützbauwerke und Durchlässe entlang der Strecke
– Bau von neuen bzw. Modernisierung von fünf Haltepunkten inkl. Park&Ride- bzw. Bike&Ride-Anlagen und teilweise E-Bike-Ladestationen
– Neue Buswendeschleifen in Vöhl-Herzhausen, -Schmittlotheim und -Ederbringhausen
– Neubau von technische Sicherungen an 9 Bahnübergängen
– Erneuerung und Anpassung von Signalanlagen
– Neubau von 5 Funkstandorten für Zugfunk
– Gesamtkosten : 22,9 Mio. €. Davon trägt das Land Hessen 16,7 Mio. EUR, der Landkreis 4,6 Mio. EUR, die Kurhessenbahn 1,5 Mio. EUR und der NVV 0,1 Mio. EUR der Herstellungskosten der Strecke, Stationen, Haltestellen und P+R- und B+R-Anlagen.
– Kreuzungsbahnhof Viermünden: Neubau eines Bahnhofes im Bereich des heutigen Haltepunktes mit zwei Gleisen, zwei Weichen, einem Mittelbahnsteig mit 100 Meter Nutzlänge sowie Neubau einer technischen Sicherung am Bahnübergang im südlichen Bahnhofsteil. Aktuell wird an der Entwurfsplanung erarbeitet, Gebaut wird voraussichtlich im Sommer 2017
– Werkstatt Korbach: Neubau einer Werkstatt für die Instandhaltung von Triebwagen mit einer zweigleisigen Halle, einer eingleisigen Außenreinigungsanlage und Bürogebäude. Aktuell wird die Entwurfsplanung erarbeitet. Gebaut wird voraussichtlich von Frühjahr 2017 bis Sommer 2018.
Fahrplaninformationen:
· Die Bahnlinie R42 bietet nun durchgehende Fahrten auf der Strecke Marburg (Lahn) – Frankenberg (Eder) – Vöhl-Herzhausen – Korbach – Brilon Wald (– Brilon Stadt/Bestwig).
· Ab Brilon Wald bestehen Direktfahrten oder abgestimmte Anschlüsse von und nach Brilon Stadt bzw. Bestwig.
· Die Linie R42 fährt stündlich auf dem Abschnitt Marburg (Lahn) – Frankenberg (Eder) und zweistündlich auf dem Abschnitt Frankenberg (Eder) – Korbach – Brilon Wald.
· Die Fahrt zwischen Korbach und Frankenberg (Eder) dauert nur 38 Minuten. Unterwegs hält die Linie R42 in Frankenberg-Goßberg, -Viermünden, Vöhl-Ederbringhausen, -Schmittlotheim, –Herzhausen, -Thalitter und Korbach Süd.
· In Korbach besteht zur vollen Stunde Anschluss an die Bahnlinie R4 von und nach Kassel.
· In Marburg (Lahn) bestehen Bahnanschlüsse in Richtung Gießen und Frankfurt am Main.
· In Brilon Wald bestehen Umsteigemöglichkeiten zu Zügen in und aus Richtung Dortmund.
· Ab Vöhl-Herzhausen bietet die Buslinie 503 direkte Weiterfahrten entlang des Edersees in Richtung Waldeck und Sperrmauer sowie an Wochenenden zum Nationalparkzentrum Kellerwald-Edersee.