Frankenberg(nh). Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall. Die betroffenen Frauen stehen unter Schock und bedürfen schnellstens vertraulicher und unbürokratischer Hilfe, besonders aber einer medizinischen Akutversorgung. Für viele Frauen kommt jedoch eine polizeiliche Anzeige nach einer Vergewaltigung nicht in Frage, oder sie fühlen sich vorerst nicht in der Lage, diese Entscheidung zu treffen. Daher wenden sich die Betroffenen nicht an die Polizei und bleiben häufig medizinisch unterversorgt, weil sie befürchten, zu einer Anzeige gedrängt zu werden. Genau für diese Notfälle bietet das Kreiskrankenhaus Frankenberg seit etwas mehr als einem Jahr das Programm „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“. Mädchen und Frauen, die sich zunächst scheuen, direkt zur Polizei zu gehen, können sich ohne Erstattung einer Anzeige sofort medizinisch versorgen lassen. Neben der medizinischen Akutversorgung und der „Pille danach“ bietet sich trotzdem die Möglichkeit zur Sicherung von Spuren: „Die Frage, ob Anzeige erstattet wird, beantworten Frauen oftmals erst, nachdem der erste Schock überwunden ist“, weiß der Chefarzt der Klinik für Gynäkologie & Geburtshilfe im Kreiskrankenhaus, Dr. Volker Aßmann: „Die ganzheitliche medizinische Versorgung der Frauen nach einer Vergewaltigung steht im Vordergrund, nicht nur die Spurensicherung.“ Doch der Gynäkologe betont: „Damit sich die betroffenen Frauen der Möglichkeiten zur Anzeigenerstattung nicht berauben, ist eine umgehende Spurensicherung wichtig.“ Das Programm stärke die traumatisierten Frauen durch das Angebot der Spurensicherung, etwa von DNA-Material. „Die Frauen können dann einfach zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ob sie rechtliche Schritte einleiten wollen,“ sagt Ärztin Kathrin Mika, die das Projekt seitens des Kreiskrankenhauses koordiniert. Entscheide sich die Frau im Kreiskrankenhaus in Frankenberg für eine Spurensicherung, werden diese ein Jahr lang im Institut für Rechtsmedizin in Gießen verwahrt. Dieses Angebot hat für die Frauenbeauftragte und Projektkoordinatorin des Landkreises, Beate Friedrich, höchste Priorität: „Mit dem Programm zur Soforthilfe stellen wir den schnellen Zugang zu qualifizierten Hilfsangeboten nach einer Vergewaltigung sicher.“ „Für diejenigen Vergewaltigungsopfer, die sich direkt an die Kriminalpolizei wenden und entscheiden, sofort Anzeige erstatten, ist das nächst gelegene Krankenhaus vor Ort die zentrale Anlaufstelle. Die Polizei bringt sie nach Aufnahme der Anzeige direkt dorthin. Hier kümmern sich die Fachärzte jederzeit um die medizinische Versorgung und Aufnahme der Spuren“, erklärt Kathrin Mika den Unterschied zum Soforthilfe-Programm in Frankenberg. Bisher wurde die Medizinische Soforthilfe im Kreiskrankenhaus vereinzelt in Anspruch genommen. Die Dunkelziffer bei Vergewaltigungen ist jedoch nach wie vor hoch. Zur Anzeige gebracht wurden im Landkreis Waldeck-Frankenberg 2016 21 Vergewaltigungen, 2015 waren es 24. Ausführliche Informationen zum Programm „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ finden sich auf der Homepage des Kreiskrankenhauses unter www.krankenhaus-frankenberg.de sowie auf der Internetseite des Landkreises www.landkreis-waldeck-frankenberg.de