Wetzlar(nh). Graugänse sind vielen Menschen durch die Forschungsarbeiten von Konrad Lorenz ein Begriff. Die Graugans war in Hessen lange Zeit als Brutvogel ausgestorben. Erst 1993 gab es wieder eine Brut. Seitdem haben sich ihre Bestände etwas erholt. Nils Holgersson hätte seine Freude daran. Um die 600 Paare brüten inzwischen wieder in Hessen. Weil das für ein ganzes Bundesland nicht wirklich viele sind, gilt ihr Erhaltungszustand laut der Staatlichen Vogelschutzwarte als „ungünstig bis unzureichend“. „Bei den geringen Beständen gibt es für eine Bejagung der Graugans in Hessen keine sinnvollen Gründe“, so Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen. Trotzdem sind 745 Graugänse im letzten Jagdjahr geschossen worden. Bei der bevorstehenden Novelle der hessischen Jagdverordnung sei es deshalb wichtig, die Graugans aus der Liste jagdbarer Arten zu streichen. Jetzt sei erst einmal eine Stabilisierung der hessischen Graugans-Vorkommen wichtig.
Bis zu 90 Zentimeter groß und 4 Kilogramm schwer wird die Stammform unserer Hausgans. Ihre Flügelspannweite kann bis zu 1,80 Meter betragen. Die Graugans lebt in Flussauen oder an Seen mit breiten Riedgürteln. Ihre Nahrung, die überwiegend aus kurzen Gräsern und Kräuter besteht, nimmt die Graugans überwiegend an Land auf. Sie kann bis zu 17 Jahre alt werden und lebt in Partnertreue. Ihre Wachsamkeit hat sogar Geschichte gemacht: Im alten Rom sollen Graugänse das Kapitol bewacht haben. Im waldreichen Hessen sind die Lebensräume der Graugans begrenzt – anders als in der norddeutschen Tiefebene oder in den Niederlanden. Bei uns fehlt es an Grünland und Wasser in der Landschaft. Ein Verbreitungs-Schwerpunkt der Graugans liegt in der Wetterau. Dort zeigt sich aber, dass die Gesamtkapazität des Lebensraums erreicht ist und die Zahl der Paare nicht weiter zunimmt. Wenn das Nahrungsangebot und die Brutmöglichkeiten nicht mehr ausreichen, gehen die Bruterfolge automatisch zurück. Auch natürliche Feinde wie der Fuchs oder Eier raubende Möwen sowie Überschwemmungen tragen zur Regulierung der Bestandsgröße bei. Im Winter kommen Graugänse auch als Durchzügler oder Wintergäste zu uns. Dies waren in den letzten Jahren manchmal bis zu 8.000 Graugänse in einem Monat – auch dies eine im Vergleich zu den norddeutschen Bundesländern sehr geringe Zahl. Eine Jagd im Winter ist nicht möglich, weil sich die Graugänse dann mit sehr seltenen und geschützten nordischen Gänsearten vermischen. So bestünde die Gefahr der Verwechselung. Auch andere gefährdete Wasservögel würden immer wieder durch Schüsse gestört. Beklagt wird manchmal von Landwirten, dass große Zahlen von Graugänsen Schäden auf Feldern verursachen können. Dokumentiert wurden solche Ernteschäden bislang nicht. Zur Vermeidung möglicher Ernteschäden kann die Jagd nicht viel beitragen. Das Schießen auf Gänse führt nur zu einer höheren Fluchtdistanz der Tiere auf 250 bis 500 Meter. In Folge fliegen Graugänse viel häufiger bei Spaziergängern auf, verbrauchen dadurch Energie und müssen dann noch mehr fressen. In einzelnen Konfliktfällen wurden in Absprache zwischen den betroffenen Landwirten, Naturschutz- und Jagdbehörden sowie den Landwirtschaftsämtern für alle Seiten verträgliche Lösungen gefunden.