Junge Menschen und psychische Erkrankungen: Fachtag am 25. Oktober

Bad Wildungen(pm). Psychische Erkrankungen bei jungen Erwachsenen treten immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit – und das deutschlandweit. Das bundesweite Hilfesystem hält zwar umfangreiche Therapieangebote sowohl für Kinder, als auch für Erwachsene bereit – Jugendliche im Übergang zur Volljährigkeit fühlen sich aber oft weder in dem einen, noch in dem anderen Hilfesystem richtig aufgehoben. Um diese Lücke zu schließen und sich noch besser zu vernetzen, veranstaltet der Landkreis am 25. Oktober einen Fachtag in Bad Wildungen. Herzlich eingeladen sind interessierte Bürger, Betroffene, Angehörige und Fachkräfte.

Im Fokus der Veranstaltung werden psychische Erkrankungen bei jüngeren Menschen stehen, die im Alltag nicht selten schwerwiegende Krisen bei den Betroffenen auslösen können. Um diese jungen Erwachsenen besser aufzufangen, sollen beim Fachtag entsprechende Netzwerke geschaffen werden – und gemeinsam Ideen für therapeutische und unterstützende Konzepte für die jungen betroffenen entwickelt werden. Impulsvorträge wie „Chancen und Risiken beim Übergang in die Erwachsenenpsychiatrie“, „Psychisch krank mit Anfang 20 – psychische Störungen des jungen Erwachsenenalters“ oder „Betreutes Wohnen für junge Menschen mit Doppeldiagnosen“ bieten dabei einen Einstieg in einen informativen und fachlichen Austausch. Darüber hinaus wird es aber auch um Themen wie Mediensucht oder Schuldnerberatung gehen, die häufig mit psychischen Erkrankungen einhergehen oder eng mit ihnen verknüpft sind. Weiterhin werden Mitarbeiter von EX-IN Hessen e.V. über ihre eigenen Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen und dem psychiatrischen Hilfesystem berichten.

Der Fachtag mit dem Titel „Ziele suchen, Wege finden. Junge Menschen und psychische Erkrankungen“ findet am Freitag, 25. Oktober von 11 Uhr bis 17:30 Uhr im Martin-Luther-Haus (Breiter Hagen 12) in Bad Wildungen statt. Er wird ausgerichtet von der Stadt Bad Wildungen, dem Kreisverband der Treffpunkte e.V., dem Landeswohlfahrtsverband Hessen, dem Lebenshilfe-Werk Kreis Waldeck-Frankenberg e.V., dem St. Elisabeth-Verein e.V. Marburg, Vitos Haina und dem Zweckverband Diakonisches Werk Waldeck-Frankenberg sowie dem Bathildisheim e.V. Bad Arolsen unter der Federführung des Sozialpsychiatrischen Dienstes beim Fachdienst Gesundheit. Die Moderation übernimmt Thomas Korte. Eine Anmeldung ist nicht notwendig; die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Informationen gibt es online unter www.landkreis-waldeck-frankenberg.de.

„Psychische Erkrankungen hindern junge Menschen oft daran, ihr Leben in die Hand zu nehmen“ – Experteninterview mit der Ärztin Dr. Britta Dittmar

Psychische Erkrankungen können Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung haben, weiß die Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Fachdienst Gesundheit des Landkreises Waldeck-Frankenberg Dr. Britta Dittmar. Im Interview berichtet die Ärztin, warum das Thema psychische Erkrankungen bei jungen Menschen aktueller denn je ist.

Warum leiden in der heutigen Zeit immer mehr junge Erwachsene an psychischen Erkrankungen?

Dr. Dittmar: „In Waldeck-Frankenberg beobachten wir im Sozialpsychiatrischen Dienst immer häufiger junge Erwachsene mit depressiven Symptomen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen und einer geringen Frustrationstoleranz gegenüber Schule, Ausbildung und dem gesellschaftlichen Gefüge. Dass die Zahl der registrierten psychischen Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter in den letzten Jahren zugenommen hat, muss aber nicht zwingend heißen, dass es mehr Betroffene gibt: Vermutlich hat eher die Sensibilität für eine gesunde Entwicklung von Kindern und jungen Erwachsenen zugenommen. Das bedeutet auch, dass psychische Erkrankungen eine Entstigmatisierung erfahren haben. Eine längst überfällige gesellschaftliche Entwicklung!“

Welche Auswirkungen haben seelische Krisen insbesondere für junge Menschen?

Dr. Dittmar: „Man muss psychische Erkrankungen im jungen Erwachsenenalter auch immer im Zusammenhang mit seelischen Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter betrachten, denn beide gehen häufig ineinander über. Seelische Krisen können die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen – und junge Menschen daran hindern, ihr Leben so in die Hand zu nehmen wie Freunde und Bekannte es um sie herum tun. Wenn der Antrieb fehlt, die Konzentration schwer fällt oder man gar zu Suchtmitteln greift, um unangenehmen Dingen aus dem Weg zu gehen, wird es für junge Menschen schwer, mit den Anforderungen der Erwachsenenwelt umzugehen. Wenn dann private Probleme oder persönliche Niederlagen hinzukommen oder man im Umfeld auf Unverständnis trifft, kann sich die Situation der Betroffenen noch weiter verschlechtern.“

Inwiefern greifen hier die Hilfsangebote?

Dr. Dittmar: „Offiziell werden Patienten aus der Kinder- und Jugendhilfe mit dem 18. Geburtstag volljährig und gelten als erwachsen – demnach rutschen sie auch vom Hilfesystem für Kinder und Jugendliche in das Hilfssystem für Erwachsene. Man kann aber niemanden zu einem bestimmten Stichtag als erwachsen bezeichnen – die Zuordnung zu unseren Systemen folgt aber genau dieser Logik. Die Hilfen des Erwachsenensystems können den jungen Menschen daher oft nicht die Unterstützung geben, die sie benötigen. Die Versorgung ist nicht an die unterschiedlichen Reifeprozesse angepasst. Das muss sich ändern!“

Wie kann man Betroffene denn bestmöglich unterstützen?

Dr. Dittmar: „Die Hilfen für junge Erwachsene müssen dem Stadium der Persönlichkeitsreife gerecht werden, in dem sie sich befinden. Sowohl stationäre Behandlungskonzepte als auch andere therapeutische Maßnahmen oder unterstützende Wohn- und Arbeitsformen müssen darauf abzielen, die Menschen auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken. Auch die Vernetzung in diesem Bereich ist Ziel unseres diesjährigen Psychiatrietages. Darüber hinaus ist es wichtig, junge Menschen individuell mit ihren Fähigkeiten und ihren Eigenschaften zu betrachten: Eine realistische Wertschätzung und Anerkennung für alles, was der junge Mensch bisher erreicht hat, sind wichtige Grundpfeiler, um ihn widerstandsfähig zu machen für die Herausforderungen des Erwachsenenlebens.“

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