Hessische Städtetag fordert: Heimatumlage-Gesetz zurücknehmen

Wiesbaden(pm). Der Hessische Städtetag fordert, dass die Koalitionsfraktionen ihren Gesetzesantrag
„Starke Heimat Hessen“ zurücknehmen. Auf die damit verknüpfte „Heimatumlage“ sollen
sie verzichten. Die geplante Heimatumlage greift in die kommunale Selbstverwaltung ein,
schafft unnötige Bürokratie und finanziert mit kommunalem Geld Landesprogramme, für die
das Land mit originärem eigenem Geld aufkommen müsste.

Heimatumlage greift in kommunale Selbstverwaltung und Finanzhoheit ein. Mit der Heimatumlage will die hessische Koalition den Städten und Gemeinden ab 2020 jährlich mit aufwachsender Tendenz rund 300 Mio. Euro Gewerbesteuer entziehen, um sie hernach über Landesprogramme (200 Mio. Euro) und den KFA (100 Mio. Euro) an die hessischen Kommunen nach eigener Regie zurück zu verteilen. Ein Gewinn für die kommunale Familie liegt darin nicht – weder inhaltlich noch rechnerisch. Der Gießener Finanzwissenschaftler Professor Scherf kritisiert die Absicht der Koalition: „Nicht die Gemeinden entscheiden darüber, welche Projekte sie als besonders dringlich ansehen, sondern das Land nimmt sie wieder einmal an die ‚goldenen Zügel‘.“ Mindestens drei Gründe sprechen gegen die Einführung der Heimatumlage – unabhängig von der Frage, ob eine einzelne Kommune in der Gesamtbilanz von Entzug und Rückverteilung gewinnt oder verliert:

  1. Die Heimatumlage greift gravierend und in Deutschland einmalig in die kommunale
    Selbstverwaltung und die daraus begründete Finanzhoheit der Städte und Gemeinden
    ein. Denn das Land nimmt sich durch ein hessisches Gesetz Finanzmittel, die von
    Bundesrechts wegen den Kommunen zustehen.
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  2. Der Entzug der Gewerbesteuer und ihre Umetikettierung in Landesprogramme schaffen
    großen und unnötigen Bürokratieaufwand bei den Kommunen und zweifellos auch beim
    Land selbst. Für die Umsetzung bedarf es neuer Regeln und Richtlinien, in vielen Fällen
    neuer Antragsverfahren und somit zusätzlichem Personalaufwand.
  3. Die Landesregierung nimmt sich kommunales Geld, um damit Aufgaben zu finanzieren,
    für welche die Kommunen mit Recht eigenes finanzielles Engagement des Landes
    erwarten durften.

So fordern die Kommunen von der Landesregierung bei dem wichtigen Thema „Kinderbetreuung“ eine höhere Unterstützung. Es wird zwar nach eigener Planung während der laufenden Legislatur rund 850 Mio. Euro für Kinderbetreuung verteilen. Dieses Geld stammt aber zu mehr als der Hälfte aus kommunalen Kassen, im Übrigen aus den Gute-Kita-Gesetz-Mitteln des Bundes. Für wichtige Zukunftsaufgaben wie Ausbau ÖPNV und Digitalisierungsstrategie erwarten die Kommunen an und für sich Hilfen des Landes. Zusätzliche Mittel will das Land für diese Felder bisher nur aus kommunalem Geld verteilen. Das Land müsste die Leitungen der Schulen angesichts immer komplexer werdender
Aufgaben eigentlich als Landesaufgabe finanzieren, bedient sich aber auch hierfür zumindest zum Teil der Heimatumlage.

Das Land müsste den Krankenhäusern für deren Investitionen stärker unter die Arme
greifen. Von rund einer viertel Milliarde Investitionsaufwand jährlich zahlt es bisher pro
Jahr gerade knapp 19 Mio. Euro. Nun will das Land die Kommunen via Heimatumlage
noch stärker an den Krankenhausinvestitionen beteiligen. Koalition ist beseelt vom Gedanken der Umverteilung Die Heimatumlage zeigt zugleich, dass die Koalition von einem falschen Verständnis beseelt ist. Sie will den ertragsstarken Städten Geld wegnehmen und es an unterdurchschnittlich
ertragsstarke Kommunen umverteilen. Dabei übersieht sie, dass sie nicht nur auf die Erträge, sondern auch auf die damit zu leistenden Aufgaben blicken müsste. Gerade in den letzten Jahren sind die städtischen Zentren geprägt von außergewöhnlichem Aufgabendruck: Kosten der Unterkunft, Erweiterung des Wohnungsangebots, soziale Hilfe, verstärkt für behinderte Menschen, Verkehrs- und Energiewende. Es ist schon kurios: Die Koalition plant laut ihrem Koalitionsvertrag, Kommunen finanzielle Anreize zu bieten, damit sie sich der Verantwortung zur Ausweisung von Wohnbauflächen stellen. Mit der Heimatumlage entzieht sie in hohem Anteil genau den Städten mit hohem Siedlungsdruck Finanzmittel und verteilt sie in schwächer besiedelte Regionen um.


Dabei übersieht die Koalition auch die besondere Rolle der Gewerbesteuer: Unternehmen
leisten damit einen Beitrag zur Sicherung der sozialen, kulturellen und technischen Infrastruktur „vor Ort““. Hinzu kommt: Auch ohne Heimatumlage müssen heute schon überdurchschnittlich gewerbesteuerstarke Städte Finanzmittel an gewerbesteuerschwächere Kommunen abführen. Sie müssen im kommunalen Finanzausgleichssystem (KFA) verhältnismäßig mehr in Umlagen zahlen (LWV-Umlage, Krankenhausumlage, Kreisumlage, Schulumlage) und bekommen weniger Schlüsselzuweisungen, im Falle ihrer Abundanz müssen sie höhere Solidaritätsumlage leisten. Wenn die Koalition glaubt, sie müsse zur Verteilungsgerechtigkeit eine Heimatumlage einführen, so traut sie offensichtlich ihrem eigenen System des Kommunalen Finanzausgleichs nicht zu, dass es diese
Verteilungsgerechtigkeit herstellt. Als „klar, fair, angemessen“ hat Hessen bisher den KFA bezeichnet, mit der Heimatumlage widerspricht sich das Land selbst, denn entweder der KFA ist unfair oder die Heimatumlage.
Eine landeseigene Gewerbesteuerumlage ist eine rein hessische Erfindung, mit der die
Hessische Landesregierung die kommunale Selbstverwaltung konterkariert. Die
Landesregierung sollte auf diesen bundesweiten Alleingang nicht stolz sein, sondern ihn auf
raschestem Weg wieder beseitigen. Höhere Gewerbesteuerumlage entfällt ab 2020 durch Bundesgesetz Zutreffend ist, dass die hessischen Städte ab dem Jahr 2020 infolge des Wegfalls der
„erhöhten Gewerbesteuerumlage“ mehr von ihrer Gewerbesteuer behalten dürfen als bis
Ende des Jahres 2019. Der Mehrbetrag beläuft sich auf rund 400 Mio. Euro. Wichtig ist aber:
Die hessischen Städte verdanken wie alle Städte der „alten Bundesländer“ diesen Wegfall
einer Entscheidung des Bundesgesetzgebers. Das Land Hessen hat dazu kein eigenes
Geld beigetragen und insbesondere nicht auf eigene Ansprüche verzichtet.
Nach zweieinhalb Jahrzehnten, in denen die hessischen Kommunen über die „erhöhte
Gewerbesteuerumlage“ im Zuge der deutschen Einheit dem föderalen Finanzsystem bei
seiner Konsolidierung geholfen haben, endet diese Verpflichtung zu Recht Ende 2019. Die
Finanzsituation der Kommunen in den neuen Ländern ist nach Finanzierungssaldo längst
besser als die Situation in den westlichen Ländern der alten Bundesrepublik. Am
Jahresende 2019 erwarten die hessischen Städte für ihre jahrzehntelange uneigennützige
und solidarische finanzielle Unterstützung die Anerkennung ihrer hessischen
Landesregierung. Eine hessische Gewerbesteuerumlage ab 2020 in Form der
Heimatumlage ist keine Anerkennung der solidarischen Unterstützung der hessischen
Kommunen, sondern kann nur als grober Undank empfunden werden

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