Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
wir stehen am Ende eines Jahres, das geprägt war vom Gedenken in vielfältiger Weise. Da gab es die großen Jubiläen von weltpolitischen Dimensionen wie die 100. Wiederkehr des Beginns des Ersten und die 75. Wiederkehr des Beginns des Zweiten Weltkriegs. Vor 25 Jahren fiel die Mauer, ein Ereignis, das niemand erwartet hatte, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Von regionaler Bedeutung, aber für uns nicht weniger wichtig, war der 100. Geburtstag des Edersees.
Haben wir 2014 den Blick also vor allem zurückgewandt, so ist der Jahreswechsel ein willkommener Anlass, auch wieder nach vorne zu schauen und sich mit der Zukunft zu beschäftigen. Wir sind in Deutschland in der komfortablen Lage, sicher planen zu können. Ein Vorzug, den wir nicht hoch genug schätzen können, das macht ein Blick auf die weltpolitische Situation deutlich. Die Konflikte in Nordafrika, im Nahen und Mittleren Osten, am Hindukusch oder in der Ukraine sind nach wie vor bedrohlich und erfüllen uns mit Sorge. Nicht zu vergessen ist auch der Ausbruch der Ebola-Krankheit in Westafrika, die nach offiziellen Schätzungen rund 20.000 Menschen betroffen hat; etwa die Hälfte davon ist dem gefährlichen Virus zum Opfer gefallen.
Dies alles macht deutlich, dass die Sicherheit, in der wir leben dürfen, ein Privileg ist, das uns aber auch eine besondere Verantwortung auferlegt. Die Deutschen – das haben zahlreiche Umfragen belegt – blicken an diesem Jahreswechsel so optimistisch in die Zukunft wie lange nicht mehr. Mehr als die Hälfte geht davon aus, dass das neue Jahr besser wird als das alte, wobei die jungen Menschen noch zuversichtlicher sind als die älteren. Der Optimismus stützt sich vor allem auf eine florierende Wirtschaft und die Tatsache, dass die Zahl der Arbeitslosen so niedrig ist wie seit vielen Jahren nicht mehr.
Auch in Waldeck-Frankenberg haben wir davon profitiert. Bereits 2013 sind rund 1.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze neu bei uns entstanden und in 2014 hat sich dieser Trend weiter fortgesetzt. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns sorglos zurücklehnen und die Hände in den Schoß legen können. Auch für uns stellen sich Herausforderungen, die es zu lösen gilt. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass alle Menschen an dieser Entwicklung teilhaben können, wir dürfen niemanden zurücklassen. Das heißt unter anderem, dass wir weiter in Schule und Bildung sowie in die soziale Infrastruktur investieren müssen, um jungen Menschen auch in ihrer Heimat eine Perspektive bieten zu können.
Und wir müssen diejenigen integrieren, die hilfesuchend zu uns kommen. Die Konflikte in allen Teilen der Welt sind bei uns schon seit langem medial präsent. Nun werden wir aber auch direkt damit konfrontiert, denn 2014 kamen so viele Flüchtlinge nach Deutschland wie lange nicht mehr. Allein in Waldeck-Frankenberg waren es mehr als 900 Menschen, nächstes Jahr wird die Zahl vermutlich noch weiter ansteigen.
Es bedarf großer Anstrengungen, allen diesen Menschen einen würdigen Aufenthalt bieten zu können, aber es gibt erfreulicherweise eine große Welle der Hilfsbereitschaft, die von engagierten Personen und Organisationen getragen wird. Besonders stolz bin ich darauf, dass selbst in den kleinen Dörfern die ansässigen Vereine teilweise große Anstrengungen unternehmen, diese Menschen willkommen zu heißen, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie angenommen werden. Gerade die Sportvereine haben hier eine Vorreiterrolle eingenommen.
Und ich bin sicher, dass jeder einzelne dieser Flüchtlinge eine Chance für uns darstellen kann. Erstmals seit vielen Jahren konnten wir wieder ein positives Migrationssaldo verzeichnen. Das heißt, es kamen mehr Menschen in den Landkreis als weggezogen sind. Angesichts des demografischen Wandels ist dies eine begrüßenswerte Entwicklung.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg 25.000 Heimatvertriebene in das Gebiet des heutigen Landkreises Waldeck-Frankenberg kamen und hier eine neue Heimat fanden. Mit ihrem Fleiß und ihrer Zielstrebigkeit haben sie enorm viel zum Aufbau unseres Landkreises beigetragen. Warum sollte sich so etwas nicht wiederholen? Ich bin sicher, dass von den Menschen, die in diesen Tagen zu uns kommen, positive Impulse ausgehen können, die uns alle weiterbringen.
Wir sollten also mit positiven Gefühlen nach vorne schauen und uns den Herausforderungen mit Gelassenheit stellen. Wir müssen uns bewusst machen, dass es zwar Probleme gibt, die es zu meistern gilt, aber wir sollten ihnen nicht einen unverhältnismäßig großen Raum in unserem Denken und Handeln geben. Lassen Sie uns vor allem stolz auf das sein, was wir gemeinsam erreicht haben und noch erreichen werden.
Nicht nur der Bund, auch der Landkreis wird seinen Haushalt 2015 ausgeglichen gestalten können, auch bei uns steht die berühmte „schwarze Null“ in den Büchern. Wir werden weiter investieren können in die Bildung, in den Straßenbau, in die soziale und die verkehrliche Infrastruktur. 2015 wird der Schienenverkehr auf der Strecke Korbach – Frankenberg wieder rollen und ich bin sicher, dass viele Menschen, die dem Projekt heute noch kritisch gegenüberstehen, dann erkennen werden, dass die Entscheidung gut und richtig für unseren Landkreis war. Auch die Energiewende werden wir auf Kreisebene weiter fortsetzen und diesen Bereich unserer Daseinsvorsorge zukunftsfähig ausbauen.
Ich könnte die Liste positiver Entwicklungen weiter fortführen, doch würde dies den gesetzten Rahmen sprengen. All das bringt mich zu der Überzeugung, dass wir optimistisch ins neue Jahr starten können. Vielleicht sollten wir uns dabei auch ein Beispiel an den Menschen nehmen, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, egal ob vor 70 Jahren oder in den letzten Monaten. Von ihnen können wir lernen, dass das Leben nicht nur aus Bringschulden besteht, sondern dass man dann am weitesten kommt, wenn man sich Ziele setzt und konsequent auf deren Erreichen hinarbeitet. Lassen Sie uns gemeinsam nach diesem Grundsatz handeln.
Ich wünsche Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein gutes, erfolgreiches und gesundes neues Jahr 2015!
Dr. Reinhard Kubat
-Landrat-