Der typische Besucher ist ein männlicher Wanderer mit und ohne Familie und sucht Naturerlebnis, Einsamkeit, Stille, naturnahe Waldwege und sportliche Herausforderung
Bad Wildungen(nh). Seit 2013 führte der Nationalpark Kellerwald-Edersee in Kooperation mit der Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie der Georg-August-Universität Göttingen das Besuchermonitoring durch. Das Nationalparkamt Bad Wildungen stellte am 10. November in Kooperation mit Forstwissenschaftler Jochen Schaub die wichtigsten Ergebnisse des Besuchermonitorings im Nationalpark vor, die zugleich ausgewählte Resultate seines Promotionsvorhabens sind.
Der Nationalpark Kellerwald-Edersee ist ein von menschlichen Einflüssen wenig beeinflusstes Gebiet. „Die Fläche des Nationalparks wird durch keine öffentliche Straße zerschnitten. Somit bietet er beste Voraussetzungen, dass dort großflächig Naturprozesse in ihrer natürlichen Dynamik ablaufen können. Da im geschichtlichen Rückblick die Forstwirtschaft im Gebiet des Nationalparks eine geringere Rolle spielte, konnten sich hier Wälder entwickeln, die nicht nur für Förster und Wissenschaftler von Interesse sind, sondern auch für Erholungssuchende, Wanderer und Urlauber“, freute sich der Forstwissenschaftler über sein interessantes Forschungsgebiet.
Prozessschutz versus Besucherinteressen?
Ein Nationalpark soll neben dem Schutz der genannten, natürlichen Prozesse der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis der Bevölkerung dienen. So besuchen den Nationalpark Einheimische für die Feierabend- und Wochenenderholung, Tagesgäste und Urlauber hingegen besuchen ihn als Ausflugsziel oder Urlaubsgebiet.
Durch Freizeitnutzung kann es zu einer Gefährdung der Erreichung von Zielen des Nationalparks kommen. Hierunter fällt zum Beispiel die Störung sensibler Tierarten bei der Brut (Schwarzstorch). „Für den Nationalpark ist es sehr wichtig, potentielle Konflikte mit Nationalparkzielen oder unter Besuchergruppen zu identifizieren“, erklärte Jutta Seuring, stellvertretende Nationalparkleiterin. „Aus diesen Gründen benötigen wir Informationen über unsere Besucher und deren Verhalten. Wir freuen uns daher sehr, dass mit Jochen Schaubs Erhebung nun verlässliche Daten vorliegen, mit denen wir gut arbeiten können.“
Besuchermonitoring im Nationalpark 2013
Bereits im Jahr 2012 startete das Projekt mit dem Ziel der Entwicklung eines Konzepts zum Besuchermonitoring. In Freizeitparks oder Zoos können Besucher an wenigen Eingängen problemlos gezählt und befragt werden. Der Nationalpark Kellerwald-Edersee hingegen besitzt eine Vielzahl von Zugängen, an denen allerdings keine Eintrittsgelder oder Parkgebühren erhoben werden, anhand derer die Besucherzahlen ermittelt werden könnten. Diese Situation erfordert ein anderes, angepasstes Vorgehen. Daher wurde ein Konzept entwickelt, das Befragungs- bzw. Zählstationen in den Schlüsselbereichen des Nationalparks vorsieht.
Die Auswahl der Befragten erfolgte nach einem Zufallsverfahren. 2013 wurden an sieben Orten Befragungen und Zählungen durchgeführt. Sie fanden am Eingang Kirchweg, Parkplatz Peterskopf, Infoschmetterling Kleinern, Tannendriesch, Quernst, Fahrentriesch und Himmelsbreite statt. Die getroffene Auswahl berücksichtigte entlegene und eingangsnahe Bereiche.
Automatische und anonyme Zählgeräte ermitteln Anzahl und Besuchszeit der Gäste
Insgesamt wurden an sechs Orten automatische Zählgeräte dauerhaft eingebaut. An vier Punkten erfolgt die Zählung mit Hilfe von Bodenplatten und an zwei weiteren mit Pyrosensoren. Beide Gerätetypen zeichnen Uhrzeit und Anzahl der Besucher auf. Zusätzlich registrieren Pyrosensoren die Richtung, in der der Weg belaufen wird.
Die an den Befragungspunkten durchgeführten Zählungen dienen hauptsächlich der Erfassung der Erholungsform, wie z. B. Wandern, Joggen, Radfahren, weil dies mit Hilfe der automatischen Geräte nicht möglich ist.
Interviews bringen es ans Licht: Erholung, Entspannung, Ruhe und Natur sind gesucht
Insgesamt wurden im Jahr 2013 an 18 Tagen 876 Personen befragt. 41 Prozent der Befragten waren weiblich. Knapp 40 Prozent der Besucher waren mit Partner bzw. Lebensgefährten im Nationalpark, jeweils 20 Prozent besuchten den Nationalpark mit ihrer Familie oder alleine.
62 Prozent der Besucher haben als Bildungsabschluss mindestens Fach-Abitur oder Abitur.
Die Personen in der Altersgruppe zwischen 40 und 49 sowie zwischen 50 und 59 Jahren machen beide jeweils 30 Prozent aus; die nächst stärke Gruppe sind die über 60-Jährigen mit 17 Prozent.
Die Hälfte der Befragten gab an, zum Urlaub in der Region zu sein. Ein Drittel der Befragten waren Einheimische und ein Achtel Tagesgäste. Die meisten Urlauber besuchen den Kellerwald für vier Nächte (60 Prozent). Weitere 20 Prozent bleiben eine Woche in der Region und wiederum 20 Prozent bleiben sogar länger als eine Woche.
Die Herkunft der Besucher wurde anhand der Postleitzahl (PLZ) ermittelt. Dies ergab folgendes Ranking: PLZ-Bereich 3 (59 Prozent), PLZ-Bereich 6 (11 Prozent) und PLZ-Bereich 4 (10 Prozent). Die restlichen Bereiche liegen unter zehn Prozent. Die ausländischen Besucher machten einen Anteil von sechs Prozent aus. Davon kamen 86 Prozent aus den Niederlanden.
Jutta Seuring wies in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Bedeutung des Nationalparks für die Region Kellerwald-Edersee und die Regionalentwicklung hin: „Das Alleinstellungsmerkmal des einzigen hessischen Nationalparks inmitten des gleichnamigen Naturparks darf bei der Wahl des Urlaubsorts nicht unterschätzt werden. Auch dass die überwiegende Mehrzahl der Gäste mehrere Tage vor Ort bleibt, zeigt die Attraktivität, die die unberührte Natur unserer Region auf die Menschen hat.“
Die meisten Gäste kommen zum Wandern
Wandern ist die am meisten ausgeübte Erholungsaktivität (61 Prozent) im Nationalpark. 18 Prozent der Besucher kamen zum Spazierengehen, acht Prozent waren Mountainbiker und sieben Prozent Tourenradfahrer. Von den Urlaubern und den Tagesgästen waren jeweils mehr als 70 Prozent wandernd im Gebiet unterwegs. In der Gruppe der Mountainbiker waren die Einheimischen mit 64 Prozent am stärksten vertreten. Die meisten der Besucher (66 Prozent) waren bis zu vier Stunden im Gebiet.
Naturbelassene Wege und Pfade gefragt
Die Besucher des Nationalparks bevorzugen natürlichen Waldboden und erdfeste Wege. Hierfür geben jeweils ca. 88 Prozent mindestens die „Note 2“. Geschotterte und geteerte Wege stoßen bei den Besuchern auf wenig Gegenliebe. Auffällig ist, dass sowohl Mountainbiker als auch Wanderer erdfeste Wege bevorzugen.
Diese gemeinsame Vorliebe könnte auf ein mögliches Konfliktpotential zwischen den Erholungsgruppen hindeuten. Jutta Seuring sieht in der gemeinsamen Passion aber bislang kein Problem: „Uns ist natürlich klar, dass die Radfahrer schneller auf den Wegen unterwegs sind. Aber gerade in der naturnahen Landschaft eines Nationalparks gehen wir von einer stärkeren Bereitschaft aller zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus. Wildnisentwicklung und Naturnähe vertragen sich eher mit stillen Erholungsformen. Ich denke, dass das auch unseren Gästen bewusst ist.“
Top: Wanderrouten, Wegequalität und Beschilderung
Die Zahl der vorhandenen Wanderrouten im Nationalpark wurde von knapp 90 Prozent der Befragten mit mindestens „gut“ bewertet, gleiches gilt für die Wegequalität. Die Informations- und Hinweisschilder an den Eingängen und die Beschilderung im Nationalpark wurden jeweils von mehr als 80 Prozent der Befragten mit mindestens „gut“ bewertet. „Mit diesem Ergebnis werden unsere großen Anstrengungen bei der Wegeführung und -gestaltung sowie der gut wieder erkennbaren Beschilderung belohnt“, freut sich Jutta Seuring.
Natur und Stille in der Wildnis erleben
Das „Naturerlebnis“ innerhalb des Nationalparks ist für 99 Prozent der Befragten wichtig. Auf ähnliche Werte kommt der Aspekt „Entspannung und Erholung“. Für 93 Prozent der Befragten ist die „Einsamkeit und Ruhe“ ein wichtiger Besuchsgrund des Nationalparks. Die „sportliche Herausforderung“ findet hauptsächlich die Gruppe der Mountainbiker (95 Prozent) wichtig, bei den Wanderern hingegen nur 54 Prozent. Auf die offene Frage nach „Was hat Ihnen heute am besten gefallen?“ antworteten 17 Prozent der Befragungsteilnehmer mit „die Stille“. Weitere wichtige Aspekte waren die „Landschaft“, „Natur“ und „Aussicht“ sowie jahreszeitliche Aspekte wie Laubfärbung.
Nationalpark-Gebote sind gut eingeführt
75 Prozent beantworteten die Frage, ob sie die Nationalpark-Gebote kennen, mit „Ja“. Die Top 5 der bekannten Gebote sind das „Wegegebot“ mit 61 Prozent, „Keinen Müll hinterlassen“ und „Kein Feuer“ mit je 50 Prozent, „ Keine Pflanzen pflücken“ mit 46 Prozent“ und das „Leinengebot“ mit 30 Prozent.
Hintergrund Besuchermonitoring allgemein
Unter Monitoring versteht man das systematische und periodische Erheben von Indikatoren sozialer und biologischer Begebenheiten. Ein Besuchermonitoring ermittelt Informationen über das Verhalten, die zeitliche und räumliche Nutzung eines Gebietes, den Interessen, Vorlieben etc. von Besuchern eines Erholungsgebiets. Es ist Bestandteil des Managements und von partizipativen Planungsprozessen, weil ohne die Informationen aus dem Besuchermonitoring keine Aussagen über Fortschritte beim Erreichen von verschiedenen Zielen getätigt werden können. Besuchermonitoring beantwortet Fragen wie:
· Warum wird ein Gebiet besucht, was macht es attraktiv?
· Es liefert Daten für das Verständnis und Lösen von Konflikten (Störung Tiere oder Besucher, Gefährdung von Entwicklungszielen).
· Es stellt Wissen über die Interessen der Besucher eines Erholungsangebotes bereit.
· Es hilft bei der Beurteilung der Akzeptanz bzw. Effektivität der Besucherlenkung.
· Es erkennt Trends / deren Veränderungen durch systematisches und periodisches Erfassen.
· Es gibt Verwaltungen, Politik und Nicht-Regierungsorganisationen benötigte Informationen zur Entscheidungsfindung.