Wird Deutschland seiner Rolle gerecht?

 Sektionsleiter Holger Schmör, Referent Dr. Christian Mölling Foto:wd/nh

Frankenberg(wd/nh. Zum letzten Vortrag der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik e.V. (GfW) vor den Sommerferien konnte Sektionsleiter Holger Schmör zahlreiche  Interessierte begrüßen. Bei der Vorstellung des Themas „Fünf gute Gründe für eine deutsches Engagement in Afrika“ führte aus, dass Afrika als Beispiel vom Referenten Dr. Christian Mölling genommen wurde, um sich mit dem deutschen Engagement in der Sicherheitspolitik auseinanderzusetzen. Damit bereitete er die Zuhörer darauf vor, dass dies kein „klassischer“ Afrikavortrag wird.

 

r. Christian Mölling, Jahrgang 1973, gehört seit 2009 der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) an, die seit mehr als 50 Jahren den Bundestag und die Bundesregierung ebenso wie die Wirtschaft und eine interessierte Fachöffentlichkeit in außenpolitischen Fragen berät. Er gehört dort zur Forschungsgruppe Sicherheitspolitik.
Dr. Mölling stimmte auf das Thema mit einigen Erinnerungen ein. Volker Rühe, ehemaliger Verteidigungsminister, sagte 1994, das Eurokorps ist kein Afrikakorps. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar dieses Jahres forderterten Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen mehr Engagement Deutschlands in Afrika. 1990 meinten viele der totale Frieden habe begonnen, die Demokratie hätte gesiegt. Dies ist aber nicht der Fall. Es begann ein Weg von der bipolaren zur multipolaren Welt. Dieser Wandel läuft noch und geschieht gewaltmäßig. Ein Siegeszug der Demokratie fand, findet nicht statt.
Wie ein roter Faden zog sich seine Aussage durch seine Ausführung, die Abhängigkeit Deutschlands vom Export und Import von Rohstoffen. Wer weltweit Geld sein meistes verdient, muss auch weltweit dafür Sorgen, dass dies so bleibt.
In einer aktuellen Veranstaltung zur Sicherheitspolitik kommt man an der Ukraine-Krise nicht vorbei, fuhr Dr. Mölling fort. So ist die Ukrainekrise das Ergebnis längerer Prozesse. Das Problem Ukrainekrise ist kein deutsches, polnisches oder russisches Problem. Es ist ein gemeinsames Problem, macht er deutlich. Die jetzige Ausgangsbasis zur Lösung beschrieb Mölling wie folgt:
das militärische Potenzial der USA ist größer als das Russlands, eine Budgeterhöhung des Verteidigungshaushaltes Deutschlands ist nicht denkbar, aber auch nicht nötig, die Ukraine beschleunigt den Wandel der Sicherheitspolitik. Bei der Bevölkerung der Ukraine herrscht gegenüber dem Westen eine Angemessenheitskrise. Sie erwartet mehr, hat sie doch viele Blutopfer gebracht. Die NATO kann das Problem nicht lösen, dies ist Sache der EU. Die EU kann über Märktesteuerung und Märktekontrolle viel bewirken. Wir können uns keinen kollabierenden Staat an unserem Ostrand leisten, fügte er hinzu.
Die Unverletzlichkeit der Grenzen, nach dem 30jährigen Krieg eingeführt, hat sich weltwiet manifestiert. In der Missachtung dieses Grundsatzes durch Russland sieht der Referent eine große Gefahr. Es könnte Schule machen. Das Mittel Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland sieht er sehr kritisch. Wirtschaftssanktionen sind ein schleichendes Gift. Die Auswirkungen zeigen sich erst deutlich nach vielen Jahren. Und an dauerhaften Schwächung Russlands kann uns nicht gelegen sein.
Mölling kam dann zu Afrika. Ein riesengroßer Kontinent. Flächenmäßig passt dort die USA, Japan, Europa, Indien und mehr hinein. Es ist mit wenigen Ausnahmen ein großer Krisenherd. Der gefährlichste Bereich ist im Norden die nicht kontrollierbare Sahel-Zone. Die Grenzen dort existieren nur auf der Karte, sind nicht zu überwachen oder sogar zu sichern. Hier herrscht im wahrsten Sinne die Macht des Stärkeren. Terrorgruppen können ihre Macht sehr schnell ausweiten. Sie zwingen die Bevölkerung ihre Dörfer zu verlassen. Dies flieht zunächst in das nächste Dorf, von dort dann weiter in das nächste und irgendwann schließt man sich den Flüchtlingsströmen nach Europa an. Abhilfe kann nur geschaffen werden, wenn ein sicheres Leben garantiert wird. Nur dann bleiben die Bewohner zu Hause. Es müssen funktionierende Staaten aufgebaut werden. Staaten mit den verhandelt werden kann, mit denen man verlässlichen Handel betreiben kann.

Afrika ist nicht nur für Deutschland eine große Chance. Dort gibt es Rohstoffe, die dringend benötigt werden. Man würde dann nicht mehr abhängig von einem Lieferanten sein. Afrika ist aber auch ein großer Markt für uns. Oft würde der Weg Chinas als ein gangbarer genannt, führte Mölling aus. China baut Straßen und Betriebe, verlangt dafür den Zugang zu den Rohstoffen. China verkauft keine Ideologie macht hier unpolitische Politik. Dieser chinesische Weg ändert sich aber. Die Abhängigkeit von den oft wechselnden Machthabern ist zu unsicher. Oft werden dann Verträge nicht eingehalten oder komplett für nichtig erklärt. So engagiert sich China zunehmend an UN-Missionen, zeigt großes Interesse am Aufbau stabiler Staaten. Dort werden Verträge eingehalten.

Hier muss Deutschland seine bisherige Beteiligung an den Problemlösungen überdenken. Wie lange lassen sich die anderen Staaten noch die Scheckbuchstrategie gefallen? Wie lange haben wir noch das Geld hierfür? Inzwischen wird Deutschland nicht mehr zu allen Treffen eingeladen, da man von Deutschland nichts erwartet, zu erwarten hat. Nur wenn exekutive Kräfte, Militär, Polizei, den Schutz der Familien gewährleistet wird eine Ordnung aufzubauen sein, betonte Mölling. Es kann nicht sein, dass die Sicherung der Handelswege, Absatzströme und Rohstofflieferungen von anderen für uns übernommen wird. Das große Problem sieht der Referent darin, dass keine öffentliche Debatte über Sicherheitspolitik geführt wird. Dass Notwendigkeiten nicht breit diskutiert werden. Hier sind die Mandatsträger gefordert. Aktuell wird Deutschland seiner politischen und wirtschaftlichen Stellung sicherheitspolitisch nicht gerecht.

Den Vortrag hielt Dr. Mölling am Nachmittag vor 130 Schülern der Hans-Viessmann-Schule.

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