Naturgebiete unzureichend geschützt

EU-Kommission droht mit Klage vor dem EuGH

Wetzlar(pm). Die deutschen Bundesländer kümmern sich nicht ausreichend um ihre Europäischen Naturschutzgebiete. Daher hat die EU-Kommission im letzten Jahr ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Dieses wurde am Mittwoch auf die letzte Stufe vor einer Anrufung des Gerichtshofes der Europäischen Union gehoben. „Die EU-Kommission zieht damit die Daumenschrauben an“ fasst Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen zusammen. Der NABU fordert vom Land Hessen rasche Verbesserungen beim Schutz der Gebiete, die immerhin 21% der hessischen Landesfläche einnehmen.

„Die Erhaltungsziele sind zu unkonkret, nicht gebietsspezifisch und nicht quantifiziert“ erklärt Eppler. Wo keine konkreten Ziele in Zahlen festgelegt seien, könne auch kein Erfolg oder Misserfolg festgestellt werden. Als Konsequenz fordert der NABU die Neuformulierung der Erhaltungsziele in den Schutzgebietsverordnungen. Wo die zu schützenden Arten gefährdet sind, müssten zudem Verbote eingeführt werden, wie das auch in Naturschutzgebieten nach nationalem Recht üblich sei.

Als konkretes Beispiel nennt der NABU das EU-Vogelschutzgebiet Wetterau. Dort müsse in den sieben enthaltenen Naturschutzgebieten (Mairied von Rodheim, Gänsweid von Steinheim, An der Kühweide bei Steinheim, Im tiefen Ried bei Steinheim, Mittlere Horloffaue und Kist von Berstadt) die Jagd auf Vögel verboten werden. Zusätzlich müsse die Jagd auf Schalenwild auf zwei Monate beschränkt werden. Das Schutzgebiet ist der bedeutendste Kranichrastplatz in Hessen. Auch überwintern hier Hunderte nordische Gänse (Bläß- und Tundrasaatgänse) und Tausende Graugänse. Durch die Jagd kommt es aber immer wieder zu enormen und nicht tolerierbaren Störungen der rastenden und überwinternden Vögel. Deutschland ist durch die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume, sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, verpflichtet. In den FFH-Gebieten hätte demnach ein günstiger Erhaltungszustand der vorhandenen Arten und Lebensräume bewahrt oder wiederhergestellt werden müssen. Die Frist für die Vollendung dieser Maßnahmen für alle Europäischen Naturschutzgebiete in Deutschland ist in einigen Fällen bereits vor mehr als zehn Jahren abgelaufen.

Die Kommission ist der Auffassung, dass bei allen 643 hessischen Natura-2000-Gebieten keine ausreichend detaillierten und quantifizierten Erhaltungsziele vorliegen. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Qualität und Wirksamkeit der zu ergreifenden Erhaltungsmaßnahmen. Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, um zu reagieren. Kommt Deutschland der Aufforderung nicht binnen dieser Frist nach, kann die Kommission den Fall an den Gerichtshof der Europäischen Union verweisen.

Hintergrund:

2015 übermittelte die EU-Kommission Deutschland ein Aufforderungsschreiben und 2019 nach langwierigen Gesprächen mit dem Mitgliedstaat ein ergänzendes Aufforderungsschreiben („Letter of formal notice“). Nun gibt es die „reasoned opinion“, also die „mit Gründen versehene Stellungnahme“, die letzte Stufe vor einer möglichen Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union.

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