Hilfe für die Schwächsten

Landrat Manfred Müller und Kreisdirektor Dr. Ulrich Conradi danken Ombudsmann Siegfried Schröder

Kreis Paderborn(krpb). Ben (Name geändert) leidet unter der Glasknochenerkrankung. Als ihm eine Katze auf den Schoß springt, brechen beide Oberschenkel. Manchmal wacht er mit gebrochenen Rippen auf, weil er sich im Schlaf unbewusst gedreht hat. Der schwerst mehrfach behinderte Jugendliche lebt in einem Haus an einem hohen Steilhang oberhalb der Straße. Im Winter, wenn Schnee und Eis liegen, kann er nicht zur Schule, weil es zu gefährlich ist, den in einem Rollkorb liegenden Jugendlichen den steilen Abhang hinunter zum Auto zu tragen. Siegfried Schröder engagiert sich seit 2007 ehrenamtlich als Ombudsmann für schwerst- und mehrfachbehinderte Menschen wie Ben.

Über 12 Jahre stand er Betroffenen, Angehörigen sowie Einrichtungen der Behindertenhilfe hilfreich zur Seite. Wenn man ihn fragte, wie er mit dieser verantwortungsvollen und zugleich belastenden Aufgabe umgehe, antwortete er stets: „Sie werden gebraucht. Können Sie sich etwas Besseres vorstellen?“ Landrat Manfred Müller und Kreisdirektor Dr. Ulrich Conradi dankten Siegfried Schröder zum Ende seiner Amtszeit für sein ehrenamtliches Engagement. Er habe seine tiefste Überzeugung gelebt, dass es immer einen Weg geben müsse, das uneingeschränkte und selbstverständliche Recht auf Teilhabe auch für Menschen mit schwersten Behinderungen durchzusetzen. „Sie haben hingesehen und sich gekümmert, den Lebensalltag schwerstbehinderter Menschen verbessert. Dafür sind wir alle Ihnen zutiefst dankbar“, betonte der Landrat.

Ben kann dank Schröders Hilfe regelmäßig die Schule besuchen. Auch im Winter: Die Lösung des Problems ist ein Rollstuhl-Schrägaufzug, mit dem der Steilhang überwunden werden kann. Der Ombudsmann kümmerte sich um so ziemlich alles, von der Vermessung des Grundstücks über Ausschreibung und Vergabe des Auftrags bis hin zur Finanzierung durch das zuständige Sozialamt. Siegfried Schröder brachte nicht nur eine reiche Lebensbiographie sondern auch seine berufliche Erfahrung als Lehrer, Schulleiter und Vorsitzender der Lebenshilfe in das Amt ein. So leitete er beispielsweise jahrelang die Patmos-Schule in Bethel (heute Mamre-Patmos-Schule), einer Einrichtung für Schwerstbehinderte, und die Geistigbehindertenschule am Teutoburger Wald in Horn-Bad Meinberg. Schröder engagierte sich auch als Schulrat für alle Sonderschulen in NRW im Rahmen der Lehrerfortbildung am damaligen Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Soest. Als der Paderborner Kreistag 2007 eine Beschwerde- und Anlaufstelle für geistig-, schwer- und mehrfach behinderte Menschen auf den Weg brachte, war schnell klar, dass Schröder für dieses Ehrenamt ideale Voraussetzungen mitbrachte. Weil er sehr erfolgreich und engagiert arbeitete, wurde seine Amtszeit stets verlängert.

Siegfried Schröder half vielen Institutionen, die UN-Behindertenrechtskonvention im Kreis Paderborn umzusetzen. Wichtige Impulse gab er auch bei der barrierefreien Gestaltung des Kreismuseums Wewelsburg und der neu konzipierten Dauerausstellung „Ideologie und Terror der SS“. Beim anstehenden Bau eines neuen Bürotrakts initiierte Landrat Manfred Müller im April 2014 einen Runden Tisch mit Unterstützung von Siegfried Schröder, um Anregungen Betroffener entgegen zunehmen. Viele Ideen und Hinweise flossen in den barrierefreien Bau des Gebäudes ein. Besonders am Herzen lag ihm auch, die Schwierigkeiten taubblinder Menschen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Wie kommuniziert man, wenn man weder hören noch sehen kann? Oftmals geht mit dem Verlust der Sinne auch der Verlust von Sozialkontakten einher, der in die gesellschaftlichen Isolierung und Ausgrenzung führen kann. Schröders Ziel war und ist es, den Betroffenen Mut zu machen und sie auch durch Veranstaltungen aus dieser Isolierung herauszuholen.

Als „Kämpfer gegen soziale Ausgrenzung“ erhielt Siegfried Schröder im März 2017 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Den vom Bundespräsidenten verliehenen Orden wurde ihm im Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Berlin überreicht. „Wir brauchen jenseits der Institutionen Menschen, die hinsehen, und sich kümmern, wo andere straucheln, verzagt sind oder ihre Rechte aus unterschiedlichen Gründen nicht teilnehmen können“, sagte die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles.

Hintergrund:

Das Ombudswesen ist in Skandinavien entwickelt worden und hat sich dort erfolgreich etabliert. Das Modell ist von vielen Staaten übernommen worden und wird auch in anderen Lebensbereichen erfolgreich angewandt. Der Ombudsmann für Menschen mit schwersten Behinderungen vermittelt beispielsweise, wenn sich ein Betroffener von Behörden, Einrichtungen, Kostenträgern oder Institutionen in seinen Rechten beeinträchtigt fühlt. Allerdings leistet er keine Rechtsberatung. Er bietet ganz praktisch Mithilfe und Unterstützung bei der Formulierung von Eingaben und Anträgen und steht den behinderten Menschen in ihrem Lebensalltag zur Seite. Dabei ist er zur Verschwiegenheit verpflichtet und arbeitet zudem unabhängig, neutral und ohne Bindung an ein Amt oder eine Interessenvereinigung.

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