Biodiversität, Vielfalt des Lebens – Kreiskonferenz in Korbach

Von links nach rechts: Leiter Fachdienst Naturschutz Hartmut Kaiser; Wissenschaftlicher Leiter Nationalpark Achim Frede; Direktor und wissenschaftlicher Leiter Botanischer Garten Marburg Dr. Andreas Titze; Landrat Dr. Reinhard Kubat; Erster Kreisbeigeordneter Jens Deutschendorf; Dr. Matthias Kuprian, Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Norbert Harres, Freie evangelische Gemeinde Allendorf (Eder); Ralf Enderlein, Naturschutzbund Deutschland, Gruppe Korbach; Oliver Koch, Gemeindeverwaltung Allendorf (Eder) Foto: Landkreis Waldeck-Frankenberg/nh

Korbach(nh). Zur ersten Kreiskonferenz für die Erhaltung der Biodiversität hatte der Landkreis Waldeck-Frankenberg in das Kreishaus Korbach geladen. Landrat Dr. Kubat konnte ca. 70 Vertreter der Städte und Gemeinden, der Gremien und Fachdienste des Landkreises, Naturschutzverbände, Forstämter sowie der berufsständischen Organisationen aus Land und Forstwirtschaft begrüßen. Auch Vertreter des Nationalparkes und der Naturparke waren der Einladung gefolgt.

 „Als wir vom Regierungspräsidium gefragt wurden, ob wir in Nordhessen die erste Kreiskonferenz zur Biodiversität ausrichten wollen, haben wir sofort zugestimmt“, so der Landrat. Als gelernter Biologe erklärte der Landrat den für viele doch unge­wohnten Begriff „Biodiversität“ ganz einfach: Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens. Dazu gehören die Ökosysteme, die Vielfalt der Arten und auch die ungeheure Vielfalt der Genetik der Lebewesen. Auch die Beziehungen dieser einzelnen Komponenten untereinander gehören dazu. „Die Erhaltung der Biodiversität ist nicht zuletzt eine Überlebensfrage, da das menschliche Leben entscheidend auf diese Vielfalt gegründet ist“, so der Landrat.

Als Referent stand Dr. Matthias Kuprian vom Hessischen Ministe­rium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Verfügung, der über die hessische Biodiversitätsstrategie sprach. In seinem Referat ging Kuprian darauf ein, dass sich in den Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebiete) hessenweit von den 46 Lebensraumtypen 14 verschlechtert, aber keiner verbessert habe. Bei den Tier- und Pflanzenarten hätten sich von 90 Arten nur sieben Arten verbessert, 23 in ihrem Bestand verschlechtert. Kuprian verwies darauf, dass das Land Hessen eine sogenannte „Hessen-Liste“ der Tier- und Pflanzenarten und der Lebensräume erstellt habe. Den Landkreisen werden dabei bestimmte Arten und Lebensräume zugewiesen, für deren Erhalt und Entwicklung Sorge zu tragen ist (siehe Hintergrund).

Als weitere Referenten begrüßte Landrat Dr. Kubat(SPD) den wissenschaftlichen Leiter des Nationalparks Achim Frede, den Direktor und wissenschaftlichen Leiter des Botanischen Gartens Marburg Dr. Andreas Titze, Oliver Koch von der Gemeinde Allendorf (Eder) und Norbert Harres von der Freien Evangeli­schen Gemeinde in Allendorf (Eder) sowie Ralf Enderlein von der NABU-Ortsgruppe Korbach. Achim Frede erläuterte die Bedeutung und Gefährdung wichtiger Verantwortungsarten aus der Biodiversitätsstrategie des Landes und des Bundes am Beispiel von Pfingstnelke und Breitblättrigem Knabenkraut und wies auf den dringenden Handlungsbedarf bei Raritäten hin. Dr. Andreas Titze berichtete über ein Forschungsprojekt des Bundesumweltministeri­ums und des Bundesforschungsministeriums zur Analyse der Gründe für rückläufige Bestände der auch als Heilpflanze bekannten Arnika (Arnica montana). Der Landkreis Wal­deck-Frankenberg ist mit seinen Tieflagenvorkommen (unter 500 m üNN) im Bereich des Ostsauerländer Gebirgsrandes mit in der Unterschuchungskulisse.

In der Gemeinde Allendorf (Eder) wurde mit der praktischen Umsetzung der Hessischen Biodiversitätsstrategie bereits begonnen. Oliver Koch stellte das Arnika-Projekt der Gemeinde Allendorf (Eder) vor. Von einem kleinen Bestand im Naturschutzgebiet „Battenfelder Driescher“ wurden Samen im gemeindeeigenen Gebiet „Im Kippengrund“ ausgebracht. Hier hatte die Freie Evangelische Gemeinde Allendorf (Eder) bei mehrfachen Arbeitseinsatz bereits damit begonnen, den starken Gehölzbewuchs auf der Fläche zurückzudrängen und somit der Heidevegetation wieder einen Lebensraum zu bieten. Politische und Freie Evangelische Gemeinde Allendorf (Eder) haben gemeinsam die Patenschaft für die Arnika übernommen. Eine Voraussetzung zur Erhaltung des Heidestandortes ist auch die Beweidung der Flächen mit Schafen und Ziegen, die Schäfer Gerhard Schmitt aus Battenfeld bereits über Jahre durchgeführt hat.

Referent Ralf Enderlein stellte schließlich noch „30 Jahre Naturschutzmanagement im Raum Korbach“ in Form von Konzeptionen und Maßnahmen vor, darunter der Ausbau des Goldhäuser Teichs, das Magerrasenprojekt in der Marbeck und die Sicherung der alten Badeanstalt als flächenhaftes Naturdenkmal. Als Ergebnis hielt Enderlein fest, dass es schwierig, aufwendig und langwierig sei, Erfolge im Naturschutz zu erzielen. Gründe, die zur Artenverarmung führten, seien nach wie vor präsent, eine gute Zu­sammenarbeit zwischen Behörden und privat Engagierten sei unbedingt erforderlich.

Erster Kreisbeigeordneter und Naturschutz- sowie Landwirtschaftsdezernent Jens Deutschendorf(Grüne) betonte zum Abschluss der Veranstatung, dass der Landkreis die ehrenamtlichen Aktivitäten zur Erhaltung der Biodiversität nach Kräften unterstützen werde. Mit dem gemeinsamen Projekt der Natur­schutzverbände und den mittlerweile eingegangenen Patenschaften wie beim Arnika­projekt ließen sich die gesteckten Ziele gemeinsam erreichen, so Deutschendorf. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und werben dafür, die Ziele zur Er­haltung der Vielfalt des Lebens in gemeinschaftlichen Aktionen umzusetzen.“ Der Landkreis werde sich voraussichtlich als nächstes der nationalen Verantwor­tungsart Breitblättriges Knabenkraut, einer heimischen Wildorchidee, widmen.

Hintergrund
Das Land Hessen hat die Hessische Biodiversitätsstrategie am 3. Juni 2013 im Ka­binett verabschiedet. Ziele sind: Stabilisierung und Erhalt der biologischen Vielfalt in Hessen und somit Erhalt natürlicher Ressourcen. Die Umsetzung ist bis 2020 mit jährlichem Bericht über die Maßnahmen vorgesehen. Inhaltlich gliedert sich die Hessische Biodiversitätsstrategie in 10 strategische Ziele und Maßnahmen:
I. Natura 2000*
II. Hessenarten
III. Erhaltung der essentiellen Ökosystemleistungen*
IV. Beitrag der Landwirtschaft*
V. Beitrag der Forstwirtschaft*
VI. Gewässer*
VII. Invasive Arten*
VIII. Monitoring
IX. Einbindung von Ehrenamt und Wissenschaft
X. Wertschätzung der Bürger

* Orientierung an EU-Biodiversitätsstrategie 2020

Die dem Landkreis Waldeck-Frankenberg zugewiesenen ( von den Fachdienststellen und den Naturschutzverbänden im Auftrag des Ministeriums) Hessenarten sind der beigefügten Tabelle zu entnehmen.

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