Service Civil International (SCI) Workcamp mit 14 Teilnehmern in Wewelsburg: Geschichte hören, sehen und ausgraben
Büren (krpb/nh). Wie zerbrechlich Frieden ist, zeigen die aktuellen Weltgeschehnisse. Daran zu erinnern, was einmal im eigenen Land geschah, kann helfen, ihn zu sichern. 14 Teilnehmer aus acht Nationen zwischen 18 und 60 Jahren gruben in den vergangenen Tagen mit Spitzhacke und Schaufel im Wewelsburger Wald bei Büren Geschichte aus: Sie halfen mit, einen ehemaligen Schießstand der Nationalsozialisten freizulegen.
Im Herbst 1933 hatte Heinrich Himmler erstmals die Wewelsburg besucht. Mit fatalen Folgen: Er zeigte sich fasziniert von dem imposanten Bau hoch über dem Almetal. Der „Reichsführer“ der Schutzstaffel (SS) glaubte, den perfekten Ort für seine Pläne gefunden zu haben. Das Schloss sollte zu einem ideologischen Zentrum umgebaut werden und als Versammlungsstätte für die „Elite“ der SS dienen. Für den Bau brauchte er Arbeitskräfte. Deshalb ließ er in unmittelbarer Nähe ein Konzentrationslager einrichten. Rund 3900 Menschen waren im KZ Niederhagen-Wewelsburg inhaftiert und unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen sowie Willkür und Misshandlungen ausgesetzt. Mindestens 1285 von ihnen starben. Neben dem ehemaligen KZ-Gelände, der Burg und anderen Gebäuden ist dort auch ein Schießstand zu finden. Hier fanden neben Schießübungen der SS auch Hinrichtungen durch die Gestapo statt. Nach dem Krieg wurde der Schießstand zerstört. Durch Auffüllen mit Müll und Schutt sowie Anpflanzen von Bäumen sollte er in Vergessenheit geraten, im wahrsten Sinne des Wortes Gras über die Sache wachsen.
Die Idee, diesen 130 Meter langen und 15 Meter breiten Schießstand freizulegen und damit einen Ort des Terrors sichtbar zu machen, hatte Norbert Ellermann vor elf Jahren. „Seitdem graben wir Stück für Stück Geschichte aus“, sagt er. Ellermann ist Gedenkstättenpädagoge des Kreismuseums Wewelsburg. Er zeigt sich begeistert von den Teilnehmern des Service Civil International (SCI) Workcamps, die auf eigene Kosten aus Deutschland, Irland, Spanien, Tschechien, Serbien, Ukraine, Kirgistan und Taiwan anreisten, „vom Atlantik bis zum Pazifik“, wie er sagt, um 16 Tage lang mit anzupacken.
„Geschichte sehen, hören und ausgraben“, lautete das Thema der internationalen Arbeitsgemeinschaft auf Zeit. Catherine Griffin ist mit ihren 60 Jahren die älteste Teilnehmerin. Die Irin ist das erste Mal in Deutschland. Sie findet es „toll, sich auch mit Menschen aus anderen Nationen auszutauschen, zu erfahren, was sie denken, was sie bewegt. Zusammen Geschichte aufzuarbeiten“, so Griffin. Letztlich gehe es darum, „Geschichte aus der Vergessenheit zu holen und zu bewahren. Das ist angewandte Gedenkstättenarbeit“, bekräftigt Ellermann. Ronja Heukelbach vom Kreismuseum Wewelsburg betont das Miteinander unterschiedlicher Kulturen, das im Camp wie selbstverständlich gelinge. Ein Rahmenprogramm mit Ausflügen diene dazu, Land und Leute kennenzulernen. Menschen unterschiedlicher Nationalität an so einem Ort zusammenzuführen, sei „Völkerverständigung pur“. Und mit jeder Schaufel Erde werde Geschichte bewahrt und damit Lernen für die Zukunft ermöglicht.
Die Teilnehmer übernachteten in Zelten an der Wewelsburg. Ihre harte Arbeit hat sich gelohnt: „Wir haben wieder viele Fundstücke zu Tage gebracht, darunter Flaschen, Spielzeug, Patronenhülsen und sogar Sohlen von Soldatenschuhen“, sagt Ellermann. Allein fünf Bauschuttcontainer konnten in den vergangenen 16 Tagen gefüllt werden. Die vor 2009 gefundenen Gegenstände wie Helme, Gewehre oder auch Porzellan werden zum Teil in der Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg gezeigt. Die neuen Funde kommen erst einmal ins Magazin, um gesäubert und identifiziert zu werden. Für Ellermann geht die Arbeit weiter. „Das ist spannend und jeden Tag gibt es neue Erkenntnisse“, sagt er.
Mehr Infos im Internet: www.wewelsburg.de