Heimische Kliniken stellen ihre Zusammenarbeit vor
Frankenberg(pm). Wie lässt sich die Versorgung von Herzpatientinnen und -patienten im ländlichen Raum verlässlich sichern – heute und in Zukunft? Dieser Frage widmete sich die Veranstaltung „Ihr Herz im Fokus“, zu der Yaseen Omar, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme des Kreiskrankenhauses Frankenberg, ins Philipp-Soldan-Forum eingeladen hatte. Im Mittelpunkt der gut besuchten Veranstaltung standen Vorträge kardiologischer Expertinnen und Experten aus Frankenberg, Korbach und Marburg sowie ein Impulsvortrag aus dem Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege. Dessen Fokus lag auf strukturierter Zusammenarbeit, medizinischer Qualität und sektorenübergreifender Versorgung. Margarete Janson, Geschäftsführerin des Kreiskrankenhauses Frankenberg, betonte in ihrer Begrüßung: „Wir stellen heute unser starkes medizinisches Netzwerk im kardiologischen Bereich vor. Unser Anspruch: gemeinsam mit unseren Partnern eine bestmögliche Versorgung sicherstellen – über alle Versorgungsstrukturen hinweg. Diese Vernetzung braucht es nicht nur auf medizinischer, sondern ebenso auf organisatorischer und politischer Ebene. Das ist ein klares Bekenntnis zur wohnortnahen Versorgung.“ Dr. Silvia Heinis, kaufmännische Geschäftsführerin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg am Standort Marburg, hob hervor: „Diese Veranstaltung bringt Patienten, Ärzte und Kliniken in direkte Kommunikation.“ Zur Zusammenarbeit sagte sie: „Im Idealfall bemerken Patientinnen und Patienten den Übergang zwischen den Kliniken nicht – weil im Hintergrund alles reibungslos ineinandergreift.“ Für die Zukunft der Krankenhauslandschaft sehe sie Hessen gut aufgestellt. Die Landesregierung plane auf Basis bestehender Angebote und berücksichtige dabei gezielt die notwendigen Versorgungsstrukturen.
Auch der Aufsichtsratsvorsitzende des Kreiskrankenhauses Frankenberg, Landrat Jürgen van der Horst, begrüßte den Weg der aktiven Planung: „Hessen wartet nicht ab!“ Er übergab an Ministerialdirigent Stefan Sydow, Leiter der Abteilung Gesundheit im Hessischen Ministerium. In seinem Impulsvortrag erläuterte Sydow die Zielsetzung der hessischen Planung: Neben den vorgegebenen und zu beachtenden Qualitätskriterien des Bundes besteht für die Länder die Möglichkeit, ergänzende Auswahlkriterien anzuwenden. Hessen werde hiervon Gebrauch machen, um regionale Besonderheiten in Entscheidungsprozessen gebührend berücksichtigen zu können. Gesundheitliche Versorgung muss dabei sektorenübergreifend und standortübergreifend gedacht werden. Hierbei könnten Krankenhausverbünde von Vorteil sein, um qualitativ hochwertige Versorgung flächendeckend sicherzustellen. Ziel der Krankenhausreform des Bundes sei außerdem eine dauerhaft wirtschaftlich tragfähige Krankenhauslandschaft. Ein besonderes Anliegen war ihm die Notfallversorgung. Die zunehmende Beanspruchung der Rettungsdienste durch
Bagatellfälle schränke deren Verfügbarkeit für lebensbedrohliche Notfälle ein. Daher müsse auch die Patientensteuerung Berücksichtigung finden. Zudem müsse die Pflege mitgedacht werden: Es fehle derzeit an Kurzzeitpflegeplätzen – eine Voraussetzung dafür, dass vor ältere Patientinnen und Patienten nach der Akutversorgung in Sicherheit entlassen werden können. Deshalb
fördert das Hessische Gesundheitsministerium bspw. innovative Modellprojekte in Kurzzeit- und Tagespflegeeinrichtungen.
Sydow betonte: „Die ländliche Region hier zeigt beispielhaft, wie übergreifende Zusammenarbeit gelingen kann. Der Wandel ist notwendig – und bietet die Chance, aus Bewährtem noch Besseres zu machen.“ Eine Aufgabe der Landesregierung sei es vor dem Hintergrund der weltweiten Krisen zudem, ein resilientes Gesundheitssystem zu schaffen. Während der Corona- Pandemie habe sich in Hessen die Planungsstruktur über die sechs Versorgungsregionen hinweg bewährt: Kein Patient musste in ein anderes Bundesland verlegt werden, hessische Kliniken konnten sogar Patientinnen und Patienten aus anderen Regionen aufnehmen, da wir einen hervorragenden Lageüberblick hatten. Darauf bauen wir auch im Rahmender Reform auf.“
Im Anschluss stellten Yaseen Omar (Frankenberg), Sergei Korboukov (Korbach) und Prof. Dr. Bernhard Schieffer (Marburg) ihre jeweiligen Aufgaben bei der Versorgung kardiologischer Notfälle vor – mit Fokus auf die enge Zusammenarbeit. Omar zeigte, wie das Kreiskrankenhaus als Klinik der Notfallstufe 1 zur Erstdiagnostik und Stabilisierung beiträgt: „Wir diagnostizieren sämtliche kardiologischen Krankheitsbilder. Durch die enge Kooperation mit Marburg und Korbach gewährleisten wir, dass Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt innerhalb von 60 Minuten eine Herzkatheterbehandlung erhalten. Wir sind ein verlässlicher Teil eines leistungsfähigen Netzwerks mit Partnern auf Augenhöhe.“
Serguei Korboukov, Chefarzt Kardiologie Stadtkrankenhaus Korbach beschrieb die Versorgung auf Stufe 2 im Stadtkrankenhaus Korbach: Dort arbeiten fünf Kardiologen rund um die Uhr im Herzkatheterlabor und auf Überwachungsplätzen. Zusätzlich wird eine ambulante kardiologische Sprechstunde im MVZ angeboten – eine wichtige Brücke zur wohnortnahen Nachsorge. Für größere Eingriffe besteht eine enge Kooperation mit dem Klinikum Kassel und der Universitätsmedizin Marburg. „Kooperationen müssen gelebt werden, unbürokratisch sein – und vor allem auf Vertrauen beruhen“, sagte Korboukov. Er illustrierte das mit einem Beispiel: „Ich habe Prof. Schieffer schon einmal aus der Dusche geholt, um mit ihm über einen Patienten zu sprechen. Diese Entscheidung hat einem Menschen das Leben gerettet.“ Prof. Dr. Schieffer knüpfte daran an: „Kooperationen gibt es viele. Entscheidend ist, dass Menschen sie mit Herzblut ausfüllen.“ Die Zusammenarbeit mit Frankenberg und Korbach funktioniere ausgezeichnet –in beide Richtungen. So würden nicht nur Patientinnen und Patienten nach Marburg verlegt, sondern auch zur Rehabilitation etwa in die Geriatrie nach Frankenberg zurückgeführt. „Die Kliniken brauchen einander.“ Schieffer wagte auch einen Ausblick: Mit personalisierter Medizin und KI stehe die moderne Medizin am Scheideweg. Als größte Herausforderung nannte auch er die Sicherstellung eines funktionierenden Rettungsdienstes – denn: „Im Herzinfarkt zählt nicht nur die Distanz, sondern ob ein Rettungswagen verfügbar ist.“ In der anschließenden Diskussion stellte Schieffer klar: Auch die modernste Medizin könne nicht alles – etwa tödliche Verläufe bei Lungenembolien seien selbst bei kurzen Transportwegen nicht immer zu verhindern. Heinis ergänzte: Die Versorgung nach Kreislaufstillstand befinde sich hierzulande auf einem weltweit führenden Niveau. Das sei nicht allein dem medizinischen System zu verdanken, sondern auch dem schnellen Eingreifen von Mitmenschen. „Ob Laie oder geschulter Ersthelfer – die sofortige Herzdruckmassage macht den Unterschied.“ Der gemeinsame Appell lautete: „Drücken, Drücken, Drücken.“
Mobile Herz-Kreislauf-Unterstützung
Ein praktisches Beispiel für hochspezialisierte Hilfe in der Fläche war die Vorstellung des ECMO-Mobil aus Marburg, das im Anschluss von den Besuchern dicht umlagert wurde: Das Fahrzeug hat eine mobile Herz-Lungen-Maschine an Bord und kann angefordert werden, wenn ein Patient mit Kreislaufversagen verlegt werden soll. Ein erfahrenes Team aus einem Notfallsanitäter, einem Kardiologen und einem Anästhesisten aus dem Universitätsklinikum schließt den Patienten im jeweiligen Krankenhaus an die ECMO an und begleitet ihn dann in einem Intensiv-Rettungswagen nach Marburg. Zehn bis zwanzig solcher Einsätze absolviert das ECMO-Team jährlich. Sie sind jedoch wesentlich öfter telefonisch gefragt, wenn Kollegen aus umliegenden Häusern über das weitere Vorgehen bei Patienten in kritischen Situationen mit ihnen sprechen möchten.
Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll: Eine moderne kardiologische Versorgung im ländlichen Raum gelingt, wenn Strukturen abgestimmt, Abläufe standardisiert und Partner verlässlich sind. Die Zusammenarbeit zwischen Frankenberg, Korbach und Marburg ist ein tragfähiges Modell – mit einem klaren Ziel: Menschen vor Ort bestmöglich zu versorgen.