Gedenkstunde zur Pogromnacht und Volkstrauertag
Bad Wildungen(pm). Auch in diesem Jahr findet am Donnerstag, 9. November um 16.00 Uhr auf dem Postplatz in Bad Wildungen eine zentrale Gedenkstunde zur Pogromnacht 1938 statt. Gemeinsam erinnern die Stadt sowie die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden an das traurige Schicksal der Bad Wildunger Juden vor 85 Jahren. Zahlreiche Geschäfte sowie die Synagoge waren in jener Nacht von den Nationalsozialisten verwüstet und in Brand gesteckt worden, etliche Frauen und Männer erlebten brutale Gewalt und kamen willkürlich in „Schutzhaft“. Bis zum Jahresende 1939 waren alle jüdischen Familien unter der Leitung des berüchtigten Bürgermeisters Rudolf Sempf aus der Kurstadt „entfernt“ worden. Man deportierte sie in Konzentrationslager, um sie dort unter menschenunwürdigen Verhältnissen bis zum Tode zu foltern. Nur wenige hatten diese Hölle überlebt. Unter den Rednern der Gedenkstunde wird auch Richard Oppenheimer sein, der zu den Gedenkveranstaltungen aus den USA anreist. Er ist Nachfahre der Bad Wildunger Familie Mannheimer, die bis auf die Mutter und Großmutter im Ghetto Riga von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Zusammen mit Eva Flörsheim, in Norwegen lebende Nachfahrin der vertriebenen Familie Flörsheim, Fotograf Alfred Hucke und Heimatforscher Johannes Grötecke hat Richard Oppenheimer ein Buch über den bisher kaum erforschten jüdischen Friedhof erarbeitet. Dieses wird vor der zentralen Gedenkstunde am 9. November um 14:30 Uhr in der Stadtbücherei präsentiert.
Nach der Gedenkstunde stehen die Buchautoren für eine offene Gesprächsrunde ab 17:30 Uhr im Stadtmuseum zur Verfügung. Der Volkstrauertag wird in diesem Jahr am Sonntag, 19. November begangen. Zunächst findet um 10:00 Uhr ein zentraler ökumenischer Gottesdienst unter Mitwirkung der Ense-Schule und des Gustav-Stresemann-Gymnasiums in der St.-Liborius-Kirche statt. Anschließend werden ab circa 11:15 Uhr von den Bad Wildunger Vereinen und Institutionen an den Kriegerdenkmälern in Reitzenhagen, Altwildungen, am Hochkreuz und am Waldhausteich Kränze für die Opfer von Gewalt und Kriegen niedergelegt.
Der jüdische Friedhof und Langemarck
Zwei Neuerscheinungen ergänzen wichtige Gedenkarbeit in Bad Wildungen Am 9. November um 14:30 Uhr präsentieren Richard Oppenheimer, Eva Flörsheim, Alfred
Hucke und Johannes Grötecke in der Stadtbücherei ihr gemeinsam erarbeitetes Buch über den jüdischen Friedhof in Bad Wildungen. Bislang war kaum etwas über den „guten Ort am Weinberg“ bekannt. So fassten die Autoren den Entschluss, alle Grabsteine zu dokumentieren, ihre Inschriften zu übersetzen und in diesem Zuge die Familiengeschichte der Verstorbenen aufzuarbeiten. Entstanden ist ein 285 Seiten umfassendes Buch, das die Geschichte des jüdischen Friedhofes in anschaulicher Weise ergründet. Das älteste Grab, das sich an diesem Ort finden lässt, stammt aus dem Jahr 1806. Mit ihrer gründlichen Bestandsaufnahme des über 200 Jahre alten Friedhofes leisten Oppenheimer, Flörsheim, Hucke und Grötecke einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bad Wildungen. Mit ihrem Werk eröffnen sie ebenso einen neuen wichtigen Aspekt der Stadtgeschichte, der bisher im Verborgenen lag. Ein Kapitel ist den pädagogischen Möglichkeiten dieses außerschulischen Lernortes gewidmet. So hat Johannes Grötecke mit seiner Schulklasse aus Korbach Unterricht auf dem jüdischen Friedhof gemacht und die Ergebnisse hierzu festgehalten.
Nach der Buchpräsentation findet um 16.00 Uhr die zentrale Gedenkstunde auf dem Postplatz in Bad Wildungen statt. Anschließend laden die Buchautoren ab 17:30 Uhr zu einer offenen Gesprächsrunde in das Stadtmuseum ein. Das Buch „Der gute Ort am Weinberg. Der jüdische Friedhof in Bad Wildungen“ wird vom Waldeckischen Geschichtsverein herausgegeben. Es kostet 20 Euro und ist sowohl im Buchland als auch in der Wandelhalle Bad Wildungen ab sofort erhältlich.
Am Freitag, 10. November jährt sich „Langemarck“ zum 109. Mal. Wer bisher gedacht hat, dass sich hinter dem Namen der Langemarckstraße eine Person verbirgt, liegt falsch: So ist Langemark ein Schlachtenort des Ersten Weltkrieges in Belgien, Stätte eines großen deutschen Soldatenfriedhofes von 1932 und Ursprung eines einst mächtigen Schlachtenmythos von 1914, der in der Weimarer Republik unter Studenten aufgebaut und anschließend von den Nationalsozialisten zur staatlichen Kriegserziehung der Jugend eingesetzt wurde. Der gemeinsamen Initiative der belgischen Gemeinde Langemark-Poelkapelle, des In Flanders Field Museum in Ypern und der Universität von Kent ist es zu verdanken, dass die Geschichte der Langemarckstraße in Bad Wildungen nun von Kulturamtsleiterin Lisa Beutler aufgearbeitet wurde. Auf 48 Seiten widmet sie sich zunächst den wesentlichen Fakten zur Entstehung, Verankerung und Weiterentwicklung des Mythos Langemarck, bevor sie den Spuren der Bad Wildunger Langemarckstraße von 1920 bis zur Gegenwart folgt. Mit dieser Publikation leistet die Stadt Bad Wildungen einen wichtigen Beitrag zur Erforschung ihrer Geschichte. Gleichzeitig setzt sie ein deutliches Zeichen für den Frieden. Am 10. November um 14:30 Uhr wird die Publikation mit dem Titel „Langemarck – Ein Vermächtnis?“ von Lisa Beutler am Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges am Waldhausteich, oberhalb ehem. Hotel Parkhöhe, präsentiert. Anschließend enthüllt Bürgermeister Ralf Gutheil bei einem Spaziergang durch die Langemarckstraße die zwei neuen Zusatzschilder, die künftig über die Hintergründe des Straßennamens aufklären. Die Publikation „Langemarck – Ein Vermächtnis?“ wird vom Magistrat der Stadt Bad Wildungen herausgegeben. Sie kostet 12,90 Euro und ist sowohl im Stadtmuseum, in der Wandelhalle Bad Wildungen und bei Buchland ab dem 10. November erhältlich.