Bad Wildungen/Frankenau(pm). Am 14. September erhielten erstmals 24 Betriebe ihre Urkunde für ihre nach „Reisen für Alle“ zertifizierten Angebote. Die Verleihung fand im Rahmen des 3. Regionalmeetings der Modellregion Nationalpark Kellerwald-Edersee in der Kellerwaldhalle der Nationalparkstadt Frankenau statt. Wie erlebt man werdende Wildnis, wenn man eine Mobilitäts- oder Sinnesbeeinträchtigung hat? Welche barrierefreien Angebote gibt es bereits in den Nationalpark-Einrichtungen, im Schutzgebiet und in der Region? Welche gilt es darüber hinaus zu entwickeln, welche weiteren Kooperationspartner noch zu finden? Und vor allem: wie können diese so vermarket werden, dass Urlauberinnen, Gastgeberinnen als auch Einheimische gleichermaßen von diesen Angeboten wissen?
Diesen und weiteren Fragen gingen die rund 30 Teilnehmenden beim 3. Regionalmeeting nach, das mit entsprechendem Hygienekonzept und ausreichend Abstand untereinander in Präsenz möglich war. Da die vorangegangenen Veranstaltungen pandemiebedingt virtuell stattfanden, freuten sich alle Beteiligten sehr über den nun direkten und persönlichen Austausch. Umso schöner war, dass durch die Präsenzveranstaltung auch die ersten Urkunden von Jutta Seuring als stellvertretende Nationalpark-Leiterin überreicht werden konnten. Noch bis Ende Dezember dieses Jahres arbeiten der Nationalpark Kellerwald-Edersee, der Dachverband Nationale Naturlandschaften e.V. (NNL) sowie das Deutsche Seminar für Tourismus Berlin e.V. (DSFT) gemeinsam in einem Modellprojekt zum Thema „Barrierefreie Naturerlebnisangebote als Impulsgeber für den ländlichen Raum“. Im Rahmen des Projektes wurden 15 Betriebe vom DSFT mit dem Siegel „Reisen für Alle“ zertifiziert, neun weitere Zertifizierungen finanziert der Nationalpark, wobei eine zehnte angestrebt wird: Alle eigenen Bildungs- und Informationseinrichtungen inkl. Gastronomie sowie zwei Wanderwege im Schutzgebiet, aber auch Nationalpark-Partnerbetriebe aus dem Bereich der Beherbergung sowie der Freizeitgestaltung und Tourist-Infos sind nun nach „Reisen für Alle“ erhoben.
Hintergrund:
Um das Thema Barrierefreiheit in der Region zu festigen, hatten sich die Teilnehmenden an insgesamt drei Regionalmeetings das Ziel gesetzt, das bereits bestehende Netzwerk zu stärken, auszubauen und weiterzuentwickeln sowie konkrete Angebotsbündel in einer vollständigen Servicekette für Gäste und Einheimische zu etablieren. Barrierefreiheit bedeutet Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Gäste die Natur in der Region mit allen Sinnen erleben können. Barrierefreiheit bedeutet einen freien Zugang zu Informationen, Einrichtungen und Angeboten für jeden Menschen ohne fremde Hilfe zu ermöglichen. Blinde Personen freuen sich über akustische Informationen, Rollstuhlfahrer über ebene Wege, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen über Beschreibungen in Leichter Sprache oder Piktogramme als Beschilderung. Aber alle noch so attraktiven Angebote nützen nichts, wenn sie lediglich als isolierter Baustein bestehen. Daher ist nicht nur eine geschlossene Servicekette wichtig, sondern vor allem die Vernetzung zahlreicher und verschiedener Akteure vor Ort.
Dies ist den Teilnehmenden an den drei Regionalmeetings eindeutig gelungen. Die Gruppe derer, denen die Barrierefreiheit in der Region am Herzen liegt und die sich in diesem Bereich engagieren, war mannigfaltig aufgestellt. Neben den Projektpartnern waren Naturpark, Landkreis, Nationalpark-Gemeinden und -Städte, der Nordhessische Verkehrsverbund (NVV) und die Energie Waldeck-Frankenberg GmbH (EWF) dabei. Ebenso brachten sich zahlreiche Nationalpark-Partnerbetriebe, der Verein Aktion für behinderte Menschen Waldeck–Frankenberg e.V. sowie am Thema interessierte Bürger*innen ein.
Es fand bei allen Treffen ein reger und konstruktiver Austausch zwischen allen Beteiligten statt: die angedachten Angebotsbündel wurden auf ihre Praxistauglichkeit geprüft, neue Ideen entworfen, Kontakte untereinander geknüpft sowie eine Zusammenarbeit bei konkreten Projekten zur Umsetzung der Ideen vereinbart.
Zum Modellprojekt:
Bis Ende des Jahres arbeiten vier Modellregionen, der Dachverband Nationale Naturlandschaften e.V. sowie das Deutsche Seminar für Tourismus Berlin e.V. (DSFT) in einem Modellprojekt, das mit Mitteln aus dem Bundesprogramm Ländliche Entwicklung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft finanziert wird. Es soll dazu dienen, aus bisher bestehenden Einzelangeboten attraktive Inspirationsbündel zum Thema „Barrierefreie Naturerlebnisangebote als Impulsgeber für den ländlichen Raum“ für jeweiligen Schutzgebiete und deren Region zu entwickeln.
Vier Modellregionen sind im Projekt aktiv: die Nationalparkregionen „Kellerwald-Edersee“ und „Hunsrück-Hochwald“ sowie die Biosphärenreservate „Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft“ und „Flusslandschaft Elbe – Brandenburg“. Das DSFT ist Betreiber des bundesweit einheitlichen Kennzeichnungssystems „Reisen für Alle“ (RfA). Mit Hilfe dieses Systems können alle Menschen, darunter auch Senioren, Menschen mit Beeinträchtigungen, Familien mit Kinderwagen und Gäste mit schwerem Gepäck, verlässliche Informationen über touristische Angebote erhalten. Betriebe entlang der gesamten touristischen Servicekette werden nach deutschlandweit einheitlichen Kriterien erfasst, bewertet und zertifiziert. Hilfreich ist eine solche Erhebung in jedem Fall, egal in welchem Grad eine barrierefreie Ausstattung bereits gegeben ist, denn mit dem System „Reisen für Alle“ erhalten Anbieter wertvolle Hinweise für individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zu barrierefreien Angeboten.
Barrierefreiheit: ist für etwa 10 % der Bevölkerung zwingend erforderlich, für etwa 30 bis 40 % notwendig und für 100 % komfortabel.