Hessen braucht mehr natürliche Fließgewässer

NABU zieht Bilanz der Hessischen Biodiversitätsstrategie
Wetzlar(pm). Um die Artenvielfalt in Hessen zu bewahren, hat die Landesregierung vor 7 Jahren die Hessische Biodiversitätsstrategie ins Leben gerufen. Im Rahmen des Programms sollten bis Ende 2020 große Verbesserungen beim Gewässerschutz erreicht werden. Der NABU Hessen hat nun eine Bilanz gezogen: „Trotz einiger guter Ansätze bleiben große Defizite. So wurde in Hessen bisher nur für 11 % der Fließgewässer ein ‚guter ökologischer Zustand‘ erreicht. Etwa 65 % aller Fließgewässer sind weiterhin als stark naturfern zu bezeichnen“, erklärt der NABU-Landesvorsitzende Gerhard Eppler. Auch die chemische Belastung habe eher zu- als abgenommen. „Die Gesamtphosphormenge liegt in 65 % der Gewässer noch immer über dem Zielwert. Auch bei der Grundwasser-Belastung durch Nitrat wurden keine Fortschritte erzielt“, erläutert der Biologe Eppler. Die weiterhin hohe Nitratbelastung sei größtenteils auf die intensive Landwirtschaft zurückzuführen. Es reiche nicht aus, fast nur auf Beratungsangebote für Landwirte zu setzen, um die Stickstoffeinträge zu verringern. Die Verbesserung der ökologischen Qualität von Fließgewässern sei nicht freiwillig, sondern eine Verpflichtung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Daher müssten auch bestehende gesetzliche Regelungen konsequent genutzt werden. Die NABU-Bilanz basiert auf einer Antwort des Landes auf eine Großen Landtagsanfrage der Fraktion „Die Linke“ vom 25. März 2021.

Als positiv hebt der NABU das Landesprogramm „100 wilde Bäche“ hervor, mit dem die Gewässerqualität von Fließgewässern verbessert werden soll. Auch das Vorkaufsrecht für Kommunen bei Uferflächen im Hessischen Wassergesetz sei ein Fortschritt. Das Land habe zudem in der Zeit von 2010 bis 2019 Gewässer-Renaturierungen in Höhe von 330 Mio. Euro gefördert. Darüber hinaus seien die Phosphat-Einträge aus Kläranlagen deutlich vermindert worden. „Ein Vergleich von renaturierten Flussabschnitten mit nicht umgestalteten zeigt, dass sich der Aufwand lohnt. In den naturnahen Abschnitten hat sich die Individuenzahl stark gefährdeter Arten nahezu verdoppelt“, freut sich Eppler.

NABU fordert Fünf-Punkte-Plan

Für die Landesregierung gibt es, so der NABU, aber noch viel zu tun. „Wir erwarten vom Land, beim Gewässerschutz einen prioritären Fünf-Punkte-Plan umzusetzen. Er besteht aus den Kernpunkten vollständige Renaturierung von Bachläufen, mehr Raum für Dynamik, umfassender Grundwasserschutz, Konsequenzen des Klimawandels und Wiedereinführung des Wasserentnahme-Entgelts“, umreißt Eppler das Aufgabenpaket.

Vollständige Renaturierung von Bachläufen

Die bisherige Praxis, nur Teilabschnitte von Bächen und Flüssen zu renaturieren, muss durch ein umfassendes Konzept einer vollständigen ökologischen Optimierung bis zu den Quellbereichen weiterentwickelt werden. Es reicht nicht aus, nur maximal 35 % des Gesamtlaufs eines Fließgewässers wieder naturnah zu gestalten.

Mehr Raum für Dynamik

Damit Bäche sich wieder dynamisch durch die Landschaft schlängeln können, müssen die Uferstreifen ins Eigentum der öffentlichen Hand und aus der Bewirtschaftung genommen werden. Nur so können hier Entwicklungsräume für die Artenvielfalt entstehen und der Eintrag von Pestiziden und Düngemitteln verringert werden. Es ist daher ein langjähriges Ankaufprogramm des Landes von Uferflächen nötig. Über das Wassergesetz muss dieser Entwicklungsstreifen und ein angrenzender Pufferstreifen mit strengen Bewirtschaftungsauflagen festgelegt werden.

Umfassender Grundwasserschutz

Um einen konsequenten Grundwasserschutz sicherzustellen, müssen wirkungsvolle Maßnahmen zur Verringerung der Stickstoffeinträge ergriffen werden. Dazu ist auch der ökologische Landbau weiter zu fördern. Für gefährdete oder bereits verunreinigte Grundwasserkörper sind Trinkwasser-Schutzgebiete ohne Trinkwassergewinnung auszuweisen und verbindliche Sanierungspläne vorzugeben, deren Maßnahmen an Fristen, einer optimierten Dokumentation und Überwachung gebunden sind. Neue Tiermast- und Biogasanlagen dürfen in diesen Gebieten weder errichtet noch mit Landesmitteln gefördert werden.

Konsequenzen des Klimawandels

Um die Folgen der Klimakrise für Bäche und Flüsse abzumildern, bedarf es eines ökologischen Hochwasserschutzes und einer Auenrenaturierung mit Retentionsflächen, die das Wasser in der Fläche zurückhalten. Schon in den Oberläufen muss der Wasserabfluss durch geeignete Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft gebremst werden. Darüber hinaus gilt es, Lebensräume stärker zu vernetzen und extensives Grünland zu erhalten. Es bedarf auch einer Beschattung auf mehr als 50 % der Fließstrecken durch Büsche und Bäume, um der Erwärmung des Wassers entgegenzuwirken. Damit Ufergehölze das leisten können, sind Gewässer-Entwicklungsstreifen auszuweisen.

Wiedereinführung des Wasserentnahme-Entgelts

Als wichtiges Finanzierungsinstrument für den Naturschutz muss die Landesregierung im Rahmen des Verursacherprinzips das Wasserentnahme-Entgelt wiedereinführen. Mit den Einnahmen sollen vor allem Uferflächen angekauft und optimiert werden.

Weitere Informationen zum Themenbereich Gewässerschutz finden sich auf der Webseite des NABU Hessen unter https://hessen.nabu.de/naturundlandschaft/naturschutz/hessischebiodiversitaetsstrategie/29761.html

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