Rebhuhn verschwindet auch in Hessen

NABU reicht EU-Beschwerde gegen Deutschland ein

Wetzlar(pm). Am heutigen Freitag reicht der Naturschutzbund Deutschland (NABU) eine offizielle Beschwerde gegen Deutschland bei der EU-Kommission ein. Es geht um den dramatisch schlechten Zustand des Rebhuhns, der in erster Linie auf die fehlgeleitete Agrarpolitik zurückzuführen ist. Seit 1980 ist das Rebhuhn deutschlandweit um 91 Prozent zurückgegangen. Nach Ansicht des NABU verstoßen Bund und Länder damit gegen die in der EU-Vogelschutzrichtlinie festgeschriebene Anforderung, einen guten Erhaltungszustand aller wildlebenden Vogelarten zu erreichen und dafür angemessene Maßnahmen zu treffen.

„Auch in Hessen haben die Bestände des Rebhuhns stark abgenommen. Es gibt insgesamt nur noch etwa 4.000 Reviere“, erklärt Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen. Noch bis in die 1970iger Jahre hinein betrug allein die jährliche Jagdstecke 20.000 bis 40.000 und manchmal sogar 100.000 Tiere. Das Schicksal des Rebhuhns sei ein besonders eindrückliches Beispiel für die miserable Umsetzung dieser EU-Verpflichtungen in Deutschland. „Wie bei vielen anderen Feldvogelarten und bei den Insekten raubt die durch Subventionen fehlgesteuerte Landwirtschaft der Art Lebensraum und Nahrung“, so Eppler. Unzählige wissenschaftliche Studien, Pilotprojekte und Vorschläge der letzten Jahre und Jahrzehnte hätten hier keine Veränderung der Agrarpolitik bewirkt. Der NABU verlangt nun rechtliche Schritte der Europäischen Kommission, damit die Regierungen von Bund und Ländern nicht mehr einfach wegsehen können. „Es ist bekannt und erprobt, wie man das Rebhuhn retten könnte“, betont der Biologe Eppler mit Verweis auf in der EU-Beschwerde ausführlich zitierte Studien. Es fehle allein am Umsetzungswillen.

Als eine wichtige Maßnahme fordert der NABU, dass mindestens zehn Prozent der hessischen Agrarlandschaft als Lebensraum für das Rebhuhn und die ländliche Artenvielfalt reserviert werden. Dies sollte künftig auch zu einer Grundbedingung für die Auszahlung von Flächenprämien an landwirtschaftliche Betriebe werden. Die im Oktober anstehenden Abstimmungen der Agrarminister und des Europaparlaments über die künftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bieten die Chance, dies EU-weit festlegen. Gelingt dies nicht, muss Deutschland nationale Regelungen erlassen, ansonsten droht ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Der NABU Hessen appelliert deshalb an Agrarministerin Priska Hinz, sich dafür einzusetzen, dass die Landwirtschaft nach dem Desaster im Düngerecht nicht sehenden Auges in ein weiteres Problem mit der EU-Justiz führt.

Das Rebhuhn ist ein typischer Feldvogel, der früher fast flächendeckend in allen Agrarlandschaften Hessen vorkam. Wichtig für das Überleben von Rebhühnern sind ungemähte und ungespritzte Flächen, in denen die Weibchen gut versteckt vor Räubern wie Füchsen brüten können, und insektenreiche Blühflächen, auf denen die pro Gelege bis zu 20 Küken ausreichend Nahrung finden. Solche Flächen werden immer seltener. Daher reicht der heutige Bruterfolg der Hühnervögel nicht mehr aus, um den Bestand zu erhalten. In Hessen kommt das Rebhuhn vor allem noch im Reinheimer Hügelland, in der Untermainebene, in der Rheinniederung, im Gießener/Marburger Lahntal, in der Wetterau, im Goldener Grund, im Amöneburger Becken, in der Niederhessischen Senke, im Fuldarer Becken sowie im Schwalmtal vor.

„Der Rückgang des Rebhuhns ist nicht nur ein Verlust für alle Menschen, die diesen Vogel nicht mehr erleben können, er ist vor allem ein Alarmsignal für das Fehlen von Insekten und Wildkräutern in der zu intensiv genutzten Agrarlandschaft. Hier ist der Naturhaushalt aus den Fugen geraten, denn Pestizide können vielleicht Schädlinge aufhalten, aber kein funktionierendes Ökosystem ersetzen“, so Maik Sommerhage, NABU-Fachexperte für Vogelschutz. Nach Einschätzung des NABU müsste es für einen guten Erhaltungszustand in Hessen wieder mindestens 5 bis 10 Brutpaare je 100 Hektar geben. Zwar setzt das Land bereits heute erste Schutzmaßnahmen für das Rebhuhn um. Um damit die Art zu retten, müsste dies aber auf einer mindestens zwanzigmal so großen Fläche wie bisher geschehen.