Neujahrsaufruf des Landrats

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

im nun zu Ende gehenden Jahr 2018 hatte ich so häufig wie selten zuvor das Gefühl, in zwei Welten zu leben. Auf der einen Seite ist das persönliche Umfeld, die Familie, der Freundeskreis, der Beruf und der Bereich, den wir Heimat nennen. Hier nehme ich eine positive Entwicklung wahr. Es ist uns vergönnt, in Frieden und Wohlstand zu leben, unsere Persönlichkeit zu entfalten, uns Freiräume zu schaffen. Auf der anderen Seite ist „ die Welt da draußen“, die immer unberechenbarer und unsicherer wird.
2018 jährte sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal und Menschen auf allen Kontinenten gedachten dieses Ereignisses. Deutsche und Franzosen, die einst als erbitterte Feinde im Zentrum blutiger Auseinandersetzungen gestanden haben, hielten an zahlreichen Orten gemeinsame Gedenkfeiern ab, an denen erfreulich viele junge Menschen teilnahmen.
Am Ende dieses ersten großen, industriell geführten Krieges machten vor allem die Siegermächte viele Fehler, so dass der Weg für radikale Kräfte bereitet wurde und in einen noch größeren Krieg, der an Grausamkeit alles bis dahin Vorstellbare bei weitem übertraf. Aber seitdem dürfen wir eine der längsten Friedensphasen in der Geschichte der Menschheit genießen, von der wir hoffen, dass sie niemals endet. Wir haben einen allgemeinen Wohlstand erreicht, wie es ihn noch nie gegeben hat und der uns in den Stand versetzt, bei uns und in der Welt denen helfen zu können, denen es nicht so gut geht.
Ich beobachte mit Sorge, dass viele Menschen dieses Geschenk nicht mehr zu würdigen wissen und leichtfertig, ja geradezu fahrlässig damit umgehen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass die Extremen, vor allem am rechten Rand, bei uns und in Europa mehr und mehr an Einfluss gewinnen, obwohl sie gerade das infrage stellen was die Grundlage für unser Leben darstellt. Die Rechtspopulisten hetzen gegen Europa, sie propagieren eine Politik der nationalen Abschottung und des Hasses gegen Fremde. Sie beschreiten den Weg zurück, den die Völker in Europa in den letzten sieben Jahrzehnten so erfolgreich eingeschlagen hatten.
Auch in der Weltpolitik gibt es kaum etwas, das einem Vertrauen und Zuversicht einflößen kann. Skrupellose Autokraten setzen auf wirtschaftlichen Protektionismus und kündigen alle gemeinsamen Ziele auf, auch die existenziell grundlegenden. Gut ist nur, was diesen Menschen persönlich, oder ihrem engen Umfeld nutzt. Eigennutz hat Vorrang vor Gemeinschaftssinn und Freundschaft. Man teilt die Welt nicht mehr miteinander, sondern man teilt sie untereinander auf.
Verstehen Sie mich richtig, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ich will hier nicht die Vision einer düsteren und trostlosen Zukunft skizzieren, sondern ich möchte aufrütteln. Noch können wir etwas ändern. Wir leben hier sehr gut in unserem kleinen Waldeck-Frankenberg, aber unsere Lebensumstände sind abhängig, von dem, was um uns herum in der Welt geschieht. Natürlich freue ich mich darüber, dass wir als Kreis immer mehr an wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit gewinnen, dass wir in unser Gemeinwesen investieren können. Ich freue mich, dass wir eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Hessen haben, dass junge Menschen sich dafür entscheiden, in unserem Landkreis zu leben und zu arbeiten. Ich bin stolz darauf, dass wir eine intakte technische, soziale und kulturelle Infrastruktur haben und ich werde nicht aufhören, weiterhin dafür zu arbeiten.
Gemeinsam mit den Menschen, die den Willen haben, über Parteigrenzen hinweg politisch zu gestalten und aufzubauen, gemeinsam mit der heimischen Wirtschaft und dem Handwerk, die die Basis unsere Wohlstands gelegt haben und gemeinsam mit allen fortschrittlichen gesellschaftlichen Kräften, denen daran liegt, eine Welt zu schaffen, in der auch künftige Generationen in Frieden und Wohlstand miteinander leben können.
Daher wünsche ich mir für das kommende Jahr, dass die Menschen sich wieder mehr umeinander kümmern, dass sie nachdenken, aufeinander zugehen und Respekt für den Anderen empfinden. Unsere Welt ist sicher nicht die beste aller Welten, aber sie kann jedem von uns genügend Raum zum Leben und zur Entfaltung bieten.
Ich wünsche Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, einen guten Start ins neue Jahr und hoffe, dass es für sie ein glückliches, zufriedenes und gesundes werden möge. Bleiben Sie wachsam, engagieren Sie sich und verlieren sie nicht den Mut. Noch können wir alles zum Besseren wenden, aber es ist höchste Zeit, damit anzufangen.

Ihr
Dr. Reinhard Kubat
-Landrat-

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