Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung:Landkreis startet Programm

„Gehen Sie zum Arzt - und nicht zum Alltag. “ Der Landkreis bietet im Kreiskrankenhaus in Frankenberg „medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung“ an. Das Programm stellten gestern (von links) Landrat Dr. Reinhard Kubat, Kreiskrankenhaus-Geschäftsführer Ralf Schulz, Fachärztin Kathrin Mika, Ärztlicher Direktor Dr. Volker Aßmann sowie Monika Lacher vom Runden Tisch „Gemeinsam gegen häusliche Gewalt“ und Beate Friedrich, Frauenbeauftragte des Landkreises, vor. Foto: Kreiskrankenhaus/nh

Kreiskrankenhaus Frankenberg ist Anlaufstelle für Betroffene

Frankenbergrr/nh). Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall. Im Kreiskrankenhaus Frankenberg erhalten Frauen vertraulich und unbürokratisch Hilfe.Diese reicht von der medizinischen Akutversorgung über die „Pille danach“ bis zur Sicherung von Spuren. „Das Programm hat in erster Linie zum Ziel, die medizinische Versorgung nach Sexualstraftaten im Landkreis Waldeck-Frankenberg zu verbessern und den schnelleren und besseren Zugang zu Hilfsangeboten nach einer Vergewaltigung sicherzustellen – und zwar unabhängig von einer Strafanzeige bei der Polizei“, sagt Landrat Dr. Reinhard Kubat.

 „Deshalb bin ich froh, dass mit diesem Programm die medizinische Soforthilfe in den Mittelpunkt gerückt wird, ohne die Frage der strafrechtlichen Verfolgung ganz außer Acht zu lassen.“Dass es sich dabei um ein niedrigschwelliges Angebot handelt, ist Landrat Dr. Reinhardt Kubat wichtig. Denn viele Frauen würden vor einer Anzeige zurückschrecken – und so auch nicht die nötige medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Die „medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“in Waldeck-Frankenberg ist eine Initiative des Landkreises, des Frauenbüros, des Kreiskrankenhauses Frankenberg und des Runden Tischs „Gemeinsam gegen häusliche Gewalt“ um Monika Lacher und Sigrid Engelhard. Das Angebotfür Traumatisierte beruht auf einem Antrag der Fraktion Die Linke, den im Sommer 2015 alle Fraktionen des Waldeck-Frankenberger Kreistags begrüßt hatten. Ursprünglich sollte eine Schutzambulanz für alle von Gewalt betroffenen Menschen eingerichtet werden. Die nun im Kreiskrankenhaus Frankenberg angebotene Hilfe fokussiert zunächst auf Frauen, denen sexuelle Gewalt angetan wurden. Fraktionsübergreifend hatte der Kreistag dieses Programm im Dezember 2015 auf den Weg gebracht. Das Konzept wurde von der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt entwickelt. Aufgrund der hohen Betroffenenzahl liegt der Fokus des Programms auf Mädchen und Frauen.

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„Eine Vergewaltigung bedeutet für Betroffene immer eine Ausnahmesituation und Krise“, sagt Beate Friedrich, Frauenbeauftragte des Landkreises. „ Mit der medizinischen Soforthilfe nach einer Vergewaltigung ist es gelungen, dass Betroffenen ein kompetentes Netzwerk im Landkreis Waldeck Frankenberg zur Verfügung steht.“ Damit seien gute Voraussetzungen geschaffen, Betroffene zu stärken und ein späteres Strafverfahren durch die hier gesicherten Spuren zu erleichtern. In Waldeck-Frankenberg wurden im vergangenen Jahr 24 Vergewaltigungen zur Anzeige gebracht, 2014 waren es sogar 44. „Erfahrungsgemäß werden nur etwa 20 Prozent der Vergewaltigungen angezeigt“, sagt Beate Friedrich und verweist auf die hohe Dunkelziffer. Ein Grund: „Schätzungsweise 90 Prozent der Vergewaltigungen geschehen im Familiären- oder Beziehungsumfeld.“ 

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An wen wenden sich Frauen, denen sexuelle Gewalt angetan wurde?

Wer Opfer einer Sexualstraftat geworden ist und eine Anzeige erstatten möchte, kann sich direkt an die Kriminalpolizei in Korbach wenden. Telefonischer Kontakt werktags von 7 Uhr 30 bis 16 Uhr: 05631 – 971 – 310 oder – 312. Außerhalb dieser Zeiten helfen die Beamten der vier Polizeidienststellen in Waldeck-Frankenberg weiter: in Korbach unter der Rufnummer 05631 – 971 – 0, in Frankenberg unter 06451 – 7203 – 0, in Bad Wildungen unter 05621 – 7090 – 0 und in Bad Arolsen unter 05391 – 9799 -0. Die Beamten nehmen die Anzeige auf und bringen Frauen zur medizinischen Versorgung und zur Spurensicherung in ein Krankenhaus. Wer (zunächst) keine Anzeige erstatten möchte, wendet sich an das Kreiskrankenhaus Frankenberg unterder Rufnummer 06451 – 55 – 0. Es gilt die ärztliche Schweigepflicht. Ohne Zustimmung der Traumatisierten werden von den Ärzten keine Informationen an die Polizei weitergegeben.

Welche Formen von Hilfe bietet das Kreiskrankenhaus an?

„Die Mitarbeiter des Kreiskrankenhauses treten den Betroffenen mit höchster Sensibilität und Vertraulichkeit entgegen. Häufig fällt es den Menschen nicht leicht, Hilfe zu suchen. Wir möchten die Hemmschwelle senken und mit diesem besonderen Angebot die Position der Traumatisierten stärken“, sagt Dr. Volker Aßmann, Ärztlicher Direktor des Kreiskrankenhauses Frankenberg. Bei Bedarf wird auch psychologische Hilfe durch die Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina organisiert. Das Kreiskrankenhaus stellt grundsätzlich die medizinische Akutversorgung von Frauen sicher, denen sexuelle Gewalt angetan wurde. Auch wenn keine sichtbaren Verletzungen vorliegen, sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Die Versorgung nach einer Vergewaltigung sollte möglichst zeitnah erfolgen. Die Betroffenen haben die Wahl, ob dort im Zuge ihrer Versorgung mögliche Spuren wie etwa DNA-Material gesichert werden oder nicht. Wenn bereits mehr als drei Tage seit der Tat vergangen sind, sollten sich Frauen an eine gynäkologische Praxis ihres Vertrauens wenden. Eine Spurensicherung ist dann erfahrungsgemäß meistens nicht mehr möglich, körperliche Veränderungen und Beschwerden können im Rahmen der ärztlichen Untersuchung jedoch dokumentiert werden.

Warum ist die Sicherung von Spuren nach einer Vergewaltigung wichtig?

Eine Dokumentation der Verletzungen macht die Angaben zum Geschehen überprüfbar. Dies kann für ein strafrechtliches (Anzeige), aber auch zivilrechtliches Vorgehen (Schadensersatz, Schmerzensgeld) von Bedeutung sein. In den ersten Stunden oder Tagen nach einer Vergewaltigung mag dies den Frauennicht bewusst sein. Mit einigen Tagen Abstand kann sich dies jedoch ändern. Eine nachträgliche Spurensicherung ist jedoch meistens nicht möglich. Eine medizinische Befundsicherung ist deshalb ratsam. So können Spuren und Verletzungen, die durch die Gewalttat verursacht wurden, sichergestellt werden. Das Wechseln der Kleidung, deren Reinigung und vor allem Duschen zerstört Spuren. Wenn es Opfern möglich ist, sollten sie vor der Untersuchung im Krankenhaus deshalb nicht duschen. 

Was geschieht mit den Spuren, die im Kreiskrankenhaus gesichert werden?

Das Kreiskrankenhaus übergibt die Spuren an das Institut für Rechtsmedizin zur Aufbewahrung. Dort wird das verpackte Material gelagert und erst im Fall einer Anzeigenerstattung an die Polizei übergeben. Die Aufbewahrungsfrist in der Gießener Rechtsmedizin beträgt derzeit ein Jahr. Nach Ablauf dieser Frist werden die Proben und Befunde vernichtet. Dies bedeutet, dass sich Betroffene binnen eines Jahres entscheiden müssen, ob die Befunde genutzt werden sollen. Wichtig: Unabhängig von dieser Fragen ist eine Anzeige einer Sexualstraftat bis zu 20 Jahre nach der Tat möglich. „So hat der Betroffene die Möglichkeit auch zu einem späteren Zeitpunkt rechtliche Schritte einzuleiten. Ob und wann diese eingeleitet werden, entscheidet die Person selbst.“, sagt Ralf Schulz, Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses Frankenberg. Mit dem Angebotwerde ein vereinfachter Zugang zu Hilfsangeboten geschaffen, „um die Versorgungssituation im Landkreis zu verbessern und die Möglichkeiten und Rechte der Betroffenen zu stärken.“ Wie sieht es mit der „Pille danach“ aus? Besteht aufgrund einer Vergewaltigung die Möglichkeit einer ungewollten Schwangerschaft, so können Frauen je nach Präparat bis zu 72 Stundennach dem Übergriff die „Pille danach“ nehmen. Je schneller sie nach einer Tat eingenommen wird, umso sicherer ist die Wirkung. Binnen der 72-Stunden-Frist erhalten Frauen in jeder Apotheke rezeptfrei die „Pille danach“. Frauen unter 20 Jahren erhalten die „Pille danach“ kostenlos gegen Vorlage eines Rezeptes. Frauen über 20 Jahren können über die Schwangerenberatungsstelle des Diakonischen Werks Waldeck-Frankenberg eine finanzielle Unterstützung beantragen. Termine können montags bis freitags von 11 Uhr bis 12 Uhr unter der Rufnummer 05631 – 913256 vereinbart werden.

Gibt es weitere Hilfsangebote im Landkreis?

Ja, und zwar über die Frauenberatungsstelle; per Telefon unter der Nummer 05631 -91689 und per E-Mail unter frauenberatungsstelle-wa-fkb@t-online.de. Die Frauenberatungsstelle informiert zu folgenden Themen: Wie kann ich mich schützen? Wie will ich weiter vorgehen? Wer kann mich unterstützen? Welche Rechte habe ich? Welche weiteren Hilfen gibt es? Die Frauenberatungsstelle beantwortet außerdem Fragen zum medizinischen oder befundsichernden Vorgehen und vermittelt Kontakt zu Fachpraxen. Weitere Informationen zur „medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung“ sind auch im Internet auf den Seiten www.krankenhaus-frankenberg.de ,  www.landkreis-waldeck-frankenberg.de   sowie unter www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de erhältlich.

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