Zu wem hat die Türkei noch ein gutes Verhältnis?

Referent Dr. Heinrich Heiter. Foto: Manfred Weider/nh

Frankenberg(Manfred Weider/nh).  Ein Staat hatte sich auf die Fahne geschrieben, Leitnation im Nahen Osten, im arabischen Raum zu werden, regulierend, Frieden schaffend dort zu agieren, die Türkei. Dem ging die die Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V., Sektion Waldeck-Frankenberg (GSP) unter dem Thema „Die Türkei – radikale Wende einer Regionalmacht“ nach. Als Referenten begrüßte der stellvertretende Sektionsleiter Manfred Weider vor einem gut gefüllten Saal in der Ederberglandhalle Dr. Heinrich Heiter, Politologe und freier Dozent.

 Dr. Heiter, Jahrgang 1946, studierte Politikwissenschaft in Berlin mit dem Schwerpunkt sowjetische Innen- und Außenpolitik absolviert. Im Jahre 1977, nach seiner Promotion, war er in der Erwachsenenbildung tätig. Sein Arbeitsgebiet lag im Bereich Internationale Politik. Von 1993 bis 2007 war er Leiter der Politischen Bildungsstätte Helmstedt. Neben einer intensiven Beschäftigung mit der Entwicklung des Nahen / Mittleren Ostens während der letzten 15 Jahre nutzte er die Möglichkeit zu mehreren Aufenthalten in Israel, im Gebiet der Westbank und des Golan sowie in Syrien, Jordanien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

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Zu Beginn machte Heiter sein Ziel deutlich: „Ich biete ihnen Informationen an, was sie daraus machen ist ihre Sache. Ich bin nicht hier, um ihnen ihre Meinung zu nehmen.“ Dies beschrieb auch die Zielsetzung der GSP: Veranstaltungen zur Sicherheitspolitik zur eigenen Meinungsbildung anzubieten. Mit den wichtigsten Daten zur Türkei begann er seine Ausführungen. 18 Millionen Einwohner, 78% Sunniten, 16 % Aleviten, 19 % Kurden. Drei Prozent leben im europäischen Teil, alle anderen in Kleinasien. Das land ist 2,3 fach größer als Deutschland. Es ist NATO-Mitglied mit wachsender Bedeutung im arabischen Raum. Dann ging er auf die türkischen Verhältnisse ein. In den ersten Amtszeiten hatte Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Türkei in vielen Bereichen modernisiert, reformiert, wirtschaftlichen Erfolg gebracht. Mit den Kurden hat er ein Abkommen zum friedlichen Miteinander abgeschlossen. Seit geraumer Zeit wird der Weg des Präsidenten von vielen sehr kritisch gesehen. Bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 verlor die Regierungspartei AKP mit 40,9 % ihre absolute Mehrheit, die kurdenfreundliche HDP überschritt mit 13,1 % die 10% Klausel, erreichte einen nicht erwarteten Erfolg. Damit war der Erfolg für die Einführung eines Präsidialsystem nicht mehr garantiert. Dies war der Grund warum bereits im November 2015 Neuwahlen durchgeführt wurden. Hier erreichte die AKP ein besseres Ergebnis aber keine absolute Mehrheit. Die Medienlandschaft in der Türkei wird immer stärker gleichgeschaltet. Oppositionelle Medienhäuser werden geschlossen oder das Personal wird komplett gegen staatstreues ausgewechselt. Der Rücktritt des Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu und Einsetzung von Binali Yildirim als Erdogan-Vertrauter wird von vielen sehr kritisch gesehen. Viele Beobachter sehen in all dem, dass dies auf die Aushöhlung demokratischer Strukturen hinausläuft.

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Als erstes der Konfliktfelder, die die Türkei teils selbst verschuldet hat, nannte er den Islamischen Staat (IS). Die Türkei hat den IS zu Beginn unterstützt. Es wurde freier Durchgang gewährt, IS-Kämpfer wurden in der Türkei medizinisch versorgt, die Türkei kaufte dem IS Öl ab, zählte Heiter unter anderem auf. Ein Grund hierfür nannte der Referent die Urangst der Türken: ein eigener kurdischen Staat, kurdische Autonomie. Dies muss unter allen Umständen verhindert werden. Inzwischen wird der IS von der Türkei bekämpft. Den Kurdenkonflikt, der auch Syrien, Irak und Iran betrifft, erläuterte Dr. Heiter sehr anschaulich an Karten. Das ehemals gute Verhältnis Russland – Türkei ist seit dem Abschuss eines russischen Flugzeugs durch die Türkei zerstört. Dies schadet beiden Ländern vor allem wirtschaftlich. Die Unterstützung der Schiiten durch Russland ist ein weiterer Grund. Ehemals guter Freund von Präsident Erdogan wurde der syrische Präsident Baschar al-Assad zum erbitterten Gegner. Zum Verhältnis USA – Türkei zitierte er den amerikanischen Präsidenten Obama, dieser habe große Bedenken, was in der Türkei passiert.
Welche Freunde hat die Türkei noch? fragte der Referent. Er nannte Saudi Arabien und Katar für den arabischen Raum.

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In der Türkei leben 2,8 Millionen Flüchtlinge. damit darf die Türkei nicht alleine gelassen werden. Auch hier ist die Europäische Union gefordert, endlich zu handeln, eine gemeinsame Linie zu finden. Dr. Heiter erinnerte daran, dass die 72 Forderungen, die erfüllt sein müssen für einen visafreien Zugang zur EU, keine speziellen Forderungen an die Türkei sind. Dies sind die Forderungen, die jeder Staat erfüllen muss, wenn seine Bürger visafrei in die EU reisen wollen. Europa braucht die Türkei und die Türkei Europa. Patentlösungen gibt es nicht. Die Grundlagen unseres Demokratieverständnisses sind dabei nicht verhandelbar, Dr. Heiter ließ nachdenkliche Zuhörer zurück. Den Vortrag hielt der Referent am nächsten Morgen vor Schülern und Lehren in der Hans-Viessmann-Schule.

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