Indiens Platz in der internationalen Politik

Referent Dr. Christian Wagner. Foto: Manfred Weider/nh

Frankenberg(Manfred Weider/nh). Zum Vortrag der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V., Sektion Waldeck-Frankenberg (GSP) „Großmacht Indien? – welche Rolle spielt Indien bei den Global Playern, wohin marschiert Indien?“ hieß Sektionsleiter Holger Schmör vor voll besetztem Saal den Referenten Dr. Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin willkommen.

 Die Forschungsgebiete von Dr. Wagner weisen ihn als Indienspezialist aus:

Bangladesch, Indien, Indo-Pazifischer Raum, Nepal, Pakistan, Sri Lanka, Südasien, Regionale Zusammenschlüsse und Kooperationen, Sicherheitskooperation in Südasien, Demokratie / Demokratisierung, Minderheitenkonflikte. Seine letzte Reise nach Indien war im Frühjahr und im Oktober wird er wieder vor Ort sein. Mit einer sehr einnehmenden Art, mit feinem Humor, passend zum Thema, nahm er die Zuhörer mit auf eine sehr spannende Reise in dieses Land, dessen Namen jeder kennt und dass dort die Callcenter unserer heimischen Firmen zu Hause sind. Am Ende des Vortrags war das Fazit für viele Zuhörer eine Reise in ein unbekanntes Land. Die Indische Union ist mit 1,2 Milliarden Menschen das zweitgrößte Land und wird bis Mitte des 21. Jahrhunderts die Volksrepublik China überholen. Sie ist die größte Demokratie mit föderalem System. Die Stabilität dieses Staates mit einer Verfassung in 22 Sprachen bei über 100 gesprochenen Sprachen erklärte Dr. Wagner mit dem unverrückbaren Vertrauen in die Demokratie. Die Heterogenität des Landes erläuterte er mit dem Vergleich des Europas der 15, wo der Portugiese Probleme hat sich in Berlin zu verständigen. Ein Risiko für Instabilität seien die Koalitionsregierungen führte er aus. Das System der vier großen Kasten und über 3000 existierende ist offizielle abgeschafft, lebt aber in der Bevölkerung weiter. Der Hinduismus, ein Sammelbecken vieler religiöser Strömungen, ist zu 80 % verbreitet. 13 % Muslime und viele andere Religionen sind hier heimisch. Indien hat eine junge Bevölkerung. 50 % der Einwohner sind jünger als 35 Jahre. 30 % der Bevölkerung lebt in den Städten. Durch die Armut auf dem Land existiert ein stetiger Zug in die Städte. „In der Stadt ist unter den dort herrschenden schlechten Lebensbedingungen immer noch besser zu leben, als auf dem Land,“ beantwortete Wagner die Frage, wovon leben diese Menschen in der Stadt. Indien hat ein Wachstum von 3,5 % und ist die am schnellsten wachsende. Es gibt dort kaum staatliche Firmen. Prägend für die Wirtschaft ist eine Mittelschicht von 50 bis 150 Millionen Menschen, die meist im Ausland leben. Wagner machte immer wieder an den Zahlen deutlich, welche Dimensionen hier herrschen. 150 Millionen Menschen sind gerade einmal acht Prozent. Die Entwicklung ist die Achillesferse der sozialen Frage. Das Land steht an 136. Stelle bei 192 Staaten dieser Erde im HDI-Ranking (der Human Development Index (HDI), deutsch Index für menschliche Entwicklung) der Vereinten Nationen ist ein Wohlstandsindikator für Länder. 2010 mussten 68,8 % der Bevölkerung mit weniger als 2.- US-Dollar am Tag leben. Beim globalen Hunger Index steht Indien an 65. Stelle von 79 Staaten. Als größte innenpolitische Bedrohung nannte der Referent die Maoistischen Aufstandsbewegungen. Nach Vorstellung des Staates kam Wagner mit Erläuterungen der Rahmenbedingungen zum Thema zurück. Indien ist Nuklearmacht ist dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten. Das Land besitzt zwei Flugzeugträger (China hat nur einen) und hat mit 1,3 Millionen Soldaten die drittgrößte Streitmacht der Welt. Es gibt kein Weißbuch, damit kann keine exakte Doktrin erkannt werden. Die Außenpolitik Indiens ist geprägt von dem Postulat „Wir sind Großmacht“. Dies ist schon seit Nehru (1946) parteiübergreifender Konsens. Indien sieht sich als multipolarer Pol in einer multipolaren Welt. Ein Parameter der indischen Politik ist unverrückbar die Feststellung der Gleichrangigkeit mit China. Hierzu führte Wagner die wesentlichen Unterschiede zum wirtschaftlich stärkeren Nachbar.

Anzeige

Indien ist ein stabile Demokratie mit einem privaten Kapitalismus, keinem Staatskapitalismus. Es ist als traditionell und „defensive“ Großmacht anzusehen, die keine territoriale Ambitionen jenseits der Grenzen hat. Indien hat erkannt, dass mit 900 Diplomaten (Deutschland hat etwa 2000) keine erfolgreiche Außenpolitik gemacht werden kann. International strebt dieser Staat in allen Bereichen auf die Weltbühne. Indiens globale Bedeutung unterstrich Wagner mit zwei Worten: Größe zählt! 1,2 Milliarden Menschen für globale Umwelt-, Klima-, Energieprobleme. 400 Millionen Arme für das Erreichen der Millennium Entwicklungsziele 2015. 100 Millionen Menschen Mittelschicht für Exporte, Konsum, Dienstleistungen. Indien versteht sich als „schnellst wachsende Demokratie“ und will mit einer stärkeren Industrialisierung in den nächsten Jahren auch wirtschaftlich zu China aufschließen. Das hohe Wirtschaftswachstum soll dazu beitragen, die anhaltenden Probleme von Armut und Unterentwicklung dauerhaft zu überwinden. International fordert Indien eine größere Mitsprache, u.a. durch einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN). Dr. Wagner sieht Indien auf diesem Weg.

Leave a Comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.