Berlin(pm). Ständiger Zeitdruck macht krank! Über 90 Prozent der Mütter, die an einer Mütter- oder Mutter-Kind-Kur teilgenommen haben, leiden unter den psychischen Folgen: Erschöpfungszustände, Schlaf- und Angststörungen und depressive Verstimmungen. 44.525 Mütter und 2.320 Väter haben im Jahr 2022 an einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme für Mütter oder Väter in einer Klinik im MGW-Verbund teilgenommen. Dort konnten sie wieder Kraft tanken für den meist zermürbenden Alltag zwischen Familie, Beruf und Haushalt und oft auch Pflege von Angehörigen.
Ständiger Zeitdruck ist Hauptgrund für Mütter und Väter eine Kur zu beantragen
Das Müttergenesungswerk nimmt im Datenreport des Jahres 2022 neben den Kennzahlen zu den Kurteilnehmenden unter anderem auch deren Belastungsfaktoren und Diagnosen in den Blick. Der ständige Zeitdruck ist für Eltern der Hauptbelastungsgrund, eine Kurmaßnahme zu beantragen. Damit einhergehend sind psychische Störungen weiterhin die häufigste Diagnose bei Kurantritt. Denn Familie und Erwerbstätigkeit sind offenbar nach wie vor schwer unter einen Hut zu bringen: Mütter und Väter geben an, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sie stark belastet. Müttern fehlt es – zusätzlich zur beruflichen Belastung – an Unterstützung aus dem Umfeld und an Anerkennung. Väter, die mehrheitlich in Vollzeit arbeiten, mangelt es zudem an sozialen Kontakten. Psychische und körperliche Symptome und Krankheiten sind die Folge.
Trotz der enorm hohen Nachfrage und zum Teil langen Wartezeiten für die Kurmaßnahme: Die Zahl der Kurteilnehmenden hat 2022 noch nicht wieder das Niveau der Zeit vor der Pandemie erreicht. Dies lag an den noch bestehenden Corona-Auflagen in den Kliniken und einer hohen Zahl an Infektionen bei den Kurteilnehmenden – viele mussten kurzfristig absagen oder abreisen. Und trotz der hohen Nachfrage ist eine kurzfristige Nachbesetzung der Plätze für die Familien meist nicht möglich.
Der Beratungsaufwand steigt – die Zahl der Beratungsstellen sinkt
Die Beratungsstellen und Kliniken im Müttergenesungswerk erlebten ab dem Jahresbeginn 2022 einen enormen Ansturm. Auch der individuelle Beratungsbedarf ist stark gestiegen. Pro ratsuchender Person wurden öfter als in Vorjahren mehrere Termine und ausführlichere Beratungsgespräche nötig. Tief erschöpfte Mütter und auch zunehmend Väter brauchen viel Unterstützung. Besonders pflegende Angehörige oder auch stark belastete Berufsangehörige – wie z. B. Lehrkräfte – haben einen hohen Gesprächsbedarf und benötigen Begleitung durch die Beraterinnen und Berater der Beratungsstellen. Dem entgegen steht die Tatsache, dass die Informationen zum Kurangebot meist noch über Freunde und Familie bei den Betroffenen ankommen. Dies benachteiligt vulnerable Familien, die auf gute Informationen und Hilfe bei der Antragsstellung angewiesen sind. Das MGW fordert, dass Ärzte und Krankenkassen ihre Versicherten über das wichtige Vorsorge- und Rehabilitationsangebot der Mutter-/ Vater-Kind-Kurmaßnahmen besser informieren. Auch muss die Beratungsarbeit gestärkt werden und Ärzte und Krankenversicherungen ebenfalls mehr in die Beratungsverantwortung gehen. Die Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks, Yvonne Bovermann, sagt dazu: „Es kann nicht sein, dass durch fehlende Information und Beratung eine Auslese erfolgt. Alle Mütter, Väter und pflegende Angehörige, die aufgrund der Sorgearbeit am Ende ihrer Kräfte sind, müssen Zugang zu den Vorsorge- und Rehamaßnahmen haben“.
Ablehnungen sollten nur noch durch ärztliches Gutachten des Medizinischen Dienstes möglich sein
Die Zahl der abgelehnten Kuranträge, die mithilfe von Beratungsstellen eingereicht wurden, sinkt seit Jahren und liegt inzwischen bei sieben Prozent – entgegen der höheren Ablehnungszahl von allgemein eingereichten Anträgen von 13 Prozent. Dieser Rückgang liegt zum einen an der passgenauen Einreichung und auch an den erfolgreichen Widersprüchen, die die Beratungsstellen zu rund 78 Prozent verzeichnen können. Das MGW fordert zusätzlich, dass ärztliche Verordnungen auch bei Vorsorgemaßnahmen für Mütter oder Väter nicht länger durch die Sachbearbeiter*innen der Krankenversicherungen abgelehnt werden können. Wie bei Anträgen für Rehabilitationsmaßnahmen soll dies durch eine gesetzliche Änderung nur durch ein ärztliches Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD) erfolgen dürfen. So können die Maßnahmen noch besser kurbedürftigen Personen zur Verfügung gestellt werden und scheitern weniger an bürokratischen Hürden.
Bovermann sagt zum aktuellen Datenreport: „Wir sehen, dass der Bedarf an Vorsorge- und Rehamaßnahmen ungebrochen ist. Mütter, Väter und pflegende Angehörige waren 2022 durch die Pandemie besonderen Belastungen ausgesetzt. Das MGW ist weiterhin mit großem Einsatz dabei, einkommensschwache Familien bei der Durchführung einer Kurmaßnahme zu unterstützen, Beratung und Nachsorgeangebote zu ermöglichen sowie Informations- und Aufklärungsarbeit an der Seite der Beratungsstellen und Kliniken zu leisten.“ Den kompletten Datenreport kann man hier herunterladen.