Bad Wildungen(Lisa Beutler). Im Juni wurden die Grabbeigaben des Waldecker Grafen Josias II. (1636-1669) als Leihgabe von den Städtischen Museen Bad Wildungen an Hessen Kassel Heritage übergeben und in die aktuelle Ausstellung von Schloss Friedrichstein aufgenommen. Mit dem nun ergänzten Textschild ist die neue Präsentation damit vollständig. Die symbolträchtigen Objekte, die dem einflussreichen Regenten, Feldherrn und Erbauers des Haupttraktes des Barockschlosses nach Überführung seines Leichnams um 1670 in Wildungen beigelegt wurden, ziehen damit an jenen bedeutsamen Ort, den Josias II. im 17. Jahrhundert hoch über der Stadt erschaffen ließ. Bis heute bilden der von 1550 erhaltene Turm und der daran angeschlossene barocke Haupttrakt von Schloss Friedrichstein mit seiner leuchtend gelben Fassade ein einzigartiges Ensemble, das schon von weither sichtbar ist. Mit dem Fausthandschuh, dem Spangenhelm, der Grabkrone und einem Stück des Zinnsarges kehrt nun nach gut 350 Jahren der Geist des gefallenen Regenten endlich in sein „Zuhause“ zurück.
Einst hatte an der Stelle des heutigen Schlosses Friedrichstein eine mittelalterliche Burg gestanden, die Mitte des 13. Jahrhunderts infolge der Thüringischen Erbfolgekriege in den Besitz des Grafen Adolf I. von Waldeck gelangt war und ab 1507 von der Wildunger Linie als Regierungssitz genutzt wurde. Im Dreißigjährigen Krieg erlitt die Burg starke Beschädigungen. So blieb letztlich nur der mächtige steinerne Turmbau aus Zeiten des Grafen Philipp IV. erhalten, der von seinem Sohn Josias II. von Waldeck in seinen umfassenden Plänen zum Neubau eines barocken Schlosses nach französischem Vorbild eingebunden wurde. Mit der Realisierung seiner neuen Residenz konnte um 1663 begonnen werden; schon nach sechsjähriger Bautätigkeit war der Haupttrakt der ursprünglich dreieckig geplanten Anlage weitestgehend fertiggestellt. Der rasche Tod, den Josias II. im August 1669 im Kampf gegen die Osmanen auf Kreta fand, verhinderte jedoch, dass der Waldecker Regent sein Bauwerk je vollenden konnte: Nachdem die Witwe, Gräfin Christina von Nassau-Siegen, wenig später einen weiteren Flügel (wohl der Nordflügel) errichten ließ und bis zu ihrem Tode 1700 in dem Schloss lebte, verstarb die einzig überlebende Tochter der ursprünglich sieben Kinder schon Jahre vor ihrer Mutter. Mit dem Aussterben der Wildunger Linie widmete sich ab 1707 Friedrich Anton Ulrich, Neffe des Grafen Josias II., der Erweiterung des Barockschlosses zur Dreiflügelanlage mit großzügiger Sonnenterrasse. Bis heute trägt der 1714 fertiggestellte Prachtbau auf dem Altwildunger Bergsporn damit den Namen seines letztlichen Vollenders.
Schon früh hatte sich Graf Josias II. von Waldeck wichtige militärische Meriten verdienen können. So war ihm im Krieg gegen die Osmanen die Führung der Braunschweigisch-Lüneburgischen Truppen für die Republik Venedig übertragen worden. In der Schlacht um Candia, die sich im August 1669 zuspitzte, wurde der Graf allerdings so schwer verwundet, dass er wenige Tage später seinen Verletzungen erlag. Den Leichnam ließ die Witwe umgehend nach Wildungen überführen. Seine letzte Ruhe fand Josias II. nebst symbolträchtigen Grabbeigaben in einem 1670 in Kassel gefertigten Zinnsarg, der nun neben anderen Gebeinen des Waldecker Adelsgeschlechtes in der Geismarschen Kapelle aufbewahrt wurde. Schon 1498 war die kleine Kapelle zwischen Turm und nördlichem Seitenschiff der Wildunger Stadtkirche von der in Altwildungen und Kleinern ansässigen Familie von Geismar errichtet worden; durch völlige Verarmung der Familie im 17. Jahrhundert ging die Begräbnisstätte jedoch ab 1667 in den Besitz der Waldecker Grafen über. Seither wurden an diesem Ort die Wildunger Linie zusammengeführt, den ab 1670 nun auch Graf Josias II. ergänzte. Um die Verdienste des gefallenen Regenten angemessen für die Nachwelt festzuhalten, ließ die Witwe kaum vier Jahre später an der Seitenwand des Chores in der Stadtkirche ein prächtiges Grabmal errichten. Es ist über zehn Meter hoch und sechs Meter breit und wurde von Bildhauer Heinrich Pape aus Giershagen erschaffen. Zentrales Motiv ist der erhabene Steinsarkophag, der Josias II. in filigran verzierter Rüstung zeigt. Er wird von zwei gedrehten Säulen umrahmt und von je zwei braunschweigischen und osmanischen Generälen „bewacht“. Auch das kunstvoll in Kassel gestaltete Schmiedegitter, das im Zuge der Aufarbeitung des Grabmals Ende der 1960er Jahre entfernt wurde und erst nach gut 40 Jahren an seinen ursprünglichen Bestimmungsort zurückkehrte, war zu dieser Zeit entstanden. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein ebenso prachtvolles Grabmal des Waldecker Fürsten Carl August Friedrich (1704-1763).
Bis 1962 wurden insgesamt 24 Särge mit Verstorbenen des Waldecker Adelsgeschlechtes in der Geismarschen Kapelle aufbewahrt, die sich im Laufe der Zeit – so beschreibt es der damalige Pfarrer Herbert Baum in seinem Text zur Begräbniskapelle – zu einem „unheimlich wirkenden, ungelüfteten, feuchten Raum“ entwickelte. Man beschloss daher die Überführung der irdischen Überreste in die Gruft der waldeckischen Begräbniskapelle in Netze (erste Begräbnisstätte für die Angehörigen des waldeckischen Hauses). Während 21 Särge erfolgreich umgelagert werden konnten, verblieben auf Wunsch örtlicher Heimatfreunde (nebst einem nicht mehr transportfähigen Sarg) die Gebeine des Grafen Josias II. sowie des Fürsten Carl August Friedrich in der Stadtkirche. Im Falle Josias wurde der bereits stark zerstörte Zinnsarg entfernt, bevor er seine endgültige Ruhestätte in der Geismarschen Kapelle fand. Noch heute erinnert eine in die Wand eingelassene Gedenktafel, die aus jenem Sarg gefertigt wurde, an den einst einflussreichen Waldecker Regenten und Erbauers des Haupttraktes von Schloss Friedrichstein. Die Grabbeigaben wurden nach erfolgter Räumung der Kapelle dem städtischen Heimatmuseum Bad Wildungen übergeben. Bislang waren sie dort in einer Wandvitrine zu sehen. Mit der Übergabe der besonderen Objekte an Hessen Kassel Heritage ergänzen sie nun das „Waldecker Kabinett“ auf Schloss Friedrichstein, das spannende Informationen rund um die Geschichte des Schlosses, seiner Erbauer und dem Fürstentum Waldeck-Pyrmont für seine Besucher*innen bereithält – endlich kann der Geist des gefallenen Regenten nach gut 350 Jahren an jenen geschichtsträchtigen Ort zurückkehren, den er einst als Residenz für sich errichtete.
Infos zur Besichtigung der Grabbeigaben auf Schloss Friedrichstein
Diese und weitere spannende Objekte können bei einer stündlichen Führung zur hessischen Empire- und Militärgeschichte hoch über der Kurstadt auf Schloss Friedrichstein entdeckt werden. Aktuell (bis Ende März) ist das Museum von Freitag bis Sonntag, 10 Uhr bis 17 Uhr, geöffnet. Ausnahmen: 24, 25. und 31.12. geschlossen, am 01.01. ab 12 Uhr geöffnet. Besichtigung der Ausstellung nur im Rahmen einer Führung möglich. Erste Führung um 10.30 Uhr, stündlich, letzte Führung um 15.30 Uhr. Eintrittspreise: regulär 4 Euro, ermäßigt 3 Euro, Kinder und Schüler bis 18 Jahre frei. Weitere Informationen zu Schloss Friedrichstein unter www.heritage-kassel.de/standorte/schloss-friedrichstein und www.bad-wildungen.de/museen.
Schloss Friedrichstein
Schloßstraße
34537 Bad Wildungen
Telefon: 05621-6577
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