Meinungen von Russlanddeutschen zum Ukraine-Krieg

Korbach(pm). „Sind Russlanddeutsche für oder gegen den Krieg in der Ukraine?“ Diese Frage haben sich seit dem Angriffskrieg Russlands gegen das Nachbarland sicherlich viele Menschen in Deutschland gestellt. Häufig wurde postsowjetischen Migranten eine Putin-freundliche
Haltung unterstellt, es wurden auch Fälle von Anfeindungen gegenüber russischsprachigen Menschen bekannt. Um solche Vorurteile auszuräumen oder ihnen zumindest vorzubeugen, veranstalteten die Fachstellen DEXT (Demokratieförderung und Extremismusprävention) und Migration und Integration des Landkreises sowie das Netzwerk für Toleranz Waldeck-Frankenberg einen Vortrag mit anschließender Diskussion. Im Laufe des Herbsts ist eine weitere Diskussionsrunde geplant, um den begonnenen Dialog aufrechtzuerhalten. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung vom Korbacher Chor „Singende Frauen“ unter der Leitung von Irina Hazke; mit russischen und ukrainischen Liedern und Trachten brachte der Chor den Teilnehmer ein kleines Stück der kulturellen Vielfalt der Russlanddeutschen näher.

Referent Dr. Jannis Panagiotidis – gebürtiger Korbacher, heute stellvertretender Leiter des Forschungszentrums für die Geschichte von Transformationen an der Universität Wien, Experte im Themengebiet postsowjetische Migration – machte deutlich, dass die große Mehrheit der Russlanddeutschen weder auf der einen, noch auf der anderen Seite der beiden Kriegsparteien stehe. „Der Krieg ist zu den Menschen ins Wohnzimmer gekommen“, zitierte Panagiotidis eine russischsprachige Interviewpartnerin. Ein Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Positionierung sei erkennbar. Allerdings haben laut Umfragen gerade einmal 17 -20 Prozent der Konsumenten russischer Medien in Deutschland eine klare Pro-Putin Haltung. Der größte Teil der postsowjetischen Migrantinnen und Migranten tue sich lt. Dr. Panagiotidis schwer mit einer Positionierung. Deutsche und russische Medien würden in gleichem Maße konsumiert.


Eine große Betroffenheit und Diversität an Meinungen unter Russlanddeutschen wurde bei der Vortragsveranstaltung deutlich. Mehrere postsowjetische Migrantinnen meldeten sich zu Wort und schilderten ihre Zerrissenheit in diesem Konflikt. „Wir alle sprechen die Sprache der ehemaligen Sowjetunion“, erklärte eine Teilnehmerin. Es sei für sie unmöglich, sich klar für die russische oder ukrainische Seite auszusprechen – Verwandtschaft lebe in beiden Ländern. Eben das hob Dr. Panagiotidis jedoch als positive „zivilgesellschaftliche Mobilisierung“ hervor. Viele postsowjetische Migrantinnen und Migranten engagierten sich für die ukrainischen Geflüchteten, unterstützten sie bei Übersetzungen und durch die Sammlung von humanitären Hilfsgütern. So setzten sie ein klares Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg.

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