Kassel(pm). Es ist wieder soweit: Gelbleuchtende Rapsfelder, soweit das Auge reicht! Nicht ganz. Denn die gesamtdeutsche Anbaufläche von Raps ist in den vergangenen Jahren rückläufig gewesen und lag 2020 bei 954.000 ha. Zum Vergleich: Der Durchschnitt 2014 – 2019 für Deutschland lag bei etwa 1,2 Mio. ha (BMEL Erntebericht 2020). Im aktuellen Anbaujahr kann der Raps dem Deutschen Raiffeisenverband zufolge zwar mit einem Plus von 2,5 % im Vergleich zum Vorjahr sprichwörtlich an Boden gewinnen. Als Gründe für den tendenziellen Anbaurückgang der letzten Jahre sind jedoch u.a. die ungünstigen Aussaatbedingungen der vergangenen Jahre, stark schwankende Marktpreise sowie der Wegfall von Pflanzenschutzmitteln (PSM) infolge von Gesetzesänderungen zu nennen. Die deutlich niedrigeren Erträge beim Öko-Raps, ca. 50 % im Vergleich zum konventionellen Anbau laut dem Informationsportal für Ökolandbau, zeigen jedoch die Grenzen auf, wenn auf Pflanzenschutz und Dünger gänzlich verzichtet wird.
Brauchen wir den Raps überhaupt? „Unbedingt“, teilt der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) mit. „Geht der Rapsanbau in Hessen zurück, wäre dies mit Nachteilen für Imkerei-, Ackerbau- und tierhaltende Betriebe sowie für die Insektenvielfalt verbunden.“ Der Anbau sei bedeutsam für das Erreichen gesamtgesellschaftlicher Interessen, denn er bringe viele Vorteile mit sich: Ob als Bienen- und Insektenfutter, Baustein einer gentechnikfreien Ernährung, wertvolles Fruchtfolgeelement im Ackerbau oder erneuerbarer Energieträger.
Vom Lampenöl zum (Küchen-) Star
Lange Zeit diente Raps wegen des ursprünglich hohen Gehalts an unbekömmlichen Säuren und Bitterstoffen überwiegend als Lampenöl. Züchterische Erfolge der 1970er Jahre sorgten dafür, dass sich der Anteil der unbekömmlichen Inhaltsstoffe verringerte und der Raps damit im Zeitverlauf immer mehr an Bedeutung in der menschlichen und Tierernährung erlangte. In seiner heutigen Anbauform enthält der reife Rapssamen etwa 45 % Öl. Rund ein Drittel des in Deutschland produzierten Rapsöls fließt in die Nahrungsmittelindustrie. Ein Großteil davon wird direkt als hochwertiges Speiseöl in der Küche eingesetzt oder in der verarbeitenden Lebensmittelindustrie verwendet. Der überwiegende Anteil des Rapsöls, etwa zwei Drittel, wird als nachwachsender Rohstoff genutzt. Weiterhin fallen bei der Ölgewinnung Rapsextraktionsschrot und Rapskuchen an, welche als eiweißreiches Futtermittel in der Tierernährung eingesetzt werden.
Raps als Bienen-Leibgericht
Mit seiner Blüte im Frühjahr ist die Rapstracht für viele Imkereien in Hessen die erste ergiebige Honigernte des Jahres. Doch auch für eine Vielzahl weiterer, heimischer Insekten ist das gelbe Blütenmeer eine wichtige Nahrungsgrundlage. Christian Dreher, Beratungskraft am LLH-Bieneninstitut in Kirchhain, hält fest: „Ohne den Rapsanbau wäre die Imkerei in vielen Regionen nur schwer denkbar, da er zeitweise die einzige Nahrungsquelle darstellt. Ein Wegfall würde in manchen Regionen die Betriebe vor Existenzprobleme stellen.“ Eine gute fachliche Landwirtschaftspraxis im Umgang mit PSM ist jedoch für Insektenvielfalt und die Gesundheit der Bienenvölker Voraussetzung. Das Wissen über die jeweiligen Bekämpfungsschwellen für verschiedene Rapsschädlinge ist dabei ebenso wichtig wie der gewissenhafte Umgang mit sogenannten Gelbschalen zur jeweiligen Beobachtung des aktuellen Schädlingsaufkommens, um PSM bedarfsorientiert einzusetzen. Auch die Tageszeit der Ausbringung spielt eine erhebliche Rolle: Behandlungen am Abend nach Beendigung des Bienenfluges verringern die Kontamination von Bienen, Honig und Pollen. Dr. Thorsten Kranz, Fachgebietsleiter des LLH-Beratungsteams Pflanzenbau, weist ebenfalls auf die Relevanz eines umsichtigen Einsatzes von PSM hin: „Durch seine Anziehungskraft auf Insekten hat man in der Bewirtschaftung von Raps eine große Verantwortung und benötigt Erfahrung und Fingerspitzengefühl beim Pflanzenschutz.“ Der Konsum von Honig ist in jedem Fall unbedenklich: „Treten Kontaminationen auf, so betrifft dies am stärksten den Pollen und dieser ist zu weniger als 1 % im Honig zu finden,“ so Dreher. Weiterhin sorgen festgelegte Grenzwerte dafür, dass unbedenkliche Produkte auf den Markt kommen. Mit seinem Angebot in Beratung und Fachinformation unterstützt der LLH sowohl ackerbauliche Betriebe als auch Imkereien dabei, ihre Praxis umwelt- und bienenfreundlicher zu gestalten.
Wertvolles Fruchtfolgen-Element
Doch nicht nur für die Bienen ist der Raps interessant: „Für Vorfruchtwirkung, Fruchtfolge, Bodenschutz und mehr hat der Winterraps im Ackerbau viel zu bieten,“ erklärt Kranz weiterhin. Durch seine lange Bodenbedeckung und tiefe Durchwurzelung verbessert der Raps das Nährstoffhaltevermögen des Bodens und fungiert als natürlicher Erosions- sowie Gewässerschutz. Die leicht zersetzbaren Ernterückstände sorgen für einen guten Vorfruchtwert: Bis zu 10 % Mehrertrag sind bei Weizenanbau nach Raps möglich. Allerdings hat Raps einen hohen Stickstoffbedarf. Wird er nach Getreide angebaut, muss dem mit ausreichenden Stickstoffgaben Rechnung getragen werden. Eine Anbaupause von Raps über vier bis fünf Jahre ist aufgrund vermehrt auftretender Fruchtfolgekrankheiten sowieso ratsam. Raps wirkt darüber hinaus humusaufbauend, was förderlich für die CO2-Speicherung des Bodens ist und so im weitesten Sinne auch zum Klimaschutz beiträgt. Der LLH prüft in seinen umfangreichen Landessortenversuchen (LSV) jährlich Sorten-Neuzulassungen auf Anbauanforderungen, Ertragseigenschaften und Anfälligkeit gegenüber Schädlingen und Krankheiten und unterstützt so die hessischen Ackerbaubetriebe bei der Sortenwahl.
Heimische Eiweißquelle für Kühe und Co.
Bei der Herstellung von Rapsölen fallen neben dem Hauptprodukt Öl Pressrückstände an. Diese eigentlichen Nebenprodukte werden als hochwertige Eiweißkomponenten in Futtermitteln eingesetzt und können so in Teilen den Einsatz von Sojaschrot ersetzen. Damit stellt Raps eine heimisch produzierte Alternative zu dem meist aus Südamerika importierten Soja dar. Im Wirtschaftsjahr 2017/18 deckten Rapsprodukte mit rund 2,32 Mio. t gut ein Fünftel des Gesamtbedarfs an verarbeiteten pflanzlichen Futtermitteln in Deutschland ab (BMEL). Je nach Tierart können Rapsprodukte zu unterschiedlichen Rationsanteilen eingesetzt werden. LLH-Erhebungen zeigen, dass Rapsprodukte in der Rinderfütterung Sojakomponenten komplett ersetzen können. Dies kommt der gesellschaftlichen Forderung nach Milchprodukten aus einer Haltung mit gentechnisch-freier Fütterung entgegen. Auch wenn der Anbau heimischer Eiweißfutterpflanzen seit einigen Jahren kontinuierlich zunimmt, ist Deutschland nach wie vor auf umfangreiche Importe von Eiweißpflanzen zur Fütterung angewiesen. Dennoch trägt der Einsatz von Rapsprodukten in der Tierernährung dazu bei, Importe von Eiweißfuttermitteln, vor allem von Soja, teilweise zu ersetzen.
Raps in Industrie und Technik
Doch Raps ist nicht nur nahrhaft für Mensch und Tier sowie zuträglich für den Boden: Auch in der Industrie spielt er eine Rolle. So kann der nachwachsende Rohstoff die Verwendung fossiler Rohstoffe teilweise ersetzen – nicht nur was die Herstellung von Biodiesel angeht, weiß Fachgebietsleiter Björn Staub, LLH-Fachinformation Biorohstoffnutzung „HeRo“: „Rapsöl bildet auch die Basis für die Herstellung von Biokunststoffen als Alternative zu Produkten auf Mineralölbasis. Zudem ist es Bestandteil von Reinigungs- und Waschmitteln, kosmetischen Produkten sowie Farben und Lacken.“
Raps trägt also dazu bei, Fruchtfolgen diverser und damit den Ackerbau nachhaltiger zu gestalten, dient Bienen und Insekten als Nahrungsquelle und stellt als Futtermittel eine heimische Alternative zu Eiweißimporten dar. Außerdem kann er in der Industrie die Verwendung fossiler Rohstoffe teilweise ersetzen. Wenn wir bald auf unseren Spaziergängen die gelben Felder bestaunen, wissen wir: Er kann viel, der Raps. Und er unterstützt auch auf dem Weg hin zu einem nachhaltigeren (Land-) Wirtschaften. Der LLH begleitet den Gartenbau und die Landwirtschaft in Hessen gerne auf diesem Weg. Weitere Infos unter: www.llh.hessen.de.