Gutes Jahr für Meister Adebar – Weißstorch-Freunde zählen 690 Brutpaare mit 1400 Jungen

Wetzlar(pm). Auch im Jahre 2018 klapperte der Wappenvogel des NABU wieder erfolgreich in ganz Hessen. Die NABU-Weißstorchexperten Bernd Petri und Klaus Hillerich können deshalb zum Jahresende eine positive Bilanz ziehen: „Wir kommen auf insgesamt 690 Weißstorchpaare, die im Frühling mit der Brut begannen, hundert mehr als im Vorjahr“, so Petri. Die hessischen Weißstörche zogen in diesem Jahr mehr als 1400 Jungtiere groß, das entspricht einer Steigerung um 30 Prozent. Im Vorjahr wurden 1080 Adebare flügge. Das Mekka der hessischen Weißstörche ist nach wie vor der Landkreis Groß-Gerau, wo in diesem Jahr 616 Jungvögel von 266 Brutpaaren aufzogen wurden. Als Hauptgrund für den großen Bruterfolg sehen die beiden NABU-Experten das warm-trockene Frühjahr an.

Der NABU-Ornithologe Petri erläutert, dass die Bestände des Weißstorchs trotz des außergewöhnlich guten Bruterfolgs in Hessen noch nicht stabil seien. „Ohne die Kerngebiete im Hessischen Ried bei Biebesheim, in den Altneckarschlingen bei Groß-Gerau, in der Wetterau, im Main-Kinzig-Kreis, im Kreis Darmstadt-Dieburg und bei Wiesbaden gäbe es im sonstigen Hessen noch keine dauerhaften Weißstorch-Vorkommen. Alles hängt nach wie vor von den Ausbreitungszentren in Südhessen ab“, so Petri. Der Gesamtbestand befinde sich immer noch in einer Phase, in der die Weißstörche frühere Brutgebiete Mittel-, Ost- und Nordhessens wieder besiedelten. Dieses sensible Ausbreitungsstadium müsse unbedingt gestärkt werden. „Der Weißstorch ist in weiten Teilen Hessens trotz kontinuierlicher Bestandszunahme und stetigem Zuwachs von Brutpaaren nach wie vor als ‚gefährdet‘ einzustufen“, erklärt Petri.

Die Storchenzahlen werden jährlich von vielen hessischen Storchenfreunden der „Arbeitsgruppe Weißstorchberingung in Hessen“ unter Leitung von Klaus Hillerich zusammengetragen. „Ohne die ehrenamtliche Mitarbeit vieler Storchfreunde wäre es gar nicht möglich, die Bestände des weißen Schreitvogels so genau zu beobachten und zu kontrollieren“, erläutert Hillerich. Für die Zukunft des Weißstorchs in Hessen ist vor allem der Erhalt von Feuchtgrünland von entscheidender Bedeutung. „Störche brauchen möglichst viele nasse Wiesen in Nestnähe, um genug Futter für ihre Jungen finden zu können“, erläutert Petri. Der Lebensraumverlust steige in Hessen immer noch rasant an. Mit dem Verlust von Feuchtgrünland verschwinde nicht nur der Lebensraum des Weißstorches, sondern auch der vieler anderer Tier- und Pflanzenarten. „Der Storchenschutz ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt auf unseren Wiesen“, so Petri.

Aufgrund der milden Temperaturen sind im Hessischen Ried auch Mitte Dezember noch Weißstörche zu sehen. „Derzeit halten sich rund um Groß-Gerau noch über hundert Störche auf. So lange der Boden nicht gefroren ist, finden die Vögel noch genug Futter“, so Petri. Erst wenn es kälter wird, fliegen die Tiere weiter ins Elsass und nach Lothringen. Ab Mitte Januar sind dann die ersten Adebare schon wieder in den hessischen Brutgebieten anzutreffen. „Wir erwarten, dass im Zuge des Klimawandels immer mehr Störche bei uns überwintern“, ist sich Petri sicher.

Weißstorchzahlen (Brutpaare) in 2018 nach Landkreisen

Bergstraße: 39 (31), Groß-Gerau: 266 (236), Darmstadt-Dieburg: 58 (40), Wiesbaden: 37 (35), Offenbach: 3 (2), Main-Taunus 12 (6), Main-Kinzig: 74 (60), Fulda: 11 (9), Wetterau: 101 (88), Gießen: 29 (28), Lahn-Dill: 2 (2), Marburg-Biedenkopf: 27 (23), Waldeck-Frankenberg: 1 (1), Hersfeld-Rotenburg: 14 (10), Vogelsberg: 1 (3), Schwalm-Eder: 12 (11), Kassel: 3 (4), alle anderen Landkreise ohne Weißstorchbruten. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Jahr 2017.

Hintergrund-Informationen

Vom südhessischen Auenland bei Lampertheim bis hoch hinauf in das waldreiche nordhessische Vaake im Reinhardswald klappert wieder der Weißstorch. Kaum jemand hätte noch Ende des vergangenen Jahrhunderts daran geglaubt, dass Hessen wieder zum Storchenland wird. Das Verschwinden des Klapperstorchs im letzten Jahrhundert hatte viele Gründe. Rasante Veränderungen der Landschaften, die Umstellung von Weideviehhaltung auf Stallviehhaltung. Entwässerungen, Flächenverluste durch Bebauung und Verluste durch Leitungsanflüge, Stromschläge, Gifteinsatz und Verluste auf den Zugwegen.

Mitte der Siebziger Jahre begann man zu retten, was noch zu retten war. Gerade im NABU engagierten sich die Menschen vor Ort für die Natur und ihre Heimat. An die Rückkehr der Störche glaubten allerdings nur wenige. Neben Renaturierungen von Auengebieten und der Ausweisung von Schutzgebieten gab es „Spinner“, die einfach Masten mit Kunstnestern in die Landschaft stellten, weil sie meinten, dass Störche, sollten sie jemals wiederkommen, diese Nistmöglichkeiten dringend bräuchten. Mit dem Anwachsen der sogenannten „westziehenden“ spanischen Storchenpopulation und verschiedenen Auswilderungs-Projekten im Elsass und der Schweiz wuchs der Storchenbestand. Vor zwanzig Jahren siedelten sich dann vereinzelt Störche in Südhessen an. Und jeder Gast bekam sofort größte Aufmerksamkeit und Fürsorge. Und vor allem: Die modernen Störche flogen auf die von Menschenhand errichteten Nester auf Masten. Seit diesen Tagen kümmern sich viele engagierte Naturschützer um deren Wohl.

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