Eschwege(pm/nh). „Die Landesregierung kümmert sich zu wenig um die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen“, so das Fazit des örtlichen SPD-Landtagsabgeordneten, Lothar Quanz, und der Mitglieder der SPD-Nordhessenrunde nach einem Gespräch mit Geschäftsleitung und Ärztlichem Direktor des Klinikums Werra-Meißner in Eschwege. Das Klinikum ist mit ca. 1.000 Beschäftigten an den Standorten Witzenhausen und Eschwege unter den größten Arbeitgebern im Landkreis. Gerade wird ein Neubautrakt fertiggestellt, der bei Gesamtkosten von 13 Mio. Euro mit acht Mio. Euro vom Land bezuschusst wird. „Den Differenzbetrag von fünf Mio. Euro müssen wir irgendwie aus den Fallpauschalen ‚ausschwitzen‘“, beklagt Geschäftsleiterin Dr. Claudia Fremder. Die ohnehin nicht in allen Abteilungen auskömmlichen Zuweisungen der Krankenkassen für die medizinische Versorgung der Patienten reduzierten sich dadurch weiter.
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Ein zunehmendes Problem stelle auch der Prüf- und Vergütungsvorbehalt der Krankenkassen dar. „Teilweise werden wir mit abstrusen Begründungen kurz vor der Verjährung mit Rückforderungen in sechsstelliger Höhe konfrontiert“, erläutert Michael Rimbach, Leiter Wirtschaft und Verwaltung die Problematik. Jahresabschlüsse könnten daher über Jahre nur unter Vorbehalt erstellt werden. Kritik gab es für Landesregierung und Kassenärztliche Vereinigung (KV). Seit Jahren sei abschätzbar, dass eine große Zahl niedergelassener Ärzte aus Altersgründen ihre Praxen aufgeben. Das sei insbesondere in ländlichen Regionen kurzfristig nicht zu kompensieren, denn die wenigen verbleibenden Praxen hätten nicht die Kapazität, die Patienten unter sich aufzuteilen. „So kommt es dann, dass beispielsweise in meiner Heimatstadt Hofgeismar nach Schließung zweier Praxen zum Jahreswechsel 2.500 Menschen ohne Hausarzt dastehen“, berichtet Brigitte Hofmeyer, Sprecherin der Nordhessenrunde. „Von älteren, in ihrer Mobilität eingeschränkten Patienten wird verlangt, sich in Nachbargemeinden um einen neuen Hausarzt zu bemühen, und Anfahrtswege von 25 bis 40 Kilometern sind hierfür laut KV zumutbar.“ Zu lange sei versäumt worden, die Ansiedlung von Allgemeinmedizinern in ländlichen Regionen und ihre Ausbildung attraktiver zu machen. „Die SPD fordert eine Ausweitung der Studienkapazitäten und die Verpflichtung aller Studenten, sich im Studium mit Allgemeinmedizin zu befassen“, erklärt Dr. Daniela Sommer, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagfraktion. Außerdem müssten die veränderten Lebensentwürfe der –inzwischen überwiegend weiblichen- Allgemeinmediziner berücksichtigt werden. „Ärztinnen und Ärzte wollen keine Tätigkeit, die sie sieben Tage pro Woche 24 Stunden lang fordert, immer mehr Verwaltungsarbeit bedeutet und das mögliche Risiko von Rückforderungen durch die Krankenkassen beinhaltet!“ Gemeinschaftspraxen oder das Arbeiten im Angestelltenverhältnis seien erheblich attraktiver. Erschwerend komme hinzu, dass der ländliche Raum sowohl für niedergelassene Ärzte als auch für Fachärzte an Kliniken noch immer nicht ausreichend attraktiv sei, beklagen Klinikleitung und Kommunalpolitiker übereinstimmend. Entsprechend schwierig und langwierig gestalte sich auch die Besetzung von Chefarztpositionen im Klinikum. „Wir bemühen uns seit Jahren um ein übergreifendes Versorgungsnetzwerk“, berichtet Thomas Eckhardt, Bürgermeister von Sontra, über örtliche Aktivitäten zum Wiederaufbau einer guten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum. Ziel sei es, nicht zu zentralisieren, sondern die örtliche Präsenz medizinischer Einrichtungen zu erhalten oder wiederherzustellen. „Gute ärztliche Versorgung ist ein Standortvorteil“, betont er und kritisiert gleichzeitig Projekte zur mobilen Versorgung wie den sogenannten ‚Medibus‘. Dies könne nur ein zusätzliches Angebot sein.