Wetzlar/Frankfurt(nh). Die Naturschutzverbände NABU und BUND haben sehr verwundert auf die wiederholten Angriffe der SPD Hessen gegen die Zertifizierung des Staatswaldes nach dem Gütesiegel „FSC“ reagiert. „Oppositionsgerassel“ sei nicht zielführend, so Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU. Auch verliere die SPD an Glaubwürdigkeit, wenn sie ständig diese Verbesserung der naturgemäßen Waldbewirtschaftung angreife, nachdem sie viele Jahre lang in Landtags- und Regierungsprogrammen die FSC-Zertifizierung für den Landeswald gefordert habe. Der SPD-Landtagsabgeordneten Heinz Lotz hatte infrage gestellt, ob die FSC-Zertifizierung überhaupt sinnvoll sei und behauptet, dass hierzulande „auf jeden Baum Rücksicht genommen werde“ sei fernab jeder Realität, so Jörg Nitsch, Vorstandssprecher des BUND Hessen. Vielerorts gibt es vor Ort Konflikte, weil zu stark Holz eingeschlagen werde. Viele Tier- und Pflanzenarten sind bedroht, weil alte Wälder und dicke Bäume fehlen. Mit der Forderung von Lotz nach weniger strengen Maßstäben erwecke die SPD den Eindruck, den Wald allein wirtschaftlichen Interessen opfern zu wollen. „Offenbar hat Heinz Lotz die FSC-Zertifizierung gar nicht verstanden“, so Eppler. Sein Vorwurf von „Intransparenz“ sei vollkommen unbegründet. Ein Ziel von FSC sei ja gerade, über umfangreiche Beteiligungsverfahren die Einbeziehung verschiedenster gesellschaftlicher Gruppierungen (z.B. Gewerkschaften, Naturschutzverbände, Waldbesitzer) zu gewährleisten. Regelmäßige externe Kontrollen („Audits“) stellen sicher, dass Öffentlichkeitsbeteiligung und Bewirtschaftungsstandards eingehalten werden. Das war ohne die Zertifizierung bisher nicht der Fall. Bei der Festlegung der FSC-Standards sei die gleichberechtige Beteiligung von Interessensgruppen durch ein Dreikammersystem gewährleistet. Dadurch muss es stets einen Kompromiss der verschiedenen Interessen geben, der keine Seite übermäßig belastet. Auch für den Landtag sei die FSC-Zertifizierung keine Überraschung, wie von Lotz behauptet. Bereits 2009 wurde die Staatswald-Zertifizierung durch die Nachhaltigkeits-Konferenz angeregt. 5 Jahre lang lief ein Pilotprojekt im Forstamt Dieburg. Inzwischen ist die Hälfte aller staatlichen Forstämter in Hessen zertifiziert und hat ihr öffentliches Erstaudit durchlaufen. „Die plötzliche Kritik aus der SPD ist daher nicht nachvollziehbar und nur als Säbelrasseln der Opposition um des Streits willen zu erklären“, so der BUND.
Die Aussage des SPD-Abgeordneten Lotz, bei einer Anhörung von Fachleuten in seiner Fraktion am 3. Mai 2016 hätten sich nur Naturschutzverbände für eine FSC-Zertifizierung ausgesprochen, alle Praktiker jedoch dagegen, sei falsch. Offenbar spiele bei der SPD die (positive) Meinung der Gewerkschaft IGBAU keine Rolle mehr. Praktiker aus den zahlreichen Kommunen oder Forstämtern, die FSC umgesetzt haben, waren von der SPD gar nicht eingeladen worden. Die Naturschutzverbände fordern eine rasche Vollendung der Zertifizierung des Staatswaldes, wie er im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Im waldreichsten Bundesland Deutschlands spielt die Art und Weise der Behandlung der Wälder eine besondere Bedeutung für den Schutz der Biodiversität. Die FSC-Standards tragen zum Beispiel durch Vorgaben zu Habitatbäumen und nutzungsfreien Bereichen dazu bei. Ihr Ziel sind „naturnahe Waldökosysteme, die sich bezüglich Baumartenzusammensetzung, Vorrat, Dynamik und Struktur den natürlichen Waldgesellschaften annähern“. Sie begrüßen zudem, dass das Land Kommunen und Privatwaldbesitzer mit 80% der Kosten für die Erlangung des Zertifikats unterstützt, auch ihre Wälder nach FSC zertifizieren zu lassen.
Hintergrund
Zitat SPD-Hessen Programm 2008:
„Die hohe ökologische und soziale Qualität unserer Waldwirtschaft werden wir durch eine internationale Zertifizierung nach den Normen des Waldbewirtschaftungsrates FSC bestätigen lassen“
Zitat SPD-Pressemitteilung 8.2.2010:
„Waldbewirtschaftung-Manfred Görig: SPD tritt für FSC-Zertifizierung des hessischen Staatswalds ein.
Die hessische SPD tritt bereits seit Jahren für die FSC-Zertifizierung des hessischen Staatswalds ein. Diese Forderung sei beispielsweise schon im Landtagswahlprogramm 2008 erhoben worden, sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Manfred Görig am Montag in Wiesbaden. ‚Es wird Zeit, dass die Hessische Landesregierung sich hier endlich bewegt‘, sagte Görig. „Deutschland war immer ein internationales Vorbild für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Aber auch hier reicht es nicht, sich auf Erreichtem auszuruhen, sondern die Ansprüche an die Vereinbarkeit von ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten weiterzuentwickeln.“
Zitat sozialdemokratisches Regierungsprogramm für Hessen 2014–2019 (S. 93)
„Die hohe ökologische und soziale Qualität unserer Waldwirtschaft werden wir durch eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Zertifizierung bestätigen lassen“