Erinnerung an die Reichsprogromnacht
Frankenberg(nh). In der schlimmen Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Frankenberger jüdische Synagoge im Scharwinkel von Männern in SS- und SA-Uniformen überfallen und verwüstet. NS-Handlanger und Polizei nahmen jüdische Familienväter in „Schutzhaft“. Die Männer wurden teilweise misshandelt, im Amtsgericht eingesperrt, dann in das KZ Buchenwald verschleppt. An dieses reichsweit angeordnete Pogrom, bei dem in Deutschland 177 Synagogen zerstört und 7500 jüdische Geschäfte geplündert wurden, wollten die Frankenberger Jungsozialisten erinnern. Sie luden am Wochenende zum Gedenken an die mindestens 38 ermordeten Bürger aus Frankenberg ein, indem sie die in der Altstadt verlegten „Stolpersteine“ aus Messing mit Metallpflegemitteln reinigten. Vor zehn Jahren hatte der Künstler Gunter Demnig die ersten 16 Steine mit der damals noch hell glänzenden Aufschrift „Hier wohnte“ und den Opferdaten in Frankenberg verlegt, in den Folgejahren 2007 und 2008 konnten erneut Schicksale geklärt und mit weiteren Steinsetzungen bedacht werden. Burgwaldschüler, die damals dem Künstler halfen, pflegten in den Folgejahren mehrmals die kleinen Gedenkplatten im Pflaster. „In diesem Jahr wollten wir uns beim Reinigen der Stolpersteine nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit der Hand den Lebenswegen dieser vom NS-Staat verfolgten und vernichteten Mitbürger annähern“, erklärte Hendrik Klinge, Vorsitzender der Jungsozialisten Frankenberg.
Mit einem Stadtplan und der von Stadtarchivar Dr. Horst Hecker verfassten Broschüre „Hier wohnte“ gedachten sie vor den jeweiligen Wohnhäusern neben anderen an den jüdischen Gemeindevorsteher und Weltkriegsteilnehmer Emil Plaut und seine Frau Johanna (Obermarkt 14) oder an den Händler Josef Kaiser (Untermarkt 8), der es gewagt hatte, sich 1942 beim Fischverkauf an der Eder in die Warteschlange zu stellen. Dem langjährigen SPD-Magistratsmitglied Samson Dilloff, der 1933 gewaltsam an der Annahme seines Mandats als Stadtverordneter gehindert wurde, gelang die Emigration in die USA. Besonders intensiv beschäftigte sich die Gruppe der Helfer bei ihrem Stadtrundgang mit dem Schicksal der Familie des in Buchenwald umgekommenen Lehrers Ferdinand Stern vor dem ehemaligen jüdischen Schulhaus (Hainstr. 11). Hier erinnern sechs Stolpersteine an die durch die Nazis ermordeten Mitglieder der Lehrerfamilie. Auch hier wurden am 10. November 1938 Schulsaal und Wohnung verwüstet, Martha Stern floh mit ihren Kindern in die Nachbarschaft. Obwohl sie durch einen Umzug nach Frankfurt ihr Leben zu retten versuchte – mit ihren drei Söhnen Manfred (19), Richard (10) und Heinz (5) wurde sie 1942 zur Ermordung deportiert.