Stephan Leyhe: „Jetzt geht es doch erst richtig los, ich freue mich riesig auf Oberstdorf“
Willingen(nh). Die paar Tage Weihnachtsurlaub tun ihm richtig gut. Stephan Leyhe ist nach stressigen Wochen in der Skisprungszene zwischen seiner gelungenen Weltcup-Premiere in Engelberg und dem Start zum Auftakt der Vierschanzentournee zur Familie ins beschauliche Uplanddorf Schwalefeld zurückgekehrt. Der 22-jährige Weitenjäger des Ski-Club Willingen sieht die jüngsten Erfolge als Lohn harter Trainingsarbeit. Druck macht er sich keinen. SCW-Weltcup-Pressechef Dieter Schütz führte am Tag vor Heiligabend an der Mühlenkopfschanze ein Interview mit dem Neuling in der deutschen Nationalmannschaft, den Bundestrainer Werner Schuster nach seinem gelungenen Einstand „als Verstärkung fürs Team“ bezeichnet hat.
Stephan, wie ist dieser enorme Leistungssprung der vergangenen Wochen zu erklären?
Stephan Leyhe: “Ich trainiere eigentlich seit Jahren gleich. In der Vorbereitung lief es diesmal aber richtig gut, keine Verletzung, keine Krankheit. Schon beim ersten Wintertrainingslehrgang habe ich gemerkt, dass ich mithalten kann. Die tollen Ergebnisse im Continentalcup waren der entscheidende Schritt für mich, vor allem der Sieg in Rena.“
Du hast bei Deinem ersten Weltcup-Start in Engelberg als 13. und 22. gleich zweimal gepunktet. Wie geht es nun mit Dir bei der Vierschanzentournee weiter?
Stephan Leyhe: „Ich muss abwarten, was bei der Tournee passiert. Die Freude ist nach der Nominierung durch den Bundestrainer riesengroß. Jetzt geht es doch erst richtig los. Ich muss nun Konstanz in meine Leistungen bringen. Das Ziel muss zunächst die Qualifikation für den Wettkampf und dann das Finale der Top 30 sein. Und wenn die Quali mal nicht gelingen sollte, geht es auch weiter.“
Wie haben Dich die bekannten Kollegen in der deutschen Mannschaft aufgenommen in ihrem Kreis? Immerhin frühstückt man nicht jeden Morgen mit Team-Olympiasiegern und Weltklassespringern wie einem Severin Freund.
Stephan Leyhe: „Richtig gut. Ich kenne Marinus Kraus, Richie Freitag und Markus Eisenbichler ja schon von früher sehr gut, wir waren gemeinsam bei der Junioren-WM. Und Andreas Wank trainiert mit mir in Hinterzarten. Auch Michael Neumayer habe ich schon beim Continentalcup im Sommer besser kennengelernt. Sie haben mich auch sofort mich Kartenspielen lassen (lacht). Aber beim Schafskopf muss ich noch üben, um mithalten zu können. Da liegt der Michi Meumayer mit seiner Routine ganz vorn. Die Stimmung ist nach dem guten Saisonverlauf ziemlich gut.“
Wie bereitest Du Dich gezielt auf die Tournee vor? Es wird das bisherige Highlight Deiner Karriere?
Stephan Leyhe: „Ähnlich wie auf den Weltcup in Engelberg. Ich schaue von Sprung zu Sprung und mache mir keinen Druck. Ich gehe mit eine großen Vorfreude an diese Aufgabe und sehe es als Lohn für mein hartes Training über viele Jahre. Ich kann doch gar nichts verlieren. Bei den beiden ersten Stationen in Oberstdorf und Garmisch bin ich fix dabei, dann sehen wir weiter.“
Die Schanze in Engelberg liegt Dir eigentlich gar nicht so gut, hast Du im Vorfeld gesagt. Trotzdem lief es dort richtig rund. Was geht da auf den Traditionsschanzen der deutschen Tourneeorte ab kommenden Samstag?
Stephan Leyhe: „Wenn man einen Lauf hat, kommt man als Skispringer mit allen Schanzen zurecht. Oberstdorf bin ich lange nicht gesprungen, zuletzt im Sommer. Die Anlage dort ist recht normal für mich. Die Olympiaschanze in Garmisch liegt mir eigentlich ganz gut.“
Du bist nach Deinen Sprüngen auch so ruhig und gelassen zu den Fernsehinterviews gegangen. War der Puls da nicht auf 180? Noch höher als auf der Schanze?
Stephan Leyhe: „Nein, gar nicht. Ich kenne Dieter Thoma schon viele Jahre. Ich wäre in Hinterzarten durch Zufall fast einmal in eine Wohnung seiner Eltern eingezogen. Die Leute vom Fernsehen haben sich mit mir richtig gefreut, von daher waren es für mich ganz normale Gespräche. Natürlich war es schon einiges mehr in Sachen Medienkontakte, aber das ist kein Problem. Viel läuft auch über unseren Pressesprecher Ralph Eder. Ich glaube, dass bei meinen Eltern in Schwalefeld noch viel mehr los war als bei mir. Über die vielen Glückwünsche habe ich mich sehr gefreut, leider kann ich nicht jede Nachricht beantworten, sonst komme ich nicht mehr zum Springen.“
Du hast mit Rang 13 die halbe WM-Norm erfüllt. Zweimal unter die besten 15 oder einmal Top-Acht erwartet der Deutsche Skiverband (DSV) von seinen Athleten.
Stephan Leyhe: „Das hat mir Gerd Siegmund von EUROSPORT auch schon erzählt. Ganz ehrlich, ich wusste gar nicht, was die WM-Norm ist. Daran hatte ich noch nie einen Gedanken verschwendet. Wir haben in Deutschland so ein starkes Team, da ist es bestimmt nicht der Normalfall, unter den besten fünf zu sein, die zur WM fahren dürfen.“
Und Willingen? Vom 30. Januar bis 1. Februar 2015 findet der Weltcup auf der Mühlenkopfschanze statt. So nah dran an einem Start auf Deiner Heimatschanze warst Du noch nie.
Stephan Leyhe: „Es wäre ein Traum, beim Weltcup am Mühlenkopf zu starten. Vor den eigenen Fans beim Heimspringen des eigenen Vereins als Lokalmatador dabei zu sein, das wäre gigantisch. Aber bis dahin ist es noch ein ganzer Monat. Erst die Tournee, dann weitere Wettbewerbe, auch Skifliegen steht auf dem Programm. Ich war noch nie auf einer Skiflugschanze, auch das wäre eine riesige Erfahrung. Ich werde alles dafür tun, um weiter im Weltcup starten zu dürfen. Am Ende entscheiden die Ergebnisse. Aber die Teilnahme in Willingen wäre natürlich noch mal etwas ganz Besonderes.“
Es heißt immer, Skispringen wird im Kopf entschieden. Athleten müssen mental stark sein. Hast Du hier ein besonderes Konzept?
Stephan Leyhe: „Nein, mental mache ich eigentlich gar nichts. Zumindest bis jetzt. Ich führe vor dem Schlafengehen ein paar Selbstgespräche, gehe die Abläufe beim Sprung von der Anfahrtshocke bis zur Landung im Detail durch. Das hilft mir, mich am nächsten Tag darauf zu konzentrieren. Ich schlafe zurzeit wirklich tip-top. Am 2. Weihnachtsfeiertag fahre ich nach Oberstdorf, bis dahin mache ich in Schwalefeld noch zweimal Krafttraining. Jetzt freue ich mich auf ein paar ruhige Stunden im Kreis der Familie.“