Wiesbaden/Frankenberg(nh). Die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag bezieht im Rahmen der aktuellen Plenarwoche Stellung zur Regierungserklärung des Innen- und Kommunalministers Peter Beuth zur Situation hessischer Kommunen. Der hessische SPD-Fraktions- und Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel wirft diesem eine unvollständige und falsche Schilderung der Sachlage vor: „Der Innenminister betont die überdurchschnittliche Ertragslage und die hohen Ausgaben der Kommunen – dabei verschweigt er aber, dass der Kommunalisierungsgrad öffentlicher Aufgabenerfüllung in Hessen bundesweit Spitze ist.
Über 50 Prozent der Aufgaben werden von den Kommunen übernommen.“ Die heimische Landtagsabgeordnete Dr. Daniela Neuschäfer ergänzt: „Höchste Aufgabenzuweisung, geringste Zuweisung und größtes Defizit: Hessens Kommunen haben bundesweit je Einwohner das höchste Finanzierungsdefizit, die zweitniedrigsten Zuweisungen durch das Land, die zweithöchsten Schulden, die zweithöchsten Sozialaufwendungen und den zweitniedrigsten Zuwachs an Steuerertrag seit der Finanzkrise.“
Erst vor kurzem trafen sich sozialdemokratische Mitglieder der Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen des Landeskreises Waldeck-Frankenberg auf Einladung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Dr. Hendrik Sommer und des SPD-Unterbezirkes, um sich über den Kommunalen Finanzausgleich auszutauschen. Dabei wurde vor allem diskutiert, dass durch den Kommunalen Rettungsschirm und durch den so genannten Herbsterlass viele Kommunen gezwungen seien, massive Erhöhungen der Steuern und Gebühren vorzunehmen. Neuschäfer erläutert am Mittwoch in Wiesbaden: „Der kommunale Rettungsschirm zwingt die Gemeinden zu Einsparungen in der Infrastruktur und in der Daseinsvorsorge. Eine ausreichende kommunale Finanzausstattung, die dringend erforderlich ist, auch um vor Ort die kommunale Selbstverwaltung zu stärken, wird den Gemeinden verweigert. Stattdessen werden Gespräche und eine Schuldnerberatung im Innenministerium in Aussicht gestellt. Dies ist ein schwacher Trost für die kommunalen Politikerinnen und Politiker vor Ort.“ Sie führt weiter aus: „Herr Beuth hebt zudem den Schutzschirm zu Unrecht als vermeintlich positive Leistung des Landes hervor. Die Landesregierung hat den Kommunen zuvor 344 Millionen Euro pro Jahr aus dem Kommunalen Finanzausgleich gestrichen, sodass diese den Schutzschirm letztlich selbst finanzieren. Dazu sagt der Innen- und Kommunalminister kein Wort! Stattdessen überträgt er die Verantwortung den Kommunen.“
Den Kommunen komme eine Schlüsselfunktion zu, wenn es darum gehe, die anstehenden Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Schlagworte seien Integration, Bildung, Kinderbetreuung, soziale Gerechtigkeit, Schaffung bezahlbaren Wohnraums, Kultur, Sicherheit, Energiewende, wirtschaftliche Entwicklung, Sport sowie Ehrenamt.
Die Kommune sei am nächsten an der Lebenssituation der Menschen und wirke am direktesten auf sie ein, so Neuschäfer. Sie müsse gestärkt, nicht geschwächt werden. „Die Kommunen müssten auch den demografischen Wandel vor Ort gestalten. Eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft mit all ihren Herausforderungen!“, betont Neuschäfer in ihrer Funktion als senioren- und pflegepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag. Sie unterstützt die Forderungen des Städte- und Gemeindebundes und spricht sich entschieden für eine bedarfsgerechte Finanzausstattung der hessischen Kommunen aus.
Zum Hintergrund des so genannten Herbsterlasses:
Die Städte und Gemeinden sehen im Erlass vom 3. März 2014 verschärfte Auflagen für ihre Haushaltsführung. Innen- und Kommunalminister Peter Beuth (CDU) spricht vom so genannten Herbsterlass zur Aufstellung der kommunalen Haushalte, der sich lediglich durch die Regierungsbildung verzögert habe. Landräte und Regierungspräsidien sind in der Verantwortung, ihre Aufsicht über die Haushalte der Kommunen strikt nach den Regeln auszuüben und keine weitere Verschuldung zuzulassen. Darüber hinaus sollen alle Kommunen eine Eröffnungsbilanz nach kaufmännischer Buchführung vorlegen. Eine Maßnahme auf dem Weg zum ausgeglichenen Haushalt ist oftmals, dass die Kommunen angewiesen werden, Gebühren zu erhöhen und die Grundsteuer B für Häuser und Baugrundstücke auf 10 Prozent über Landesdurchschnitt anzuheben. Viele Kommunen kritisieren, dass sie zu denselben Auflagen gezwungen werden sollen, die bislang nur für die Schutzschirmkommunen gelten. Diese müssen bis zum Jahr 2020 einen Etat ohne neue Schulden erreichen.