„Es lebe die Freiheit!“ – Jugendliche gegen den Nationalsozialismus

 Wolfgang Schmitz, stellvertretender Landrat des Kreises Paderborn, Kirsten John-Stucke, Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg, Professor Dr. Arno Klönne bei der Ausstellungseröffnung in der Wewelsburg Foto:nh

Ausstellung vom 7. Mai bis 9. Juni 2014 in der Wewelsburg

Kreis Paderborn (krpb/nh). „Es lebe die Freiheit!“ waren die letzten Worte von Hans Scholl, die er unmittelbar vor seiner Hinrichtung am 22. Februar 1943 seinen Henkern entgegenrief. Hans Scholl gehörte ebenso wie seine Schwester Sophie Scholl zu der jugendlichen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Sie verteilten Flugblätter, in denen sie sich gegen die nationalsozialistische Diktatur wandten und für die Freiheit stark machten. Bei einer dieser Aktionen waren die Geschwister beobachtet, festgenommen und nur vier Tage später wegen „Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung“ hingerichtet worden. „Es lebe die Freiheit?!“ lautet der Titel einer Sonderausstellung, die sich jungen Menschen wie Hans und Sophie widmet. Vorgestellt werden jugendliche Widerstandsgruppen und Lebenswege von jungen Menschen, die den Mut fanden, sich dem mörderischen Regime zu widersetzten. Ihr „Nein“ hatte Folgen. Diese reichten von Gefangenenahme über Einweisung in ein Konzentrationslager bis hin zur Hinrichtung. Eröffnet wurde die Ausstellung am vergangenen Dienstag, 6. Mai, durch den stellvertretenden Landrat des Kreises Paderborn, Wolfgang Schmitz.

 

Die „Weiße Rose“ ist sicherlich die bekannteste jugendliche Widerstandsgruppe gegen Hitler. Ihr Bekenntnis zum Widerstand war ein deutliches Zeichen ihrer Sehnsucht nach persönlicher Freiheit und Gerechtigkeit. Sie wollten keinen Krieg, keine Diktatur, sondern Freiheit, Selbstbestimmung und Individualität. Viele Jugendliche wollten nicht bei der Hitlerjugend und im Bund Deutscher Mädel mitmachen, weil sie sich zu sehr vereinnahmt fühlten. Sie wollten sich nicht mit der menschenverachtenden Politik des Nationalsozialismus abfinden und nicht einfach „Ja“ sagen. Manche schlossen sich Widerstandsgruppen wie die „Weiße Rose“ oder die „Edelweiß-Piraten“, die „Swing-Jugend“ an, manche blieben allein in ihrem Widerstand. Die Bandbreite des jugendlichen Widerstands war groß. „Gemeinsam war ihnen die innere Überzeugung, sich nicht anpassen zu wollen, nicht wegzuschauen, sondern sich aktiv für persönliche Freiheit einzusetzen. Ihnen allen ist diese Ausstellung gewidmet“, erklärte Schmitz.
Vor drei Jahren war die Ausstellung vom Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 in Frankfurt erarbeitet worden. Prof. Dr. Arno Klönne, der viele Jahre als Soziologe und Politikwissenschaftler an der Gesamthochschule/Universität Paderborn lehrte, wirkte sowohl an der Ausstellung als auch an dem Begleitband mit. Seine jugendsoziologische Studie „Jugend im Dritten Reich“ gilt als Standardwerk zur Geschichte der Hitlerjugend und ihrer Gegner.
„Leider wurde der Blickwinkel auf die damalige Jugend lange vernachlässigt, mit Ausnahme der „Weißen Rose“, erläuterte Prof. Dr. Klönne bei der Ausstellungseröffnung. Dabei sei es wichtig zu verstehen, wie die Jugend lebte und dachte. Und wie und warum sich Gegenkulturen zu den gesellschaftlich tief verankerten Herrschaftswelten entwickelten. „Denn „Nein“ zu sagen, unter Risiko, ist kein Spuk von gestern“, betonte Klönne.
Otto Preuss beispielsweise kämpfte als aktiver Kommunist gegen die Nationalsozialisten und verlor seine deutsche Staatsbürgerschaft. Unbeirrt von Verhaftung und Verfolgung trat er in Belgien einer Agitations-Propaganda-Gruppe ein und versuchte mit politischen Theaterstücken gegen Hitler zu kämpfen. Er wurde von der Gestapo verhaftet und ins Konzentrationslager eingewiesen. Er überlebte die KZ-Haft und setzte sich Zeit seines Lebens für Freiheit und Frieden ein. Max Hollweg weigerte sich als junger Mann, die Hand zum Hitler-Gruß zu heben und sich in NS-Jugendorganisationen einzugliedern. Als aktiver Zeuge Jehovas konnte er sich aus Glaubensgründen der nationalsozialistischen Bewegung nicht anpassen. Er wurde deswegen jahrelang seiner Freiheit beraubt, dennoch änderte er seine Einstellung nie.
Dies sind nur zwei Beispiele von jungen Menschen, die für ihren Wunsch nach Selbstbestimmung von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager eingewiesen wurden. Beide überlebten, wenn auch mit schweren körperlichen Schäden. Andere Jugendliche überlebten die KZ-Haft nicht. „Den Jugendlichen war das hohe Risiko bewusst, wenn sie von der nationalsozialistischen Norm abwichen. Ihnen war bewusst, in welche Gefahr sie sich und vielleicht auch ihre Familien begaben – und dennoch: sie waren bereit, diese Gefahr auf sich zu nehmen und sich für Freiheit und Menschenwürde einzusetzen“, betonte der stellvertretende Landrat Schmitz.
Auch im KZ Niederhagen/Wewelsburg wurden junge Menschen aufgrund ihres Widerstandes gegen die nationalsozialistische Diktatur inhaftiert. Als Träger des Kreismuseums Wewelsburg stelle sich der Kreis Paderborn der Verantwortung, die Geschichte des Nationalsozialismus zu dokumentieren und weiter zu erzählen, um aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.
Die Ausstellung des Studienkreises Deutscher Widerstand will die Besucher und Besucherinnen ermuntern, sich mit den Lebenswegen der jungen Menschen zu beschäftigen und zeigen, wie man sich in der NS-Diktatur für persönliche Freiheit eingesetzt hat. „Denn nicht alle haben geschwiegen und sich angepasst, nein, es gab mutige junge Menschen, die sich widersetzten, manchmal in kleinen, alltäglichen Dingen, manchmal größer angelegt in Widerstandsgruppen. Diese Jugendlichen können uns auch heute ein Vorbild sein, wenn wir uns für die Gleichbehandlung von Minderheiten, die Einhaltung von freiheitlichen und demokratischen Zielen einsetzen“, betont die Leiterin des Kreismuseums Wewelsburg, Kirsten John-Stucke. Die Ausstellung ist noch bis zum 9. Juni in der Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg zu sehen.

Zur Sonderausstellung wurde ein pädagogisches Begleitprogramm für Erwachsene und Jugendliche entwickelt:

Am Sonntag, 25. Mai 2014 um 15 Uhr, führt Norbert Ellermann in einem kurzen Vortrag in die NS-Jugendorganisation „Hitlerjugend“ ein, im Anschluss daran besteht die Möglichkeit zu einem geführten Rundgang durch die Sonderausstellung (insgesamt 2 – 2 1/2 Stunden). Das Team der Gedenkstättenpädagogen bietet im Anschluss eine Gesprächsrunde an.

Für Gruppen besteht nach vorheriger Anmeldung die Möglichkeit, in einer Führung (1 1/2 Stunden oder einem 4-stündigen Seminar, die Strukturen der Widerstandsbewegung im Nationalsozialismus zu erarbeiten.

Weitere Informationen und Anmeldung unter Tel. 0 29 55/76 22-0

Der Eintritt in die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg 1933 – 1945 und die Sonderausstellung „Es lebe die Freiheit!“ – Jugendliche gegen den Nationalsozialismus“ sind kostenlos.

Die Wewelsburg im Internet: www.wewelsburg.de

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