Frankenberg(pm). Dr. Wael Marouf, zum Tag des Schlaganfalls am 29. Oktober informieren weltweit Patientenorganisationen zu Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa fürchten sich 41 % aller Deutschen davor, von einem Schlaganfall betroffen zu sein. Diese Angst liegt etwa gleichauf mit der vor Alzheimer, Demenz oder einem schweren Unfall. Warum ist der Schlaganfall ein solches Schreckgespenst für viele Menschen? „Pro Jahr erleiden in Deutschland circa 200.000 Menschen zum ersten Mal einen Schlaganfall. Bei weiteren 70.000 Schlaganfallpatienten tritt ein neuer Schlaganfall auf.1 Daher ist es nicht verwunderlich, dass fast jeder Mensch einen Schlaganfallpatienten kennt. In den meisten Fällen tritt der Schlaganfall völlig unerwartet und plötzlich auf und hat weitreichende, manchmal lebenslange Folgen für den Menschen selbst, aber auch für seine Angehörigen und
Freunde. Diese Vorstellung ist natürlich angstbesetzt. Wir Mediziner können dieser Angst jedoch einiges entgegensetzen, indem wir über Vorbeugung und Behandlung aufklären.“
Was kann jeder Einzelne tun, um sein Schlaganfallrisiko zu minimieren?
„Die Forschung zur Schlaganfallprävention hat mehrere wirksame Ansatzpunkte herausgearbeitet, die wir jedem Menschen gerne ans Herz legen. Die Basis liegt in einer gesunden Lebensführung, mit Verzicht auf das Rauchen, viel Bewegung, gesunder Ernährung und der Vermeidung von Übergewicht. Auch die Stressreduktion oder das Erlernen von Methoden zur Stressbewältigung sind wichtig.“ „Als Zweites gilt es, Erkrankungen, die bekanntermaßen mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einhergehen, zu behandeln und regelmäßig zu kontrollieren. Hierzu zählen beispielsweise Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Thrombose-Neigung, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen, um nur einige zu nennen. Werden diese Risiken vom
Patienten und den betreuenden Ärzten im Auge behalten, kann dies das Auftreten von Schlaganfällen maßgeblich reduzieren und bestenfalls verhindern.“
Herr Müller, wie erkennt man den Notfall Schlaganfall?
„Das Erste und Wichtigste ist, dass man den Schlaganfall so schnell wie möglich erkennt und den Rettungsdienst ruft. Dazu sollte jeder Mitbürger die FAST-Methode kennen und anwenden können. Sie eignet sich, um den Verdacht auf einen Schlaganfall bei sich selbst oder bei einer anderen Person zu überprüfen. Im Zweifelsfall sollte man lieber einmal zu viel als einmal zu wenig den Notruf wählen.“
• Face: Ist eine Gesichtshälfte heruntergezogen?
• Arms: Sinkt ein Arm ab, wenn die Person beide Arme hebt?
• Speech: Ist die Sprache unklar oder verworren?
• Time: Sofort den Notruf wählen, wenn eines dieser Symptome auftritt!
Und was passiert, wenn man mit dem Verdacht auf einen Schlaganfall ins Krankenhaus kommt, Herr Müller?
„Im Kreiskrankenhaus Frankenberg sind wir für die Versorgung von Schlaganfallpatienten sehr gut aufgestellt. Unterrichtet uns der Notarzt, dass er mit einem Verdachtsfall auf dem Weg zu uns ist, werden Vorbereitungen getroffen, um den Patienten sofort bei Ankunft per Computertomographie zu untersuchen. Bestätigt sich der Verdacht eines verstopften Blutgefäßes im Gehirn (sog. Ischämischer Schlaganfall), beginnen wir umgehend mit der Lyse-Behandlung, der medikamentösen Auflösung des Gerinnsels per Infusion.“ „Im besten Fall sind wir früh genug, und das von der Blutversorgung abgeschnittene Gewebe hat keinen dauerhaften Schaden erlitten. Dann steht einer vollständigen Genesung nichts im Wege.“ Während der Akutbehandlung kommt
der Patient in den im letzten Jahr neu eingerichteten Überwachungsbereich, der der Intensivstation angegliedert wurde. Geschulte Pflegekräfte, ergänzt durch erfahrene und fachweitergebildete Kollegen der Intensivstation, gehen individuell auf die Patienten ein und übernehmen die optimale Versorgung.“
„Bei etwa 15 % der Fälle stellen wir eine Hirnblutung als Ursache der Schlaganfallsymptome fest. Diese lässt sich ebenfalls direkt in der Computertomographie nachweisen, erfordert aber eine ganz andere Therapie. Bei sorgfältig ausgewählten Patienten mit diesem Befund kommen unsere neurochirurgischen Kollegen zum Einsatz“, ergänzt Dr. Marouf.
Dr. Marouf, was wird unternommen, wenn die akute Gefahr gebannt ist?
„Nun gilt es – noch auf der Überwachungsstation – genau zu untersuchen, welche Gehirnregionen und damit welche Körperfunktionen gestört sind. Hierauf basieren die weiteren Therapieempfehlungen. Von Beginn an, wird der Patient motiviert, mitzuarbeiten, um nicht in eine ängstliche Lethargie zu verfallen, denn die Erfahrung, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren, kann traumatisch sein. Umso wichtiger ist es, den Patienten Zuversicht zu geben, ihnen zu erklären, was die moderne Medizin leisten kann, wie viel sie aber auch selbst beitragen können, um wieder fit für den Alltag zu werden. Hierbei wird der Patient unterstützt durch ein erfahrenes Team aus Ärzten, Pflegekräften, Physio- und Ergotherapeuten und Logopäden.“
„Viele unserer Schlaganfallpatienten gehen nach dem Aufenthalt bei uns direkt in eine Reha-Klinik. Ältere Schlaganfallpatienten haben bei uns im Haus direkt die Möglichkeit, in die sogenannte Frührehabilitation auf unserer geriatrischen Station zu wechseln, die auf die Bedürfnisse betagter Menschen zugeschnitten ist. Hier lernen die Patienten das Erlebte zu verarbeiten, ihrem Körper wieder zu vertrauen und körperliche und geistige Fähigkeiten zu trainieren. Das menschliche Gehirn hat unglaubliche Selbstheilungskräfte und mit gezielten Übungen gelingt es
vielfach, dass andere Gehirnregionen Aufgaben übernehmen, die ursprünglich in der vom Schlaganfall betroffenen Region liegen, so dass Schäden kompensiert werden können. Hierzu werden innovative Technologien und viel Fachkompetenz eingesetzt, um den Genesungsprozess zu unterstützen.“
1 Robert-Koch-Institut, Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. (Deutschland: Gemeinsam getragen von RKI und Destatis., 2015), pp. 1–129 – DOI: 17886/rkipubl-2015-003-2. Bericht des Forsa-Instituts: https://www.dak.de/dak/download/forsa-ergebnisbericht-2636740.pdf.