Die Meisten kamen freiwillig zurück

Thorben Wengert pixelio.de

Hessischer Maßregelvollzug – Entweichungsstatistik 2015

Kassel(nh/od). Die meisten 2015 aus dem hessischen Maßregelvollzug entwichenen Patienten kehrten freiwillig in ihre Klinik zurück. Bei keinem gibt es Hinweise auf ein Delikt während der Entweichung. Von den 2015 durchschnittlich 680 in Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie untergebrachten Patienten sind 14 entwichen und fünf ausgebrochen.

 Zehn kehrten freiwillig zurück. Sechs waren am gleichen Tag, fünf nach einem Tag und acht nach mehr als einem Tag wieder zurück in den Kliniken. Neun Patienten entwichen aus der Dauerbelastungserprobung zur Vorbereitung auf die Entlassung aus dem Maßregelvollzug, vier während unbegleiteter Ausgänge im Rahmen von Vollzugslockerungen und einer während einer Wochenendbeurlaubung. Die Zahl der Entweichungen aus einer Dauerbeurlaubung zur Vorbereitung auf die Entlassung steigt seit 2010. Ein Grund dafür ist nach Einschätzung der ärztlichen Leitungen ein Wandel in der Rechtsprechung. Dort gewinnt das Freiheitsrecht des Patienten mit zunehmender Unterbringungsdauer an Gewicht gegenüber dem Sicherungsanspruch der Öffentlichkeit. Die Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie betreiben in Hessen insgesamt 755 Behandlungsplätze, die 2015 zu rund 90 Prozent ausgelastet waren.

Fünf Entweichungen aus Vollzugslockerungen Kliniken für psychisch kranke Rechtsbrecher (§ 63 StGB)

Ein Patient der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina kehrte von einem Ausflug nicht vereinbarungsgemäß in die halboffene Station zurück. Er wurde nach 52 Tagen von der Polizei aufgegriffen und zurückgebracht. Ein anderer Patient dieser Klinik kam zunächst nicht von einem unbegleiteten Parkausgang zurück, meldete sich jedoch noch am selben Tag wieder in der Einrichtung. Ein weiterer Patient verließ die offene Behandlungsstation und war nicht wie vereinbart zur Schließung der Station zurück. Er stellte sich freiwillig nach nur einem Tag.

Kliniken für suchtkranke Rechtsbrecher (§ 64 StGB)

Ein Patient der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Bad Emstal kehrte von einer Belastungserprobung nicht vereinbarungsgemäß in den offenen Therapiebereich zurück. Er kam erst nach 46 Tage freiwillig zurück. Ein anderer Patient dieser Klinik entwich von der offenen Therapiestation. Er kehrte nach vier Tage freiwillig zurück. Bei keinem dieser Patienten gibt es Hinweise auf Delikte während der Entweichungen.

Neun Entweichungen aus dem Entlassungsurlaub Kliniken für psychisch kranke Rechtsbrecher (§ 63 StGB)

Zwei Patienten der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina entwichen aus dem Entlassungsurlaub. Einer konnte während einer Dauerbeurlaubung telefonisch nicht mehr erreicht werden. Er wurde einen Tag später von der Polizei in die Klinik zurückgebracht. Der andere konnte noch am selben Tag von der Polizei aufgegriffen und zurückgebracht werden. Ein Patient der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Eltville entwich während der Dauerbeurlaubung aus einer nachsorgenden Einrichtung. Er wurde einen Tag später durch die Polizei in die Einrichtung zurückgebracht.

Kliniken für suchtkranke Rechtsbrecher (§ 64 StGB)

Vier Patienten der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Bad Emstal entwichen aus der Dauerbeurlaubung. Zwei kehrten freiwillig (einen Tag später/nach 44 Tagen) und zweidurch die Polizei (am selben Tag/einen Tag später) in die Klinik zurück. Zwei Patienten der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Hadamar entwichen aus der Dauerbeurlaubung. Einer wurde nach 43 Tagen durch die Polizei in die Klinik zurückgebracht, der andere kehrte nach drei Tagen freiwillig zurück. Bei keinem dieser Patienten gibt es Hinweise auf Delikte während der Entweichungen.

Fünf Ausbrüche

Alle Ausbrüche wurden sofort gemeinsam mit der Fachaufsicht des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration (HMSI) intensiv und transparent aufgearbeitet. Maßnahmen zur Verhinderung ähnlicher Vorfälle wurden jeweils unverzüglich eingeleitet. Kliniken für psychisch kranke Rechtsbrecher (§ 63 StGB) Zwei Patienten konnten aus der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina ausbrechen. Beide sind noch am selben Tag freiwillig in die Klinik zurückgekehrt. Kliniken für suchtkranke Rechtsbrecher (§ 64 StGB) Zwei Patienten der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Hadamar konnten sich die Flucht aus einem Gebäude erzwingen. Der eine Patient wurde bereits nach drei Tagen, der andere nach 34 Tagen von der Polizei in die Klinik zurückgebracht. Ein weiterer Patient dieser Klinik konnte ausbrechen. Er ist bereits einen Tag nach seinem Ausbruch freiwillig in die Klinik zurückgekehrt. Bei keinem dieser Patienten gibt es Hinweise auf Delikte während der Entweichungen. Keine Entweichungen Bei den Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie Riedstadt und der Vitos jugendforensischen Klinik Marburg gab es 2015 keine Entweichungen.

Statistik: Entweichungsrate
Von den 2015 aus Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie entwichenen 19 Patienten fließen fünf Entweichungen in den statistischen Bundesvergleich. Die Entweichungsrate pro 100 Belegungsfälle (Entweichungen geteilt durch die Durchschnittsbelegung mal 100) liegt für die Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie 2015 somit bei 0,73 Prozent Patienten. Die bundesdurchschnittliche Entweichungsrate lag bei der letzten Datenerhebung 2013 bei 0,85 Patienten. Hessen liegt damit im Vergleich zu den 14 teilnehmenden Bundesländern unter dem Durchschnitt. Die zuständigen Ministerien und Senate der Bundesländer hatten sich 2006 darauf verständigt, eine konzentrierte Zusammenstellung der Strukturen und Kosten des Maßregelvollzuges zu erstellen. Dieser Kerndatensatz für den Maßregelvollzug enthält Qualitätskennzahlen in Form einer Entweichungsrate. 

Hintergrundinformationen Statistik: Entweichungen und Ausbrüche
Seit 2011 werden für die Vergleichszahlen nur noch solche Ereignistypen als Entweichung gezählt, die wenig Interpretationsspielraum zulassen. Das sind Ausbrüche (Überwindung von baulichen, technischen oder personellen Hindernissen) und Entweichungen bei begleiteten Ausgängen. Missbrauch von Vollzugslockerungen sind meistens verspätete Rückkehrer aus unbegleiteten Ausgängen. Deren Zählweise ist aber je nach Bundesland bzw. Klinik unterschiedlich. Manche zählen ab der ersten Verspätungsminute, andere räumen eine gewisse Kulanz ein. Somit sind diese Daten nicht valide und werden nicht mehr berücksichtigt. Entweichungen aus der Dauerbeurlaubung zur Vorbereitung auf die Entlassung werden im Kerndatensatz nicht erfasst. Maßregelvollzug In Hessen sind die Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie mit dem Maßregelvollzug
beauftragt. § 63 StGB: Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung, einer geistigen Behinderung oder einer Persönlichkeitsstörung eine Straftat begangen haben, werden von einem Gutachter dahin gehend untersucht, ob sie zum Tatzeitpunkt nicht oder nur vermindert schuldfähig waren. Wenn das der Fall ist, und wenn aufgrund der Erkrankung weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind, weist sie das Gericht in eine Klinik für forensische Psychiatrie ein. Hier werden ihre Erkrankung ärztlich behandelt und eine sichere Unterbringung gewährleistet. §64 StGB: Suchtkranke Menschen, die straffällig geworden sind und bei denen wegen ihrer Suchterkrankung erheblich Wiederholungstaten zu erwarten sind, werden in forensische Kliniken für Suchtkranke eingewiesen. Voraussetzung ist die nötige Erfolgsaussicht der Suchttherapie. Entlassungsurlaub Der Entlassungsurlaub ist für die Wiedereingliederung eines Patienten in die Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Er findet in der Regel in einer Nachsorgeeinrichtung am Ort des zukünftigen Wohnortes statt. Bei dieser wichtigen Rehabilitationsmaßnahme soll sich der Patient über einen längeren Zeitraum (bis zu acht Monate) außerhalb der Einrichtung in relativer Selbstständigkeit bewähren. Eine Entweichung aus dem Entlassungsurlaub liegt dann vor, wenn er gegen Auflagen verstößt. Das heißt, wenn er Meldepflichten nicht einhält und für das Personal der forensisch-psychiatrischen Ambulanz nicht mehr erreichbar ist.

Vitos

Die Vitos GmbH ist die strategische Managementholding von zwölf gemeinnützigen Unternehmen. Alleingesellschafter ist der Landeswohlfahrtsverband Hessen. Diagnostik und Behandlung von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen in psychiatrischen, psychosomatischen und forensisch-psychiatrischen Kliniken ist die Kernaufgabe. 9.600 Mitarbeiter erwirtschaften an 60 Standorten einen jährlichen Gesamtertrag von 610 Mio. Euro, behandeln 43.000 Patienten stationär/teilstationär und 171.000 ambulant. Mit 3.500 Betten/Plätzen ist der Konzern Hessens größter Anbieter für die ambulante, teil- und vollstationäre Behandlung psychisch kranker Menschen. In den Einrichtungen für Menschen mit geistiger bzw. seelischer Behinderung und der Jugendhilfe stehen insgesamt 2.300 Plätze bereit. Die Fachkliniken für Neurologie und Orthopädie haben gemeinsam 300 Betten.

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