Misteln lieber als nachhaltigen Adventsschmuck als am Obstbaum
Wetzlar(pm). Sie ist kugelig, ihre Beeren sind klebrig und sie breitet sich hartnäckig aus – die Weißbeerige Laubholz-Mistel (Viscum album). Die immergrüne Pflanze ist für die Streuobstwiesen in Hessen inzwischen zum massiven Problem geworden. Besonders Apfelbäume, die lange nicht geschnitten wurden, sind betroffen. Weil die Pflanze den Bäumen ihren Lebenssaft entzieht, rät der NABU, zügig und konsequent zu Säge und Astschere zu greifen: „Es ist sinnvoll, frostfreie Tage zu nutzen, um Obstbäume von Misteln zu befreien. Die Pflanze ist nicht besonders gesetzlich geschützt. Auch wenn sie hübsch aussieht – wer Misteln schneidet, erhält die Vitalität seiner Streuobstbäume und damit einen wichtigen Lebensraum für Vögel, Insekten und viele andere Kleinlebewesen“, erklärt Maik Sommerhage, Landesvorsitzender des NABU Hessen.
Adventsschmuck von der Streuobstwiese
Auf Streuobstwiesen sieht der NABU die Misteln nicht gern. Für Obstbäume ist die immer schnellere Ausbreitung der Mistel bedrohlich. Wird sie nicht entfernt, wächst sie mit ihren Wurzeln tief ins Holz. Um sie wieder loszuwerden, müssen oftmals ganze Äste entfernt werden. Besser ist es daher, früh zu reagieren. „Wer Bäume besitzt – ganz gleich, ob Privatperson, Kommune oder Landwirtschaftsbetrieb – trägt Verantwortung und sollte sich auch um ihre Pflege kümmern“, stellt Sommerhage fest. Beim Mistelschneiden für den privaten Gebrauch gilt folgende Regel: Misteln stehen nicht unter Naturschutz und dürfen auch ganzjährig aus befallenen Obstbäumen entfernt werden. Auf dem eigenen Grundstück kann man Misteln den ganzen Winter über an frostfreien Tagen schneiden, denn so wird die Vitalität der Obstbäume erhalten. Wer Misteln auf dem Grundstück eines anderen schneiden möchte, muss den Grundstückseigentümer um Erlaubnis fragen. Entfernte Misteln lassen sich dann als dekorativer, nachhaltiger Adventsschmuck nutzen. „Küssen unterm Mistelzweig ist ein alter Weihnachtsbrauch, der auf eine nordische Göttersage zurückgeht und Glück bringen soll. Dem Obstbaum bringt es allemal Glück, wenn die Mistel am Türrahmen statt in der Baumkrone hängt“, schmunzelt Sommerhage.
Misteln sind weiterer Stressfaktor in der Klimakrise
Für die Streuobstflächen kommen bei der Mistel einige ungünstige Faktoren zusammen. Die Bäume leiden durch den Klimawandel vermehrt unter Hitze, Trockenheit und Baumkrankheiten. Mit der Mistel kommt dann ein weiterer Stressfaktor hinzu. Steigende Temperaturen begünstigen ihre Ausbreitung. „Zur Vermehrung der Mistel hat sich die Natur einen ganz besonderen Trick ausgedacht: Mehr als 20 Vogelarten fressen die Beeren der Mistel gerne. Ihre weißen Früchte sind so klebrig, dass ein Teil davon an Vogelschnäbeln haften bleibt. Wetzen die Vögel ihren Schnabel an einem Zweig oder Ast oder hinterlassen dort ihren Kot, kleben die Mistelsamen an der Rinde des künftigen Wirtsbaumes fest. So kann sich die Mistel über mehrere Kilometer verbreiten“, erklärt der Vogelkundler Sommerhage. Treibt dann der Samen aus, bildet sich zunächst eine Haftscheibe, um der Jungpflanze Halt zu garantieren. Die Saugwurzeln bohren sich in die Rinde des Wirtsbaumes ein, um dessen Leitungsbahnen zu erreichen. Die Mistel zapft als Halbschmarotzer Wasser und Mineralstoffe ab, die der Baum aus der Erde zieht, betreibt selbst aber auch noch Photosynthese. Sie wächst eher langsam, erst im zweiten Jahr bildet sich der erste verzweigte Spross mit ledrigen Laubblättern. Bis die Pflanze ihre typische kugelige Form erreicht, vergehen viele weitere Jahre.
Obstbäume pflegen und regelmäßig kontrollieren
Besonders von Misteln betroffen sind nicht oder wenig gepflegte Apfelbäume. Wenn die Mistel hier gehäuft auftritt, sollte sie alle zwei bis drei Jahre entfernt werden. Denn erst nach vier Jahren trägt sie Beeren und damit Samen. So wird die Ausbreitung in Streuobstwiesen gebremst. Soll ein Obstbaum gesichert werden, müssen stark befallene Äste entfernt oder stark zurückgeschnitten werden. Bei geringem Befall reicht es aus, die Misteln samt Wurzeln mit einer Kerbe oder einem Bohrloch auszuschaben. Die Wurzeln der Misteln sind als grüne Stellen im Holz erkennbar. „Wer Misteln schneidet, hilft dabei, alte Streuobstbäume gesund zu halten. Damit bleiben auch Spechthöhlen erhalten, die als Kinderstube für Gartenrotschwanz oder Steinkauz dienen“, so Sommerhage.
Hochstämme nachpflanzen für Specht und Wendehals
Wird die Laubholz-Mistel nicht entfernt, kann sie einen bereits geschwächten Baum im Extremfall vollends zum Absterben bringen. Ist nichts mehr zu retten, sollte ein hochstämmiger Obstbaum durch einen ebensolchen ersetzt werden. Denn Spechte zimmern ihre Bruthöhlen am liebsten in große, stämmige Bäume mit einer Mindeststammhöhe von 1,80 Meter. „Ist die Spechtfamilie ausgezogen, nutzen viele selten gewordene Höhlenbrüter wie Wendehals oder Halsbandschnäpper den freien Platz, um im Frühjahr den Nachwuchs darin aufzuziehen“, erklärt Sommerhage. Die Baumhöhlen sind auch bei Siebenschläfern, Fledermäusen und Hornissen begehrt.
Misteln beim NABU melden
Um herauszufinden, ob sich die Misteln weiter ausbreiten und ob es regionale Unterschiede gibt, hat der NABU ein Monitoring gestartet. Im Herbst und Winter lassen sich Misteln an kahlen Bäumen gut erkennen. Daher ist nun die ideale Meldezeit. Der NABU ruft dazu auf, bis einschließlich Februar Misteln zu zählen und online zu melden. Je mehr Menschen mitmachen und Misteln melden, desto detailreicher wird die Mistelkarte für Hessen und desto eher lassen sich Hotspots und bedrohte Streuobstbestände erkennen.



