Fachtag in Butzbach diskutierte über „Die polarisierte Gesellschaft“ und wie man ihr entgegentritt

„Wir müssen raus aus unserer Komfortzone!“

Butzbach(pm/nh). „Raus aus der Komfortzone!“ – so könnte man plakativ das Ergebnis der Diskussionen auf dem Fachtag „Die polarisierte Gesellschaft. Entwicklungen und Erwiderungen“ zusammenfassen, den das Demokratiezentrum Hessen im „beratungsNetzwerk hessen – gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ am 16. April in Butzbach veranstaltete. Mehr als 100 Fachleute aus ganz Deutschland beschäftigten sich auf dem Fachtag in Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden mit aktuellen Entwicklungen in Deutschland als einem Land mit wachsenden Gegensätzen, einem Land mit einer zunehmend gespaltenen Bevölkerung, einem Land zwischen Willkommenskultur und Rechtspopulismus. Denn einerseits besönnen sich viele – gerade im Zuge der Aufnahme von Geflüchteten – auf menschenrechtliche und demokratische Errungenschaften und setzten Zeichen gegen Rassismus und die neue Rechte; andererseits würden Stimmen unter dem Motto „Man wird ja wohl noch sagen dürfen …“ lauter und verschöben den Diskurs zunehmend nach rechts, so hieß es. Dies stelle auch die Arbeit der Mobilen Beratung für Demokratie und gegen (Rechts)Extremismus und der Träger der politischen Bildung vor neue Herausforderungen. Müssen folglich vorhandene Konzepte zur Neugestaltung unseres Zusammenlebens überdacht werden, und wie lässt sich unter den neuen Vorzeichen ein solidarisches, friedliches Miteinander in unserer pluralen Gesellschaft erreichen, fragte man sich. 

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Dazu gab es zwei Hauptreferate: Dr. Anastasia Paschalidou, Jugendbildungsreferentin bei der Jugendbildung Hessen des Internationalen Bundes Südwest, hielt einen Vortrag mit dem Titel „Rassismuskritik und Intersektionalität als Perspektiven für die politische Bildung“ und Dr. Karina Becker, wissenschaftliche Leiterin am Kolleg Postwachstumsgesellschaften (Friedrich-Schiller-Universität Jena), sprach über „Die Abstiegsgesellschaft als Adressat von Rechtspopulismus“.
In beiden Vorträgen und der anschließenden von Dr. Nkechi Madubuko moderierten Podiumsdiskussion mit den Referentinnen sowie auch in den Workshops am Nachmittag zu verschiedenen Aspekten des Themas wurde deutlich: Es ist wichtig, dass wir in Zeiten eines zunehmenden Auseinanderdriftens der Gesellschaft die Demokratie nicht als selbstverständlich ansehen. Oder – wie es Dr. Reiner Becker, Leiter des Demokratiezentrums Hessen, in seiner Einleitung formulierte: „Wir müssen raus aus unserer Komfortzone!“. Es komme im Großen wie im Kleinen darauf an, sich für die Demokratie zu engagieren und dabei auch nicht die Auseinandersetzung zu scheuen. Es genüge der Blick über den Tellerrand, um festzustellen, wie sehr die Demokratie in anderen Ländern ausgehöhlt werde und zugleich vielerorts der Rückzug in das nationalistische Schneckenhaus an Attraktion gewinne. Die Sorgen vieler Zweifelnder in der Gesellschaft, die sich „abgehängt“ fühlen, mit Empathie ernst zu nehmen, Kontroversen auszuhalten, einen ehrlichen Dialog zu führen und die für die Demokratie charakteristische und notwendige Streitkultur offen zu praktizieren seien mögliche Antworten, der Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken sowie Radikalität, Rassismus und Rechtsextremismus vorzubeugen, lauteten Schlussfolgerungen der Tagung.

Hintergrund: Über das Beratungsnetzwerk Hessen und das Demokratiezentrum Hessen Ziel und Aufgabe des „beratungsNetzwerks hessen – gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ ist es, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus oder Salafismus vorzubeugen und entgegenzuwirken. Seit 2007 berät es in solchen Fällen Schulen, Eltern, Familienangehörige, Kommunen, Vereine, Diskriminierungsopfer und andere Betroffene und bietet ein breites Spektrum entsprechender Präventionsmaßnahmen an. Im Beratungsnetzwerk kooperieren zahlreiche staatliche, nichtstaatliche und kirchliche Institutionen, Organisationen, Vereine, öffentliche und freie Träger aus ganz Hessen sowie landesweit eingesetzte mobile Beraterinnen und Berater. Zentrale Anlauf-, Fach- und Geschäftsstelle des Beratungsnetzwerks ist das Demokratiezentrum Hessen, das an der Philipps-Universität Marburg angesiedelt ist. Es vermittelt Ansprechpartner/innen vor Ort, koordiniert die Beratung, Vernetzung und Prävention und dokumentiert die Arbeit des Beratungsnetzwerks Hessen. Finanziert wird die Arbeit des Beratungsnetzwerks und des Demokratiezentrums Hessen durch das Hessische Ministerium des Inneren und für Sport im Rahmen des Landesprogramms „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ sowie durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über das Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. Internetadresse: http://beratungsnetzwerk-hessen.de/

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