Unser Wasser – Abschluss und Fazit

Von Landrat Dr. Reinhard Kubat. Die Corona-Pandemie bestimmt unser Leben nun seit einem Jahr. Niemand von uns hätte
sich vorstellen können, dass wir so lange mit bis dahin nicht bekannten Einschränkungen unserer Freiheiten im privaten wie im öffentlichen Bereich zu tun haben würden. Alle von uns ersehnen nichts mehr als die Rückkehr zur Normalität, in einen Zustand also, in dem alles so ist, wie es immer war. Diese Konzentration auf ein festes Ziel hatte zur Folge, dass wir so etwas wie einen „Tunnelblick“ ausgebildet haben. Unser Leben ist nur noch auf einen Weg und auf ein Ziel hin ausgerichtet.


Dabei ist die Corona- Pandemie nur eines der Probleme, die uns – und damit meine ich die Menschheit insgesamt – bedrohen. Den Klimawandel gibt es noch immer und seine Auswirkungen haben nichts an Dramatik verloren. Das Artensterben, die Reduzierung unserer Biodiversität, geht weiter und der Raubbau an unseren Ressourcen hat auch in Zeiten der Pandemie nicht wesentlich nachgelassen. Vor diesem Hintergrund habe ich im Herbst vergangenen Jahres die Idee entwickelt, eine Serie über das Wasser zu schreiben, DIE Grundlage allen Lebens. Ich wollte deutlich machen, dass wir ungeachtet dessen, was uns gerade begegnet und widerfährt, mit existenziellen Herausforderungen zu kämpfen haben, und ich wollte versuchen, den Blick wieder etwas zu weiten. Die Anregung dazu verdanke ich nicht zuletzt auch der Wasserinitiative Waldeck-Frankenberg, die den Schutz unseres Wassers quasi zum zentralen Anliegen einer Bürgerbewegung gemacht und damit in die viel zitierte „Mitte der Gesellschaft“ gebracht hat. Natürlich war ich mir zunächst unsicher darüber, ob ich Irgendjemanden erreichen, Irgendjemandes Interesse wecken könnte. Mittlerweile haben mich zahlreiche Reaktionen erreicht, kritische ebenso wie zustimmende. Und ich habe mich tatsächlich über jede einzelne davon gefreut.

Freizeitvergnügen in und an Seen, auch das ist nur möglich, wenn ausreichend Wasser vorhanden ist. (Foto: Landkreis Waldeck-Frankenberg)

Aber ich konnte auch Menschen zum Staunen und Nachdenken bringen. Vielen ist bewusst geworden, wie vielgestaltig, wie reich an Facetten das Thema „Wasser“ ist. Einige waren besonders gefesselt von der Interaktion zwischen Bodenbeschaffenheit und Konsistenz
des Wassers. Andere hatten noch nie etwas von „virtuellem Wasser“ gehört. Aber der weitaus größte Teil der Leser machte sich Sorgen um die Ressource Wasser und die Erhaltung der Qualität. Noch ist Wasser bei uns – vor allem dank guter Bewirtschaftung – in ausreichender Menge vorhanden, wenngleich uns extreme Wettersituationen auch hier bereits die Grenzen aufzeigen. Die Qualität ist nach wie vor exzellent, Wasser ist das reinste aller Lebensmittel. Aber wie lange können wir diese Standards noch halten, wenn wir weitermachen wie bisher? Das ist eine Frage, die in vielen Stellungnahmen anklang. Die meisten Reaktionen erreichten mich zu dem Beitrag über „virtuelles Wasser“, also jene Menge an Wasser, die in die Produktion von Waren und Gütern investiert wird, die wir täglich
nutzen oder konsumieren. Dieses virtuelle Wasser steckt in allem, vom Computer oder Handy bis zu Nahrungsmitteln und hier insbesondere in Fleisch. Kein Wunder also, dass die Bauernverbände besonders heftig widersprachen. Man warf mir falsche Berechnungen vor und stellte dem andere Rechenmodelle entgegen. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir beim virtuellen Wasser Näherungswerte nutzen, die gleichermaßen auf Erfahrung wie auf Schätzung beruhen. Aber auch wenn man beim Verbrauch auf unterschiedliche Ergebnisse kommt, so ändert das nichts an der Tatsache, dass in praktisch allem, was wir zum täglichen Leben brauchen, Wasser steckt, das wir nicht sehen können. Und darauf kommt es an. Ein Bewusstsein für einen Verbrauch zu entwickeln,
der unseren Sinnen nicht unmittelbar zugänglich ist, den wir aber berücksichtigen müssen. Exakt dies war meine Intention und nicht etwa eine Diskreditierung der Landwirtschaft, die wir brauchen, die wir haben wollen und die wir schätzen.

Wasser ist zum Waschen da… selbst die Feuerwehr benötigt Wasser sehr.“ (Liedtext der Peheiros).(Foto: Landkreis Waldeck-Frankenberg)


Eine junge Frau nahm den Beitrag über virtuelles Wasser zum Anlass, mich auf ein EU-Projekt mit dem Titel „Water of the future“ aufmerksam zu machen. Es geht in diesem Projekt darum, ein Bewusstsein für den nicht sichtbaren Wasserverbrauch zu schaffen. In Workshops sollen Materialien entwickelt werden, die dann in „niederschwelligen Aktionen“, etwa im Rahmen eines geführten Spaziergangs zur Information der Bürgerinnen und Bürger, eingesetzt werden können. Dies scheint mir ein sehr interessanter Ansatz zu sein, den wir seitens des Kreises sicher auch unterstützen würden. Als sehr erfreulich habe ich es auch empfunden, dass viele Menschen mit offenen Augen durch die Natur gehen und genau erkennen, wo es Probleme oder Fehlentwicklungen gibt. Aus diesen Naturbeobachtungen resultierten zahlreiche sehr interessante Vorschläge. Ein Naturfreund berichtete mir in einer Mail, dass nach Niederschlägen oder während der Schneeschmelze das Wasser oft viel zu schnell über Dränagegräben in die Flüsse abgeleitet
wird und deshalb dort schnell knapp wird, wo es eigentlich gebraucht würde. Sein Vorschlag: „Man kann großflächig überall mit kleinen Arbeiten in Wald und Feld Wasserstaus anlegen.“ Das ist ein überlegenswerter Ansatz, der einem schnellen Austrocken der Böden
auch in niederschlagsarmen Jahren entgegenwirken könnte. Dass gut gemeint nicht zwangsläufig auch gut bedeutet, konnte ich der Stellungnahme eines Lesers aus dem Upland entnehmen. Er bezog sich dabei auf den Beitrag über die EU-Wasserrahmenrichtlinie
bzw. deren Umsetzung im Bereich der Gemeinde Willingen. Er bemängelte, dass da, wo Gewässer wieder in den Ursprungszustand versetzt werden, Ökopunkte verteilt werden, die dann Eingriffe in die Natur an anderer Stelle zulassen. Dadurch wird nach seiner Einschätzung mehr verdorben als gut gemacht. „Dies führt zu weiterer Versiegelung, was wiederum dem Gesamtwasserhaushalt schadet – wo bleibt die ganzheitliche Betrachtung?“, heißt es wörtlich in dem Leserbrief. Sehr ausführlich und mit vielen praktischen Handlungsanweisungen versehen ist ein Text unseres diesjährigen Naturschutzpreisträgers und ehemaligen Leiters des Geoparks Grenz-Welten, Norbert Panek, den ich vor Veröffentlichung bereits einsehen durfte. Der Autor beschäftigt sich darin mit der Funktion des Waldes als Wasserspeicher, die dieser aber aufgrund der vorherrschenden Monokulturen oft nicht mehr wahrnehmen kann. Durch den Umbau der Wälder, gerade unter dem Vorzeichen des Klimawandels, könnte die Entwicklung jedoch gestoppt werden. Ich hoffe, dass dieser Beitrag bald für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird. Er ist unbedingt empfehlenswert.

… letztendlich auch eine Erscheinungsform des Wassers, in den Augen vieler Menschen die schönste. Foto: Landkreis Waldeck-Frankenberg

Und auch an den Verkauf des Burgwaldwassers nach Südhessen hat ein Leser meiner Wasserserie noch einmal erinnert. Die Aktionsgemeinschaft „Rettet den Burgwald“ e.V. hat es sich ja dankenswerterweise zur Aufgabe gemacht, das Grundwasservorkommen im Burgwald zu schützen. Erschreckend fand ich es allerdings, im Jahresbericht der Aktionsgemeinschaft lesen zu müssen, dass die naturschädigende Wasserentnahme im Burgwald durch den Zweckverband der Mittelhessischen Wasserwerke trotz der sehr niederschlagsarmen Sommer 2018 und 2019 sogar noch ausgeweitet wurde. Hier gilt es gut aufzupassen, das wirtschaftliche Interesse nicht soweit überhand nehmen zu lassen, dem Burgwald und damit auch seinen Anrainern jegliche Lebensgrundlage zu entziehen.
Ich habe mich über jede Reaktion gefreut, das möchte ich ausdrücklich noch einmal betonen. Mir war es gleich, ob sie negativ oder positiv war. Wichtig ist, dass wir das für unser Überleben unverzichtbare Thema Wasser im Bewusstsein der Menschen verankern. Und
wir können nur Erfolg haben, wenn wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen, unsere Positionen mit Respekt und ohne Vorbehalt vortragen und anhören können. Meine Artikelserie über das Wasser endet zwar mit dieser Zusammenschau, aber die gemeinsame
Arbeit muss nun beginnen. Ich weiß, dass dabei die Gülleimporte zunächst ganz oben auf der Agenda stehen werden. Wir können sie noch nicht verhindern, aber wir müssen Wege finden, um damit umzugehen und sie zu reduzieren bzw. möglichst bis auf Null
zu fahren. Auch, wenn dieser Weg über Gesetzesänderungen führen wird. Vorschläge, Anregungen und Kritik sind weiterhin willkommen. Ich wünsche sie mir ausdrücklich. Wenn aus diesen vereinzelten Beiträgen eine starke Bewegung entstehen wird,
dann wäre das wirklich die schönste Bestätigung für mich. Ich lade Sie alle ein, gemeinsam für unsere Lebensgrundlage zu kämpfen, gemäß dem bereits zitierten EU-Projekt „Water of the future“.

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