Streckung der Holzernte als Sofortmaßnahme statt Aufforstungsprogramme

NABU Hessen fordert andere Praxis der Forst-Bewirtschaftung

Wetzlar(pm). Nach 16 Monaten Trockenheit zeigen sich diesen Sommer die Folgen der Klimaerwärmung für den hessischen Wald. Überall sind sterbende Fichten- und Kiefernbestände zu sehen. „Künftig darf nicht mehr die Holz-Produktion im Vordergrund stehen, sondern der Erhalt der Wälder“ fordert Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen, angesichts der aktuellen umfangreichen Waldschäden. Der Naturschutzbund fordert als Sofortmaßnahme eine zeitliche Streckung der Ernte. Statt radikaler Schirmschläge solle künftig das feuchte Waldklima in einem „Dauerwald“ erhalten bleiben. Die Stabilisierung unserer heimischen Laubwälder ist viel wichtiger als neue Aufforstungen mit Douglasien “, so Eppler. Sie sei deutlich billiger und mit einem einzigen Erlass sofort erreichbar. NABU sieht Forderungen nach staatlicher Förderung für Aufforstungen kritisch und präsentiert auf seiner Internetseite zahlreiche weitere Vorschläge, wie der Wald stabiler im Klimawandel gemacht werden kann.

Der Wald müsse Artenschutz, Erholungswert und seine Funktionen als Wasserspeicher, Luftfilter und Kohlendioxid-Speicher gewährleisten. Aktuell ist es in der forstlichen Praxis üblich, erntereife Laubwälder im Alter von etwa 130 Jahren innerhalb von nur 20 Jahren zu fällen. Übrig bleiben dann nur ein paar ältere Bäume über einer gleichaltrigen Naturverjüngung. Das feuchte Waldklima wird dadurch schlagartig zerstört. Die nun freistehenden Buchen sind Sonne, Trockenheit und Wind stark ausgesetzt, so dass sie nicht lange überleben können. Aktuelle Meldungen über absterbende Buchen stammen meist von solchen Flächen. „Diese Bewirtschaftungsform stresst selbst die bei uns am besten an unser Klima angepasste Buche“, so Eppler. Der NABU fordert vom Land als Sofortmaßnahme eine Deckelung der Holzeinschläge auf 30 Prozent des Holzvorrates in der Planungsperiode von 10 Jahren. Da der Vorrat kontinuierlich zuwächst, würde so die Ernte über mehrere Jahrzehnte gestreckt. So könnte ein vielstufiger Wald mit Bäumen verschiedenen Alters heranwachsen. Aus diesem sogenannten Dauerwald können dann künftig kontinuierlich einzelne Bäume oder Baumgruppen geerntet werden. Aktuell werden innerhalb von 10 Jahren oft 50-60 Prozent eingeschlagen. Eine Zurückhaltung beim Einschlag wäre gerade jetzt kein Problem, da der Holzmarkt sei im Moment ohnehin mit Fichtenholz überschwemmt ist.

„Eigentlich sind Dauerwälder seit vielen Jahren ein Ziel der Richtlinie zur Bewirtschaftung des Hessischen Staatswaldes. Aus ökonomischem Interesse werde das Ziel aber selten umgesetzt“, so der NABU. Konsequenz der Ernte-Streckung seien für den Landeshaushalt geringere Einnahmen aus dem Holzverkauf in Höhe von nur 1,2 Millionen Euro pro Jahr. „Mit sehr geringem Einnahmeverlust könnte landesweit den Wäldern sehr geholfen werden“ betont Eppler. Ein weitgehend geschlossenes Kronendach ist der beste Schutz gegen Austrocknung. In vielstufigen Waldbeständen können zudem jüngere Bäume mögliche Ausfälle einzelner Buchen ersetzen und die Lücken schließen. Aufforstungsprogramme sieht der NABU hingegen skeptisch. Denn teure Pflanzungen könnten bereits im nächsten trockenen Sommer wieder absterben. Auch unterdrücken Pflanzungen das Aufwachsen natürlicher, an das Klima angepasster Vegetation. Selbstständig gekeimte Bäume in einer Naturverjüngung haben mehr Wurzeln und bessere Überlebenschancen. Laut Eppler sei es schwer vermittelbar, dass nun ausgerechnet die Betriebe mit Förderungen belohnt werden sollen, die sich jahrzehntelang einer naturnahen Waldentwicklung verschlossen und stattdessen auf Nadelholz-Monokulturen gesetzt haben. Vorausschauend wirtschaftende Betriebe hingegen gingen dann leer aus. „Welchen Sinn machen Aufforstungen, wenn gleichzeitig wieder anderswo alte Buchen mit Schirmschlägen freigestellt und der Trockenheit schutzlos ausgeliefert werden?“, so Eppler.

Wenn die Politik im Privatwald Aufforstungen fördern möchte, müsse dies an mehrere Bedingungen geknüpft werden. So kommen öffentliche Gelder nur für den Aufbau stabiler Laub-Mischwälder in Betracht. Gefördert werden sollte zur Risikostreuung eine größere Vielfalt von Baumarten, vor allem solche, die Privatwaldbesitzer aus wirtschaftlichen Gründen von sich aus nicht pflanzen würden. Und die Geldempfänger sollten in die Pflicht genommen werden, einen Teil ihres Laubwaldes aus der Holznutzung zu nehmen und dort eine natürliche Waldentwicklung zuzulassen. Der Landesbetrieb HessenForst solle zudem sein Projekt zur Personalreduzierung aufgeben und mit einer ausreichenden Zahl von Revierförstern und Forstarbeitern das Programm des naturnahen Waldumbaus in den kommenden Jahrzehnten sicherstellen.

Auch in Bayern hatte der Ministerpräsident Markus Söder Mitte Juli angekündigt, dass die Bayerischen Staatsforsten ihre Gewinnorientierung aufgeben und die Waldbewirtschaftung künftig ganz nach den Zielen Biodiversität und Klimaschutz ausrichten sollen. In Baden-Württemberg ist die 30-Prozent Deckelung der Holzeinschläge bereits gängige Praxis: Sie wurde als Sofortmaßnahme zum Schutz alter Wälder per Erlass vom 02.10.2013 angeordnet.

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