Steilhängen nördlich des Edersee: Antwort ohne Subtanz

Wiesbaden/ Waldeck-Frankenberg(nh). Die Abgeordnete Dr. Daniela Sommer(SPD) und die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Angelika Löber haben durch eine kleine Anfrage zu den Steilhängen am Edersee eingebracht. Die geschützten Waldflächen an den Steilhängen am Edersee umfassen zurzeit gerade etwa 100 Hektar. und 700 Hektar, die sich teilweise mit den Flächen der Naturschutzgebiete überschneiden, sind in einem so genannten Natura 2000-Gebiet zusammengefasst, das faktisch keine Schutzwirkung entfaltet. Die dort in einem aktuellen „Managementplan“ vorgeschlagenen Erhaltungsmaßnahmen würden lediglich auf den Flächen greifen, die als „Wald-Lebensraumtyp“ festgelegt sind; diese umfassen jedoch nur etwa ein Drittel der Natura 2000-Schutzfläche. In den übrigen Waldbeständen außerhalb dieser ausgewiesenen „Lebensraumtypen“ wird, so der Plan, „die bisherige Nutzung beibehalten.“ Und selbst die „Erhaltung“ der als Lebensraum besonders zu schützenden Buchenwälder will man laut Managementplan „weiterhin durch eine naturnahe forstliche Bewirtschaftung“ sichern.  Sommer sagt: „Wie diese „naturnahe“ Bewirtschaftung aussieht, kann man heute bereits in den Laubholzbeständen im Randbereich des Natura 2000-Gebiets beobachten, in denen die Altbaumschicht durch Holzerntemaßnahmen in den letzten Jahren massiv ausgedünnt wurde. Jeder Eingriff führt zu einer weiteren Isolierung und damit auch indirekt zu einer Entwertung der sensiblen Urwald-Kernbereiche. Diese sensiblen Kernbereiche müssen daher gemäß ihrer nationalen und internationalen Bedeutung umgehend in ein großräumiges fachlich fundiertes Schutz- und Waldverbundkonzept eingebunden werden.“ Nach Ansicht des Naturschutz-Experten Norbert Panek (Korbach) isti es „eine Kulturschande ersten Grades“, dass der Wert dieser herausragenden, geradezu einzigartigen Wälder am nördlichen Steilhangufer im Handeln der für das Gebiet Verantwortlichen kaum eine Rolle spielt. Für ein großräumig angelegtes Schutzkonzept gibt es laut Panek zwei Möglichkeiten: Die bisher diskutierte und von Panek nach wie vor favorisierte Variante „Nationalpark-Erweiterung“ oder alternativ die Ausweisung der Steilhangwälder nördlich des Edersees als „Nationales Naturmonument“. In der aktuellen Antwort auf die SPD-Anfrage verweist die zuständige hessische Ministerin Priska Hinz einerseits auf eine längst verjährte „Zusage des Hessischen Umweltministeriums an die Region, die Grenzen des Nationalparks im derzeitigen Zustand zu belassen“, andererseits räumt sie ein, dass die Kerngebiete der Edersee-Steilhänge im Zuge des Naturschutzgroßprojekts zukünftig „überwiegend als Naturschutzgebiete“ zu sichern sind. Sommer kritisiert mit ihrer Kollegin Angelika Löber: „Wie so oft liegt uns erneut eine Antwort ohne Substanz vor. Wie der Schutzstatus aus Sicht der Ministerin konkret aussehen soll, bleibt leider unbeantwortet. Ein Schutzkonzept auf Grundlage der eigenen Artenschutz-Richtlinie und die Ausweisung einer Pufferzone, um Artenvielfalt zu schützen, wäre ein Anfang.“ Sommer ergänzt: „Wir wünschen uns gemeinsam mit Naturschutz-Experten, dass endlich eine offene, sachbezogene sowie angst- und vorurteilsfreie Diskussion um den besten Status für die wertvollen Steilhang-Urwälder am Edersee beginnt.“  

Hintergrund: In den Randbereichen des heutigen Eder-Stausees in Nordhessen haben noch kleinflächige Reste von Urwäldern an den Steilhängen des Edertals überdauern können. Ein Großteil der wertvollen Hangwälder ist seit dem Bau der Edertalsperre vor mehr als einhundert Jahren und in den steilen, unzugänglichen Kernbereichen wahrscheinlich schon seit unendlich langer Zeit nicht genutzt worden. Nach Experten-Schätzung umfassen diese urwald-artigen, verstreut liegenden Baumbestände, hauptsächlich aus Buchen, Eichen und Edellaubhölzern bestehend, eine Gesamtfläche von etwa 150 Hektar. Sie liegen eingebettet in sehr naturnahen Waldkomplexen, die nochmals rund 600 bis 700 Hektar umfassen. Der Wert der Edersee-Wälder wird durch eine enorme Vielfalt vor allem an Arten belegt, die besonders auf alte Bäume und tote Holzmassen angewiesen sind, die es in den umliegenden Wirtschaftswäldern kaum mehr gibt. So entpuppen sich die Urwaldbestände am Edersee als wahre Raritäten-Kabinette, vor allem mit einer hoch diversen Holz bewohnenden Käfer-Fauna, die tatsächlich nur in Urwäldern überleben kann und in den intensiv genutzten Wäldern der Umgebung bereits ausgestorben ist. Dementsprechend sollten diese Wälder nicht nur unangetastet bleiben, sondern auch in ein hochwertiges, möglichst großflächiges Schutzkonzept mit nutzungsfreien Pufferzonen eingebunden werden. Auch in einschlägigen Artenschutz-Richtlinien, die Hessen-Forst selbst für bestimmte Urwald-Käferarten offiziell ausarbeiten ließ, wird vorgeschlagen, „um die bekannten Vorkommen herum eine großzügige breite Pufferzone anzulegen, in der die Bewirtschaftung komplett eingestellt wird.“

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