Europäischen Union: keine Gemeinsamkeit in Sicht

Der Referent Prof. Dr. Thomas Jäger. Foto: Jäger/nh

Frankenberg(nh/od).  Das Flüchtlingsthema zieht sich wie ein roter Faden durch die Vorträge der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V., Sektion Waldeck-Frankenberg (GSP). Auch der Vortrag von Prof. Dr. Thomas Jäger mit dem sperrigen Titel „Die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik – Überlegungen, Absichten und Beschlüsse der NATO und der Europäischen Union zur Gestaltung einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)“ ließ dieses Thema nicht aus.

 Manfred Weider, stellvertretender Sektionsleiter begrüßte den Referenten vor einem interessierten Publikum und führte in das Thema ein. Alle sind sich einig: Sicherheit in Europa lässt sich nur gemeinsam organisieren. Die tatsächliche Lage liese aber wenig Hoffnung, ob diese Gemeinsamkeit gefunden werden kann. Daher soll eine „Einrichtung“ der Europäischen Union (EU) näher betrachtet werden, die seit den 70er Jahren existiert, in der gemeinsam gearbeitet wird, die GASP. Ob hiervon die Gemeinsamkeit gewährleistet wird? Für diese Analyse wurde der ausgewiesene Kenner Prof. Dr. Thomas Jäger von der Kölner Universität engagiert.

Der Referent

Jäger studierte von 1981 bis 1986 Politikwissenschaft, Philosophie, Soziologie und Geschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Philipps-Universität Marburg. Er wurde 1990 bei Wilfried von Bredow an der Universität Marburg mit der Dissertation Europas neue Ordnung. Mitteleuropa als Alternative? zum Dr. phil. promoviert. 1995 habilitierte er sich im Fach Politikwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. 1999 wurde er zum Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln berufen. Er ist ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Außerdem gehört er dem wissenschaftlichen Direktorium des Instituts für Europäische Politik und des wissenschaftlichen Beirats des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr an. Ferner ist er Herausgeber der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik (ZfAS) und der Buchreihe Globale Gesellschaft und internationale Beziehungen. Er hat eine Gastkolumne bei Focus Online.

Prof. Jäger zeigte zu Beginn die Lage auf. Immer neue Themen beherrschen das Tagesgeschäft. Das Füchlingsthema, drängte die Ukraine aus den Medien. Wie Griechenland als Staat dasteht, interesseirt nicht mehr. Was fehlt ist der Überblick. Es wird nicht mehr analysiert. Es wird nicht agiert, nur reagiert. Daran ist auch oder vor allem die moderne Technik schuld. Diese kleinen flachen Geräte, die jeder hat, nannte Jäger als ein Grund für diese Situation. Alles wird in Echtzeit in die Welt getwittert. Und jeder meint, auf alles direkt eingehen zu müssen. Als weiterers Indiz für die durch die Digitalisierung geprägte Welt, nannte er Edgar Snowdon. Dies war früher allein körperlich nicht möglich. Man hätte tonnenweise Akten studieren müssen. Durch die Globalisierung, die kein Staat mehr steuern kann, hat Raum und Zeit keine Bedeutung mehr. Nur wenn man weiß, wie alles zusammenhängt, kann man vernünftige Wege finden. Die Fähigkeit geostrategisch zu denken ist verloren gegangen, fuhr er fort. Nach weiteren Beispielen für die schwierigen Verhältnisse kam Jäger auf die Gemeinsamkeit der EU zu sprechen. 28 Staaten müssen sich zusammen raufen. Jeder sieht zunächst seinen eigenen Vorteil. Nur wenn solch einer gesehen wird, ist die Chance zuzustimmen gegeben. Italien ist es ziemlich wurscht, ob Estland Angst vor einer russischen Annexion hat, Estland ist ziemlich gleichgültig ggenüber dem Flüchtlingsproblem Italiens. Die Bedrohungslagen werden unterschiedlich wahrgenommen. Weiterhin ist auch bei den Staaten im Vordergrund, welchen Vorteil sie von den jeweiligen Vereinbarungen haben. Die einzelnen Staaten können allein nicht mehr alle Politikfelder abdecken. Die angestrebte Arbeitsteilung, neudeutsch „Pooling and Sharing“, klappt aber selbst auf der militärischen Ebene nicht. Trotz lang existierender GASP. Die GASP hat ein Führungsproblem. Deutschland ist zwar der stärkste Staat in Europa aber keine Führungsmacht, führte Jäger aus. Er sieht auch kein Zentrum, das führen könnte. Seine Schilderung der Weltlage machte die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen deutlich. Die Weltordnung geprägt durch Groß- und Weltmächte ist vorbei. USA als einzige Weltmacht will nicht regeln, Russland kann nicht regeln, ebensowenig wie die BRIC-Staaten. Die EU muss erst klären, welchen Anspruch sie an sich selbst hat. Wird aber immer mehr von den USA gedrängt Verantwortung zu übernehmen, die Probleme selbst anzugehen. Die Forderung von Präsidentschaftskandidat Donald Trump, dass er die Mittel für die NATO drastisch kürzen wird, sei nicht vom Tisch, wenn Trump nicht Präsident wird, sagte Jäger voraus. Angesichts der Bedrohungslage muss Europa handeln. Syrien ist eine Gemengelage, die nicht zu beherrschen ist. Lybien ist kein zerfallender Staat, es ist kein Staat. Und diese Staaten sind unsere Nachbarn. Italien, Frankreich und Griechenland können die Militärausgaben nicht erhöhen. Wie soll ein starkes Europa geschaffen werden? Prof. Jäger hatte kein Patentrezept. Er hinterlies mit seinem düsteren Szenario nachdenkliche Zuhörer. Am nächsten Morgen hielt Prof. Jäger den Vortrag vor 80 Schülern der Hans-Viessmann-Schule.

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