Mit dem Schleuser nach Europa und dann?

Referent Dr. Matthias Neske, stv. Sektionsleiter Manfred, Schulleiter Carsten Placht. Foto: Manfred Weider/nh

Frankenberg(Manfred Weider/nh). Zu dem Abendvortrag der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V., Sektion Waldeck-Frankenberg (GSP) „Mit dem Schleuser nach Europa und dann?“ begrüßte stellvertretender Sektionsleiter Manfred Weider vor 140 interessierten Gästen den Referenten Dr. Matthias Neske in der Aula der Hans-Viessmann-Schule.

 Als der Vortrag geplant wurde, ahnten die Organisatoren in keinster Weise wie aktuell das Thema durch die Flüchlingsströme nach Europa sein würde. Unmittelbar waren sie betroffen von dem Zustrom durch die Verlegung des Veranstaltungsortes vom Burgwald-Kasino in die Aula der Hans-Viessmann-Schule. Hierzu gab der stellvertretende Kommandeur Major Stefan Burghard in seinem Grußwort eine kurze Erklärung. Das EloKabtl 932 musste die Köche des Kasinos zur Versorgung von Flüchtlingen nach außerhalb abstellen. Das wenige Restpersonal ist nicht in der Lage den Betrieb in vollem Umfang durchzuführen. Daher schließt das Kasino täglich bis auf weiteres um 13 Uhr.

Dr. Matthias Neske ist Referatsleiter im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dort in der Migrationsforschung auf dem Forschungsfeld III „Wirtschaftswissenschaftliche Zusammenhänge tätig. Im Vortrag merkte man, dass er durch seine Reisen auf dem aktuellen Stand in der Migrationsforschung ist. Die GSP hatte mit Dr. Neske vereinbart, dass sein Referat Grundlagen der Migration vermitteln sollte. Dies ist ihm auch sehr gut gelungen. Sein Vortrag gliederte sich in die Schritte erstens „Warum migrieren Menschen? Wohin gehen sie?“, zweitens „Wie funktionieren Schleusungen?“ und drittens “Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt mit der Vorstellung des Pilotprojektes „Early Intervention“. Anhand des Human Development Index zeigte er die ungleichen Einkommensverhältnis auf der Erde auf, mit dem Hinweis, dass die Migrationsströme nicht aus den ärmsten Ländern zu uns erfolgen. Die Ursachen für Migration sind vielfältig. Ein prekärer Arbeitsmarkt, niedrige Löhne, Gefahr eines Umsturzes des politischen Systems, mangelhaftes Bildungssystem, mangelhaftes Gesundheitssystem und starkes soziales Gefälle sind die bei uns bekanntesten Gründe zur Flucht, zur Wanderungsentscheidung. Aber auch Vergleichsprozesse innerhalb einer Gesellschaft sind Ursachen, um das eigene land zu verlassen. Hierzu nannte er soziale Ungleichheit, soziale Spannungen, Statusunterschiede oder ökonomische Unterschiede. Das Schwierige bei diesen Ursachen ist, dass die subjektive Wahrnehmung zählt. Im nächsten Schritt erklärte er die Wahl des Ziellandes. Historische und sprachliche Gründe sind oft ausschlaggebend. So wandern Senegalesen nach Frankreich weil Französisch zweite Amtssprache ist. Türken zieht es nach Deutschland, da hier bereits viel Türken ansässig sind. Pakistani bevorzugen Großbritannien aus der Historie heraus. Die Arbeitsmöglichkeiten sind weitere Gründe. Marokkaner gehen nach Spanien, Rumänen nach Deutschland. Somalier bevorzugen Norwegen und Syrer Deutschland, da hier gute Sozialstandards sind und eine gute politische Sicherheit. Aber ist es nicht ein Grund, sondern eine Vielzahl, die zu einer Entscheidung zu gunsten eines Landes führen. Dann stellte der Referent die Organisation von Schleusungen vor. Beginnend stellte er klar, dass nur Menschen Schleuser in Anspruch nehmen, wenn sie sonst keine andere, vor allem legale, Möglichkeit haben. Es gibt das Marktprinzip „Angebot und Nachfrage“. Eine Person will in den Staat A und findet einen Schleuser. Dieser erhält Geld und zeigt den Weg auf. Dann trennen sich beide und sehen sich nie mehr. Dieses Marktprinzip birgt für den Flüchtling hohe Risiken. Wenn die Schleusung nicht klappt, hat er alles verloren und kann den Schleuser nicht zur Rechenschaft ziehen.

Als Netzwerk stellt er die „lokale Schleusung“ vor. Hier wird der Migrant von Schleuser zu Schleuser gelotst. Diese System ist sicherer als das Marktprinzip. Als eine oft genutzte finanzielle Transaktion erklärte er das Verfahren „Hawala“. Ein Geldtransfersystem das im Handel über die Seidenstraße entwickelt wurde, um den Raub von mitgeführtem Bargeld zu verhindern. Es verschleiert aber auch die Geldwege. Dieses Bankensystem, dass im asiatischen Raum auch heute angewandt wird, kann mit unseren nicht verglichen werden. Als Beispiel: Der Migrant sagt im Zielland seinem Onkel, er möchte kommen. Der Onkel zahlt das Geld an einen Hawalar. Das ist kein Banker in unserem Sinn. Oft ein Importeur, Restaurantbetreiber, jemand der sich auskennt, der in einem Netzwerk ist. Dieser sagt einem Hawalar im Startland, dass er das Geld hat. Der Schleuser bekommt grünes Licht. Ist der Migrant im Zielland angekommen, erhält der Schleuser sein Geld. Der Geldtransfer von Zielland in das Startland geschieht oft durch Warenaustausch. Im Zielland wird Ware gekauft und in das Ausgangsland transportiert. Die Altersstruktur der Migranten zeigt auf, dass überwiegend Männer im Alter zwischen 13 und 30 Jahren migrieren. Zur Integration dieser Menschen kommend, stellte er das Pilotprojekt der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit dem Bundesprogramm XENOS-arbeitsmarktliche Unterstützung für bleibeberechtigte und Flüchtlinge (BAMS) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor.

Ergebnisse des Projekts: Die Teilnehmenden sind hochmotiviert, benötigen aber enge Begleitung, was sehr personalintensiv ist. Schwierig ist die Kompetenzdiagnose der Teilnehmer. Wer kann was, wer ist zu was geeignet? Sprachkenntnisse sind entscheidend. Die Arbeitsmarktintegration ist auch für die Bestqualifizierten ein weiter Weg. Es ist eine realistische Debatte nötig, keine Überforderung, keine unrealistischen Erwartungen in der Öffentlichkeit/bei Unternehmen dürfen erzeugt werden Die Debatte muss sich auf die tatsächliche Ermöglichung des Arbeitsmarktzugangs und nicht auf den rechtlichen Rahmen konzentrieren. 

Fazit des Referenten: es sind weiter Modell-, Pilotprojekte nötig. Es müssen Netzwerke aufgebaut werden. Was besonders in Richtung Ministerien und anderen Gremien im politischen Raum gezielt ist. Hier spricht man nicht unbedingt miteinander. Es müssen niedrige Stellenangebote als Start realisiert werden. Das gesellschaftliche Bewusstsein muss dafür geschärft werden, dass hier ein ganz wichtiger Invest für die Zukunft erforderlich ist. Und Investieren heißt meistens, dass man zunächst Miese macht. Die Migration muss als integrativer Teil der Globalisierung begriffen werden. Der Schwung und die Dynamik muss organisch aufgenommen und geleitet werden. Eine Abkehr von einer rein mechanischen Sichtweise ist angesagt. 

Die Diskussion lenkte dann auf die aktuelle Lage. Die Frage, ob man denn wüsste, wie viele „schlechte“ Menschen zu uns kommen, beantwortete Neske damit, dass die Flüchtlingen ein Spiegelbild ihrer Gesellschaft sind. Daher muss die Registrierung der Ankommenden schnellstens verbessert, beschleunigt werden. Aber Versäumnisse der letzten Jahre kann man nicht über Nacht ausgleichen. Die jüngsten Maßnahmen zur Verbesserung der Kontrollen, Registrierung und Verkürzung der Asylverfahren zeigen langsam ihre Wirksamkeit, bewertete er die Lage. Das Angebot der GSP an die Hans-Viessmann-Schule diesen Vortrag für die Schüler zu halten, nahm Schulleiter Carsten Placht gerne als erweiterte staatsbürgerliche Weiterbildung an. Und so konnte der Referent und Manfred Weider am nächsten Morgen 200 Schüler zu dem Vortrag begrüßen.

Der nächste Veranstaltung der GSP findet am Mittwoch, 04. November um 19 Uhr 30 im Burgwald-Kasino statt. Thema: „Islamischer Staat (IS) – Gewalt als Strategie, wie der IS handelt und wirbt“ – Ziele, Aufbau und Arbeitsweise des IS. Referent ist Dr. des. Bernd Zywietz, M.A.. Dr. Zywiest, Jahrgang 1975, arbeitet in der Filmwissenschaft/Mediendramaturgie des Instituts für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die GSP bittet um Beachtung der Pressveröffentlichungen und ihrer Internetseiten, speziell in Hinsicht auf einen möglichen Wechsel des Veranstaltungsortes.

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