Thomas Grosche: „Wir sind die Exoten im Kommunalen ServiceVerbund Eisenberg“

Bürgermeister Thomas Grosche sieht Vorteile für die Stadt Medebach durch die Mitgliedschaft im Kommunalen ServiceVerbund Eisenberg (KSVE). Foto: Schütz/nh

Medebachs Bürgermeister über interkommunale Zusammenarbeit, Windkraft und Asyl

Medebach(nh). Seit der Gründung des Kommunalen ServiceVerbundes Eisenberg (KSVE) 2007 ist die westfälische Stadt Medebach Partner dieser Kooperation. „Über dieses politische Erbe freue ich mich vom ersten Tag an“, sagt Medebachs Bürgermeister Thomas Grosche. Seit 2009 ist der gebürtige Küstelberger im Amt und steht der 76köpfigen Stadtverwaltung (50 Vollzeitstellen) voran. 2014 wurde er mit 94,7 Prozent und dem besten Wahlergebnis in ganz Nordrhein-Westfalen von den Bürgerinnen und Bürgern bis 2020 bestätigt. In der KSVE-Mitgliedschaft, die auch Kollegen in NRW positiv wahrnehmen, sieht Grosche „viele gute Möglichkeiten, um den Herausforderungen der nahen Zukunft gemeinsam zu begegnen.“ Im Interview äußert sich der Medebacher Rathauschef zu den aktuellen Themen interkommunale Zusammenarbeit, Windkraft und Asyl-Politik.

Das Interview mit Thomas Grosche führte Dieter Schütz

Herr Grosche, warum engagiert sich die Stadt Medebach als NRW-Kommune im Kommunalen ServiceVerbund Eisenberg? Wo liegen die Vorteile für Sie?

Thomas Grosche: „Schon der Blick auf die Landkarte zeigt, dass der Verbund ohne Medebach gar keine runde Sache wäre (lacht). Wir sind die Exoten im Kommunalen ServiceVerbund Eisenberg. Dennoch sehe ich für die Stadt Medebach viele Vorteile durch diese Zusammenarbeit mit unseren hessischen Nachbarn Diemelsee, Korbach, Lichtensfels, Vöhl, Waldeck und Willingen. Diese Kommunen haben begriffen, dass Kirchturmdenken nicht zielführend ist. Wir müssen uns als eine gemeinsame Region verstehen. Kleine Kommunen haben Probleme, die großen Herausforderungen alleine zu bewältigen. Die Alterspyramide, der Bevölkerungsrückgang, die bunter werdende Gesellschaft, all das sind wichtige Themen, die uns auf dem Land betreffen. Medebach ist aus Überzeugung im Serviceverbund dabei. Durch unterschiedliche Gesetzgebungen diesseits und jenseits der Landesgrenze können wir uns bei den Pflichtaufgaben weniger einbringen, aber dafür umso mehr bei den freiwilligen Leistungen. Beispiele sind die viel beachtete Kinder-Uni, die gemeinsame Vermarktung der Standesämter, Verwaltungsvereinbarungen zu Fortbildungen und Schulungen sowie Themen aus dem Bereich Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Auch die touristische Entwicklung und Vermarktung der Region wollen wir noch enger verzahnen. Hier bieten der Centerpark Hochsauerland/Medebach, die Ederseeregion und die Touristikhochburg Willingen (Upland) gute Ansatzpunkte. Im Frühjahr, Sommer und Herbst können wir noch zusätzliche Potenziale im Tourismus erschließen. Auch in Sachen demografischer Entwicklung wird uns nur eine enge Abstimmung in die Lage versetzen, dem Zeitgeist der Landflucht etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen. Die Stadt Medebach hat rund 7.900 Einwohner, bis zum Jahr 2030 prognostiziert man uns einen Bevölkerungsrückgang von zehn Prozent. Unser alle Ziel ist es, die jungen Leute bei uns zu halten und verstärkt Fachkräfte von außen zu gewinnen. Wenn wir als Region mit der Waldeck-Frankenberger Kreisstadt Korbach als größtem Partner im KSVE gemeinsam auf einen guten Branchenmix und eine breite Palette aus lohnenden Arbeitsplätzen und einem attraktiven Freizeitangebot setzen, werden wir bei den Menschen punkten können. Ziel ist es, auch die Lebensqualität der etwa 62.000 Bewohner zu stärken, gemeinsame Projekte umzusetzen und die Region zu fördern. Das Motto ‚Wir gestalten Zukunft‘ wollen wir mit Leben füllen. Ganz aktuell ist es das Thema Windkraft, das uns bewegt.“

An der Energiewende und der Windkraft scheiden sich die Geister. Das Thema wird sehr emotional diskutiert und bewegt viele Menschen. Wie stehen Sie dazu?

Thomas Grosche: „Das ist ein spannendes Thema. Ich bin Mitglied im Regionalrat der Bezirksregierung Arnsberg, der analog zur Situation in Hessen der Regionalversammlung beim Regierungspräsidium Kassel entspricht. Im Landesentwicklungsplan Südwestfalen sollen 18.000 Hektar Windvorrangzonen ausgewiesen werden, alleine 8.000 davon im Hochsauerlandkreis. Wenn das tatsächlich so kommt, würde das Sauerland als touristisches Kerngebiet vom Land der 1000 Berge zum Land der 1000 Windräder. Es gibt einen Aufschrei der Empörung. Denn die vorgesehen Flächen sind keineswegs deckungsgleich mit den Flächennutzungsplänen der Kommunen. Es ist grundsätzlich problematisch, wenn man aus der Distanz Flächen ausweist, die von den betroffenen Städten und Gemeinden vor Ort als nicht geeignet eingeschätzt werden. Dies hebelt die kommunale Planungshoheit aus und ist nicht hinnehmbar. Es besteht die Hoffnung, dass der im Entwurf vorliegende Landesentwicklungsplan vom Landtag nicht beschlossen wird. Das ganze Verfahren ist so kompliziert, dass es den Bürgern nur schwer zu vermitteln ist. Gar nicht zu verstehen ist, dass es scheinbar keinerlei Abstimmungen über die Landesgrenze hinweg zu geben scheint. Die Medebacher Suchräume zur Grenze an das benachbarte Upland wurden aus sehr nachvollziehbaren Gründen von der Bezirksregierung in Arnsberg nicht in den Entwurf aufgenommen, weil es sich unter anderem um unzerschnittene Naturräume handelt. Ich begrüße diese Entscheidung. Aber nur einen Meter hinter der Landesgrenze sieht die Welt ganz anders aus, weil der Teilregionalplan Energie für Nordhessen hier in unmittelbarem Anschluss eine Fläche für Windkraftanlagen vorsieht. Betrachtet man die Landkarte, hört in Sachen Windkraftplanung die Welt an der Landesgrenze auf. Das ist doch ein schlechter Witz und kann nicht in vernünftiger Abstimmung geschehen sein. Hier werden willkürlich völlig unterschiedliche Kriterien angelegt. Die Energiewende gehört europäisch gedacht, bei uns wird sie aber scheinbar nicht einmal übergreifend regional geplant.“

Die vielen Flüchtlinge stellen die Kommunen derzeit vor große Aufgaben. Das wird in der Stadt Medebach sicher nicht anders sein als in Waldeck-Frankenberg.

Thomas Grosche: „In der Tat stellen auch für uns die Flüchtlingszahlen eine große Herausforderung dar. Die Landeseinrichtungen platzen aus allen Nähten, und so werden die asylsuchenden Menschen immer schneller den Kommunen zugewiesen. Derzeit leben etwa 60 Flüchtlinge im Stadtgebiet. 2011 waren es 15 Personen. Und in diesem Jahr werden voraussichtlich weitere rund 30 Asylbewerber dazu kommen, wenn die Flüchtlingsströme so anhalten. Für jeden einzelnen dieser Menschen ist das sehr tragisch und bedauernswert. Wir müssen den tatsächlich Verfolgten helfen, wo wir können. Aber unser städtischer Sozialetat wird das auf Dauer nicht leisten können. Wir können auf örtlicher Ebene nicht alle Probleme dieser Welt lösen. Schon jetzt stoßen die Kommunen an ihre Grenzen. In der Stadt Medebach und den Ortsteilen kommt uns der relativ hohe Leerstand zugute, denn wir haben alle Flüchtlinge in Mietwohnungen untergebracht. Es gibt keine Übergangs- oder Sammelunterkünfte. Das halte ich für die Privatsphäre und die Integration dieser Menschen für sehr wichtig. Genauso wie die Unterstützung durch ehrenamtliche Akteure, die eine große Hilfe darstellt. Aber noch einmal zu den finanziellen Dimensionen. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist ein Bundesgesetz. Es handelt sich also um eine gesamtstaatliche Aufgabe. Die Kommunen tun, was sie tun können. Aber Bund und Länder dürfen die Städte und Gemeinden nicht im Stich lassen. Es muss kurzfristig für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gesorgt werden, was derzeit nicht der Fall ist. Die getroffenen politischen Entscheidungen greifen allesamt zu kurz und dauern bei dem brisanten Thema viel zu lange. Hier gibt es auch bei den sieben KSVE-Bürgermeistern keine zwei Meinungen. Der Serviceverbund will Themen, die in allen Kommunen diskutiert werden, zukünftig mit einer gemeinsamen Sprache kommunizieren, um den Aussagen Nachdruck zu verleihen. Dazu werden wir auch unsere Presse- und Öffentlichkeitsarbeit intensivieren. Zusammen sind wir stärker.“

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